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Leserbrief: Antihistaminika in der Schwangerschaft

Frage von Dr. R.F. aus Ingolstadt: >> Gibt es konkrete Berichte über eine fruchtschädigende Wirkung von Antihistaminika während der Schwangerschaft? Im konkreten Fall geht es um eine geplante Schwangerschaft bei einer 27-jährigen Patientin, die wegen stark ausgeprägter, ganzjährig bestehender allergischer Rhinitis und wiederholt ergebnisloser allergologischer Abklärung bei verschiedenen Institutionen seit fast zehn Jahren dauerhaft Antihistaminika einnimmt und darunter weitgehend beschwerdefrei ist. <<

Antwort: >> Umfangreiche Untersuchungen haben für keines der schon lange gebräuchlichen Antihistaminika, wie z.B. Brompheniramin, Chlorphenamin, Chlorphenoxamin, Clemastin, Dexchlorpheniramin, Dimetinden, Diphenhydramin, Hydroxyzin, Mebhydrolin und Pheniramin den früher geäußerten Verdacht auf teratogene Effekte bestätigt. Auch zu den anderen bzw. neueren Substanzen gibt es keine diesbezüglichen Hinweise. Die Zahl ausgewerteter Schwangerschaften liegt allerdings bei manchen Präparaten nur in einer Größenordnung von einem oder wenigen Dutzend. Die meisten Erfahrungen mit jeweils (weit) über 1000 ausgewerteten Schwangerschaftsverläufen gibt es heute zu Meclozin, Loratadin, Cetirizin und Terfenadin. Da Loratadin zwischenzeitlich im Verdacht stand, bei männlichen Feten eine leichte Form der Hypospadie zu begünstigen, wurde dieses Mittel besonders gut untersucht. Der Verdacht konnte nicht bestätigt werden (1; Übersicht bei 2).

In einer älteren Untersuchung wurde häufigeres Auftreten einer retrolentalen Fibroplasie beim Kind beobachtet, wenn mit Antihistaminika in den letzten beiden Schwangerschaftswochen behandelt wurde (3). Andere Untersucher konnten diesen Effekt nicht bestätigen. Nach langfristiger Antihistaminikabehandlung bis zur Geburt (z.B. mit Diphenhydramin bzw. Hydroxyzin) wurden vereinzelt Entzugssymptome, wie z.B. Zittrigkeit, beim Neugeborenen beschrieben.

Zusammenfassende Empfehlung (falls nicht auf die Behandlung verzichtet werden kann): Ältere Präparate mit umfangreicher Markterprobung, wie z.B. Clemastin und Dimetinden sowie Loratadin aus der Gruppe der nicht-sedierenden Antihistaminika, gelten heute als Mittel der ersten Wahl in der Schwangerschaft. Die (versehentliche) Einnahme weniger gut untersuchter Antihistaminika begründet weder einen Schwangerschaftsabbruch noch eine invasive Diagnostik. Die empfohlenen Mittel sind auch in der Stillzeit gut verträglich. Bei manchen Kindern wurde vermehrt Unruhe beobachtet. In solchen Fällen kann ein Wechsel des Antihistaminikums versucht werden. <<

Literatur

  1. Källén, B., et al.: J. Risk Safety Med. 2001, 14, 115.
  2. Schaefer, C., Spielmann, H., Vetter, K.: Arzneiverordnung in Schwangerschaft und Stillzeit. 7. Aufl., Elsevier/Urban & Fischer, München (erscheint Juni 2006).
  3. Zierler, S., und Purohit, D.: Am. J. Epidemiol. 1986, 123, 192.