In den ersten 13 Schwangerschaftswochen ist der Fetus voll auf die Thyroxin(T4)-Versorgung durch die Mutter angewiesen. Danach produziert die kindliche Schilddrüse selbst T4. Eine Unterversorgung des Fetusses mit T4 kann zu Störungen der Hirnentwicklung, zu verminderter Intelligenz und zu erhöhter fetaler Letalität führen. Bei gesunden Frauen nimmt die T4-Sekretion während der Schwangerschaft zu. Frauen mit Hypothyreose wird zwar empfohlen, die T4-Dosis während einer Schwangerschaft zu steigern, aber der Zeitpunkt, zu dem dies notwendig ist und der Umfang der Dosiserhöhung waren bisher nicht gut bekannt.
Aus diesem Grund untersuchten E.K. Alexander et al. aus Boston (1) bei 19 hypothyreoten Frauen, die eine Schwangerschaft planten, vor sowie in engen Abständen im ersten Trimenon der eingetretenen Schwangerschaft, später in monatlichen Abständen, die Serumkonzentrationen von T4, TSH, Estradiol und Choriongonadotropin.
Sechs dieser Frauen waren nach einer Operation wegen eines differenzierten Schilddrüsenkarzinoms (TSH-suppressiv) mit T4 behandelt. Bei ihnen sollte der TSH-Wert während der Schwangerschaft möglichst 0,5 mU/l nicht überschreiten. Bei den anderen Frauen (Hashimoto-Thyreoiditis oder Zustand nach Radiojod-Therapie wegen Hyperthyreose oder Knotenstruma) sollte der TSH-Wert nicht höher steigen als 5 mE/l. Wurde ein solcher Anstieg gemessen, dann wurde die T4-Dosis um 25 µg, später um 12,5 µg bis zur nächsten TSH-Kontrolle erhöht.
Im ersten Trimenon stieg der so ermittelte T4-Bedarf bereits um ca. 30% an. Ab der 16. Schwangerschaftswoche blieb der T4-Bedarf mit im Mittel 47% über der Ausgangsdosis stabil. Bei 85% der Frauen wurde eine Dosiserhöhung notwendig, bei 15% nicht. Aus dem Verlauf der Kurven für den T4-Bedarf und der Estradiolwerte im Serum schließen die Autoren, daß Estradiol der entscheidende Faktor für den steigenden T4-Bedarf ist. Nur in geringem Umfang werde dies durch die Estradiol-induzierte Steigerung des TBG-Spiegels (Thyroxin-bindendes Globulin) vermittelt.
Die Autoren empfehlen für die Praxis, daß Frauen mit Hypothyreose schriftlich informiert werden sollen, im Fall des Eintritts einer Schwangerschaft die T4-Dosis sofort um ca. 30% zu erhöhen. Da T4 eine sehr lange Halbwertszeit hat, kann dies einfach dadurch geschehen, daß die Frau im Laufe einer Woche zwei Tagesdosen zusätzlich einnimmt. Bald darauf soll sie bei einem Arzt das TSH bestimmen lassen, und zwar mehrmals während einer Schwangerschaft. Die T4-Dosis soll dann so gewählt werden, daß der TSH-Wert im Zielbereich bleibt. Bei den 15% der Frauen, deren T4-Bedarf während der Schwangerschaft nicht ansteigt, könne die Dosiserhöhung keinen Schaden anrichten, da durch Abnahme des TSH-Werts die Schilddrüse die T4-Sekretion drossele.
Diese Empfehlung wird in einem Editorial von A.Toft aus Edinburgh (2) unterstützt und den Ärzten darüber hinaus geraten, bei allen Frauen, die schwanger werden wollen, eine T4- und TSH-Bestimmung zu erwägen, besonders bei Frauen mit Typ-1-Diabetes oder bei solchen mit endokrinen Autoimmunerkrankungen bei Verwandten.
Fazit: Hypothyreoten Frauen, die schwanger werden wollen, wird bereits mit Bestätigung der eingetretenen Schwangerschaft eine Erhöhung der T4-Dosis um ca. 30% empfohlen. Ab dem 2. Trimenon liegt der T4-Bedarf ca. 40-50% über der den TSH-Wert normalisierenden T4-Dosis vor Eintritt der Schwangerschaft.
Literatur
- Alexander, E. K., et al.: N. Engl. J. Med. 2004, 351, 241.
- Toft, A.: N. Engl. J. Med. 2004, 351, 292.