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Therapiestrategien bei jüngeren Patienten mit aggressivem Non-Hodgkin-Lymphom und günstiger Prognose

Zusammenfassung: Neue Studienergebnisse mit allerdings noch kurzer Nachbeobachtung sprechen dafür, dass auch jüngere Patienten mit diffus großzelligem B-Zell-Lymphom (DLBCL) und niedrigem oder niedrig-intermediärem Risiko von Rituximab im Rahmen einer kombinierten Chemo-/Immuntherapie profitieren. Patienten mit DLCBL im lokalisierten Stadium ohne große Lymphommanifestationen („bulky disease”) oder andere Risikofaktoren sollten außerhalb klinischer Studien entweder mit sechs Zyklen CHOP plus Rituximab oder mit drei Zyklen CHOP plus Rituximab, gefolgt von einer „involved-field”-Strahlentherapie, behandelt werden. Jüngere Patienten mit DLBCL und „bulky disease” sollten auch in den lokalisierten Stadien I oder II in jedem Fall sechs Zyklen einer CHOP plus Rituximab erhalten (1). Die Frage, ob bei diesen Patienten durch eine anschließende Strahlentherapie die Therapieergebnisse weiter verbessert werden können, wird nur ein randomisierter Vergleich zwischen Chemo-/Immuntherapie ± Strahlentherapie beantworten. Die optimale Therapie für Patienten mit DLBCL im Stadium I ohne Risikofaktoren ist bisher nicht in randomisierten kontrollierten Studien untersucht worden.

Kombinierte Therapiestrategien (Polychemotherapie gefolgt von lokaler Bestrahlung) haben vor etwa 20 Jahren die alleinige Strahlentherapie als Standardbehandlung für Patienten mit aggressiven (hochmalignen) Non-Hodgkin-Lymphomen (NHL) in lokalisierten Stadien (I oder II nach Ann Arbor) abgelöst. Da die klinische (anatomische) Stadieneinteilung kein guter Ersatz für andere prognostische Faktoren bei NHL ist, wurden inzwischen prognostische Modelle entwickelt und für eine individuelle, risikoadaptierte Planung der Therapiestrategien bei aggressiven NHL im Rahmen klinischer Studien verwendet (2). Insbesondere der allerdings auf retrospektiven Analysen basierende „International Prognostic Index” (IPI), der fünf klinische Risikofaktoren (RF) berücksichtigt (ungünstig: Alter > 60 Jahre, schlechter Allgemeinzustand, LDH > oberer Normwert, = zwei extranodale Manifestationen, Stadium III/IV), hat sich als prädiktiver prognostischer Score bewährt, und die an Hand des IPI definierten unterschiedlichen Risikogruppen sind mit deutlichen Unterschieden im erkrankungsfreien bzw. Gesamtüberleben assoziiert. So liegen z.B. bei jüngeren Patienten (= 60 Jahre) mit aggressiven NHL die Fünf-Jahres-Überlebensraten bei 83% mit niedrigem IPI (kein RF) und bei knapp 70% mit niedrig-intermediärem IPI (ein RF; 3). Ein weiterer wichtiger RF, der Nachweis großer Tumormassen („bulky disease”; Definition nicht einheitlich und von Studiengruppe abhängig: > 5 cm oder > 7,5 cm oder > 10 cm), ist im IPI jedoch nicht berücksichtigt.

In den letzten Jahren sind drei wichtige randomisierte kontrollierte Studien durchgeführt worden, um offene Fragen hinsichtlich Zusammensetzung und Intensität der Polychemotherapie sowie Stellenwert der kombinierten Chemo-/Immuntherapie bzw. Bestrahlung bei jüngeren Patienten mit aggressiven NHL zu beantworten (4-6).

Eine im vergangenen Jahr publizierte multizentrische, randomisierte kontrollierte Studie der Groupe d’Etude des Lymphomes de l’Adulte (GELA) hat bei jüngeren Patienten (< 61 Jahre) mit aggressiven NHL, von denen etwa 80% DLBCL hatten, zwei unterschiedliche Therapiestrategien in den lokalisierten Stadien I oder II ohne ungünstige prognostische Faktoren (entsprechend IPI) verglichen (4). In der Gruppe mit kombinierter Chemo-/Srahlentherapie erhielten 329 Patienten drei Zyklen der Standardtherapie mit CHOP (Cyclophosphamid, Doxorubicin, Vincristin, Prednison), gefolgt von einer lokalen („involved-field” = IF) Strahlentherapie (40 Gy) (7-9). In der Gruppe mit alleiniger Polychemotherapie wurden 318 Patienten mit drei Zyklen einer intensivierten Polychemotherapie entsprechend dem ACVBP-Schema (Doxorubicin, Cyclophosphamid, Vindesin, Bleomycin und Prednison), gefolgt von einer sequenziellen Konsolidierungs-Chemotherapie (hochdosiertes Methotrexat, Etoposid + Ifosfamid, Cytarabin), behandelt. Nach einer medianen Nachbeobachtung von 7,7 Jahren war in dieser Studie die alleinige intensive Polychemotherapie der kombinierten Chemo-/Strahlentherapie signifikant überlegen (geschätztes ereignisfreies Überleben nach fünf Jahren 82% versus 74% und geschätztes Gesamtüberleben 90% versus 81%).

Eine 2004 von der Deutschen Studiengruppe für Hochmaligne NHL (DSHNHL) publizierte multizentrische, randomisierte klinische Studie mit 2 x 2 faktoriellem Design hat bei jüngeren Patienten (18-60 Jahre) mit aggressivem NHL (etwa zwei Drittel im lokalisierten Stadium I oder II) und günstiger Prognose (normale LDH) zum einen die Wirksamkeit und Toxizität einer Intervallverkürzung („dosisdichte” Chemotherapie alle 14 Tage versus Standardtherapie alle 21 Tage), zum anderen die Intensivierung des CHOP-Schemas durch zusätzlich Gabe von Etoposid (CHOEP) untersucht (5). Nach sechs Zyklen der Polychemotherapie erhielten Patienten mit initial großer Tumormasse („bulky disease”: Lymphome oder Konglomerattumore = 7,5 cm) und extranodaler Erkrankung eine zusätzliche Strahlentherapie (36 Gy). Die Ergebnisse dieser Studie waren nicht eindeutig. CHOEP war sowohl hinsichtlich der Ansprechrate als auch des geschätzten ereignisfreien Überlebens nach fünf Jahren der bisherigen Standardtherapie mit CHOP signifikant überlegen. Nach medianer Nachbeobachtung von 58 Monaten waren jedoch das geschätzte Gesamtüberleben nach fünf Jahren in den Therapiearmen CHOP-14, CHOEP-14 oder -21 vergleichbar (83%-85%). Die Autoren empfahlen aufgrund dieser Ergebnisse sechs Zyklen CHOEP als neuen Standard für jüngere Patienten mit aggressivem NHL und guter Prognose (5). Dieser Empfehlung sind nur wenige Studiengruppen gefolgt, und sie muss inzwischen auf Grund von Studienergebnissen mit Rituximab (MabThera®; vgl. 10) als überholt gelten.

In dem weltweit durchgeführten MabThera International Trial (MInT), einer offenen, randomisierten kontrollierten Studie, wurde bei jüngeren Patienten (18-60 Jahre) mit DLBCL ohne Risikofaktoren oder mit nur einem Risikofaktor, entsprechend IPI, eine CHOP-ähnliche Polychemotherapie (92% erhielten CHOP-21 oder CHOEP-21) mit oder ohne Rituximab verglichen (6). Insgesamt 824 Patienten aus 18 Ländern wurden von acht Studiengruppen rekrutiert und nach Randomisierung mit sechs Zyklen Polychemotherapie mit Rituximab (n = 413) oder ohne Rituximab (n = 411) behandelt. Alle Patienten aus Deutschland und Schweden erhielten CHOEP-21. Eingeschlossen wurden Patienten mit Stadium II-IV (etwa 55% im Stadium II) oder im Stadium I mit „bulky disease” (18%). Patienten mit großer Tumormasse oder extranodalen Manifestationen erhielten im Anschluss an die Chemo- oder Chemo-/Immuntherapie eine zusätzliche Bestrahlung (30-40 Gy). Primärer Endpunkt dieser Studie war das ereignisfreie Überleben, sekundäre Endpunkte waren Ansprechrate, Progress unter Therapie, progressfreies Überleben, Gesamtüberleben und Toxizität. Der Sponsor dieser Studie (Hoffmann-La Roche, Basel) hatte nach Angaben der Autoren keinen Einfluss auf das Design der Studie, Analyse und Interpretation der Ergebnisse sowie Abfassung des Manuskripts. Anlässlich einer ersten geplanten Zwischenanalyse nach 100 Ereignissen wurde die Studie wegen hochsignifikanter Unterschiede (p < 0,0001) im ereignisfreien Überleben zugunsten der kombinierten Chemo-/Immuntherapie beendet. Die jetzt publizierten Ergebnisse ergaben nach einer medianen Nachbeobachtung von 34 Monaten eine signifikante Überlegenheit im geschätzten ereignisfreien Überleben nach drei Jahren (79% versus 59%, p = 0,0001) und geschätztem Gesamtüberleben nach drei Jahren (93% versus 84%, p = 0,0001). Die Therapieergebnisse (geschätztes ereignisfreies Überleben nach drei Jahren) waren allerdings für CHOP oder CHOEP ohne Rituximab mit 54% bzw. 62% deutlich schlechter als in anderen Studien bei Patienten mit aggressiven NHL und günstiger Prognose. Anhand multivariater Analysen wurden zwei neue prognostische Subgruppen und „bulky disease” als unabhängiger, prognostischer Faktor identifiziert. Patienten im Stadium II, ohne Risikofaktor entsprechend IPI oder „bulky disease” (etwa 25% der eingeschlossenen Patienten) hatten nach Chemotherapie plus Rituximab ein geschätztes ereignisfreies Drei-Jahres-Überleben von 89% und ein geschätztes Gesamtüberleben von 98%. Patienten in der weniger günstigen Subgruppe (IPI = 1, „bulky disease”, oder beides; etwa 75% der Patienten) zeigten nach drei Jahren ein geschätztes ereignisfreies Überleben von 76%. Etwa drei Viertel dieser Patienten hatten „bulky disease”. Auf unerwünschte Ereignisse wurde in der Publikation des MInT nur sehr kurz eingegangen. Bemerkenswert ist, dass fünf von sieben Therapie-assoziierten Todesfällen bei Patienten auftraten, die mit CHOEP behandelt worden waren, und dass trotz kurzer Nachbeobachtung bereits vier Zweitneoplasien beobachtet wurden. Leider wurde nicht mitgeteilt, in welchem Chemotherapiearm die akuten myeloischen Leukämien aufgetreten waren.

Eine noch nicht als Vollpublikation vorliegende Pilotstudie der „Southwest Oncology Group” (SWOG), in der die Wirksamkeit von Rituximab zusätzlich zu drei Zyklen CHOP plus IF-Bestrahlung bei Patienten mit DLCBL im lokalisierten Stadium mit = 1 RF untersucht wurde, hat ähnliche Ergebnisse im progressfreien und Gesamtüberleben gezeigt wie MInT (11).

Literatur

  1. Friedberg, J.W.: Lancet Oncol. 2006, 7, 357 . Link zur Quelle
  2. Armitage, J.O.: N. Engl. J.Med. 2005, 352, 1250 . Link zur Quelle
  3. Shipp, M.A.: Blood 1994, 83, 1165 . Link zur Quelle
  4. Reyes, F., et al. (GELA = Groupe d’Etude des Lymphomes de l’Adulte): N. Engl. J. Med. 2005, 352, 1197. Link zur Quelle
  5. Pfreundschuh, M., et al.: Blood 2004, 104, 626. Link zur Quelle
  6. Pfreundschuh, M., et al. (MInT = MabThera INternational Trial): Lancet Oncol. 2006, 7, 379 . Link zur Quelle
  7. AMB 1993, 27, 12.
  8. AMB 1993, 27, 53.
  9. AMB 1998, 32, 76b. Link zur Quelle
  10. AMB 2002, 36, 33. Link zur Quelle
  11. Miller, T.P., et al.: Blood 2004, 104, Abstract 158.