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Häufigkeit und Behandlung der Gonorrhö bei Erwachsenen – ein unterschätztes Problem

Zusammenfassung: Sexuell übertragbare Erkrankungen nehmen in den Großstädten der Industrieländer weiter zu. Die Gonorrhö ist nach den Chlamydieninfektionen international die zweithäufigste sexuell übertragbare Erkrankung. Für Deutschland liegen keine aktuellen Zahlen vor, da nach dem neuen Infektionsschutzgesetz die Gonorrhö nicht mehr meldepflichtig ist. Sentinel-Untersuchungen deuten jedoch auf eine unterschätzte Bedeutung dieser Erkrankung in Deutschland hin. Zunehmende antibiotische Resistenz der Neisseria gonorrhoeae und symptomlose Infektionen, insbesondere bei homosexuellen Männern, erschweren das therapeutische Management. Zudem wurde vor kurzem die Produktion von Spectinomycin weltweit eingestellt, was zu einer zusätzlichen Verunsicherung beigetragen hat, da das Medikament viele Jahre lang zur Behandlung der Gonorrhö in Deutschland eingesetzt wurde. Die antibiotische Therapie richtet sich nach dem Manifestationsort der Infektion, der Wirksamkeit (Resistenzlage und Patientencharakteristika) und der Verträglichkeit des Antibiotikums.

Im vergangenen Jahr wurde über eine Zunahme sexuell übertragbarer Erkrankungen insbesondere bei homosexuellen Männern in den Industrieländern, also auch in Deutschland, berichtet (1). Die Gonorrhö ist nach den Chlamydieninfektionen die zweithäufigste sexuell übertragene Erkrankung. Bei homosexuellen Männern ist die Diagnose durch symptomarme oder asymptomatische Verläufe erschwert. Sie betreffen meist das Rektum und sind unbemerkt und häufig unbehandelt eine heimliche Quelle für neue Infektionen (1). Nach dem neuen Infektionsschutzgesetz ist die Gonorrhö in Deutschland nicht mehr meldepflichtig. Sentinel-Untersuchungen weisen jedoch auf eine unterschätzte Inzidenz dieser Erkrankung hin (2).

In den USA liegt die Inzidenz bei jungen Erwachsenen zwischen 18 und 26 Jahren insgesamt bei 0,43% (3), in manchen Gebieten bei jungen Männern, z.B. in Georgia, bei 5,6% (3). Die Kosten, die 1994 durch die Gonorrhö in den USA entstanden, wurden auf 790 Millionen $ geschätzt (4).

Dies unterstreicht die Bedeutung der Erkrankung und die Wichtigkeit einer adäquaten Behandlung. Die Therapie der Gonorrhö ist in den letzten Jahren schwieriger geworden, da die Neisserien in einigen geographischen Regionen und bei bestimmten Risikogruppen zunehmend antibiotikaresistent geworden sind (5). Insgesamt geht man anhand von Modellberechnungen davon aus, dass ein Antibiotikum, gegen das > 5% der Isolate in einer bestimmten Gruppe oder Region resistent sind, nicht mehr verwendet werden sollte (4).

Chinolone: Fluorochinolon-resistente Stämme von N. gonorrhoeae sind bei homosexuellen gegenüber heterosexuellen Männern in den USA deutlich häufiger (23,8% vs. 2,95%). Diese Resistenzentwicklung hat sich bis 2006 weiter fortgesetzt (38,3% vs. 3,8%), so dass eine Fluorochinolon-Behandlung bei homosexuellen Männern in den USA schon seit 2004 nicht mehr empfohlen wird. Mit einer ähnlichen Situation ist auch in Deutschland zu rechnen. Nach den jüngsten Entwicklungen haben die Centers for Disease Control (CDC) die Fluorochinolon-Behandlung bei allen Gruppen als bedenklich eingestuft (6). Ganz neue Daten (33) zeigen, dass auch bei heterosexuellen Männern in den USA die Fluorochinolon-Resistenz über die 5%-Grenze auf aktuell 6,7% angestiegen ist. Dies bedeutet, dass auch für diese Gruppe Fluorochinolone in den USA nicht mehr empfohlen werden (s. Tab. 1).

Cephalosporine: Cephalosporine sind hochwirksam, nebenwirkungsarm und werden daher als Therapie der ersten Wahl empfohlen (s. Tab. 1). Bei unkomplizierten urogenitalen und analen Infektionen kann durch eine Einmalgabe bei 98,8% der Patienten eine klinische Heilung erreicht werden (7). Bei schwangeren Frauen war die Einmalgabe von Cefixim oral der intramuskulären Gabe von Ceftriaxon gleichwertig (8).

Cefpodoxim ist etwas weniger wirksam gegen N. gonorrhoeae als Cefixim mit Heilungsraten von 96,5% bei urogenitalem bzw. analem Befall und bei pharyngealer Manifestation mit ca. 79% deutlich geringer (9). Die Wirksamkeit anderer oraler Cephalosporine muss erst noch in Studien geprüft werden. Mittlerweile wurden > 6000 Isolate von N. gonorrhoeae auf die mögliche Resistenz gegen Ceftriaxon und Cefixim getestet, aber nur wenige Isolate mit reduzierter Empfindlichkeit gefunden (10). Neuere Arbeiten deuten auf eine zunehmende Resistenz von Isolaten in Asien, besonders in Japan, hin (11, 12). Diese Beobachtungen unterstreichen die Notwendigkeit, zusätzliche Optionen bei der Therapie der Gonorrhö zu haben.

Spectinomycin: Spectinomycin war lange Zeit das Mittel der Wahl zur Behandlung der Gonorrhö. Es hat wenig UAW und eine klinische Erfolgsrate von 98% bei unkomplizierter urogenitaler bzw. analer Manifestation. Nachteile sind aber die Notwendigkeit der intramuskulären Applikation und die schlechte Wirksamkeit (Heilungsrate nur 5%) bei pharyngealer Manifestation der Gonorrhö (7). Ein weiteres Problem mit Spectinomycin ist die relativ schnelle Entwicklung einer hochgradigen Resistenz gegenüber diesem Antibiotikum durch eine Einschrittmutation (13). Bei breitem Einsatz wurden solche Resistenzen in der Praxis auch häufig gefunden (14). Aus diesen Gründen wird Spectinomycin nicht mehr als Mittel erster Wahl, sondern als alternative Therapie empfohlen. Spectinomycin wird zurzeit nicht mehr hergestellt (15). Die CDC bemühen sich aber darum, dieses Medikament wieder verfügbar zu machen.

Azithromycin: Eine orale Einzeldosis von 2 g Azithromycin hat eine sehr gute Wirksamkeit bei unkomplizierter urogenitaler Gonorrhö. Da diese Behandlung aber bei ca. 35% der Patienten zu gastrointestinalen UAW führt, wird sie nicht empfohlen. Darüber hinaus werden mit diesem Antibiotikum sehr niedrige Wirkspiegel erzielt, was die Resistenzbildung fördern könnte (16, 17, 18). Die Resistenzentwicklung von N. gonorrhoeae gegen Makrolide (Erythromycin, Azithromycin) wird auf eine Einbasenpaardeletion in einer Promotor-Region (mtrR) zurückgeführt (19, 20, 21). In den USA wurde 2004 eine reduzierte Empfindlichkeit von N. gonorrhoeae bei 6,7% (426 von 6322) der Isolate gefunden (10).

Penicillin/Tetracyclin: Penicillin war früher lange Zeit die Therapie der Wahl bei Gonorrhö. Die zunehmende Resistenz seit den 70er Jahren hat das Medikament schließlich für diese Indikation unbrauchbar gemacht. Die Tetracyclin-Resistenz setzte ca. 10 Jahre später ein. In den USA wurde 2004 eine Häufigkeit der Resistenz gegen diese beiden Antibiotika von ca. 16% gefunden (10).

Studienlage bei neuen Entwicklungen: Trotz dieser beunruhigenden Resistenzentwicklung hat es seit 2000 nur wenige prospektive klinische Studien gegeben, die sich mit der Behandlung der Gonorrhö beschäftigt haben. Eine japanische Studie untersuchte den Erfolg einer Einzeldosis von 1 g Cefodizim i.v. bei 72 Patienten mit gonorrhoischer Urethritis oder Zervizitis (22). Es wurde eine Eradikation des Erregers in allen Fällen erreicht. Sehr gute Ergebnisse wurden mit Cefixim oral bzw. Ceftriaxon intramuskulär bei Schwangeren erreicht, wie schon oben erwähnt (8). Zu einer Zeit, als Fluorochinolon-resistente Stämme von N. gonorrhoeae in den USA noch nicht so weit verbreitet waren, konnte mit einer Einmalgabe von 400 mg oder 600 mg Gatifloxacin (wegen UAW seit 2006 vom Markt) bzw. mit einer Einmalgabe von 400 mg Ofloxacin eine Eradikation von 99-100% erreicht werden (23). Würde diese Studie in den USA heute wiederholt, wären Ergebnisse wie auf den Philippinen zu erwarten. In einer Studie aus dieser Region (24) wurden Prostituierte randomisiert entweder mit Ciprofloxacin (500 mg) oder Cefixim (400 mg) behandelt. 28 Tage nach der Behandlung konnte bei 24 (32,3%) der Patientinnen, die mit Ciprofloxacin behandelt wurden, und bei einer von 26 Patientinnen (3,8%), die mit Cefixim behandelt wurden, der Erreger erneut isoliert werden. In einer größeren Studie wurde Nonoxinol-9 (Patentex®), eine spermizide und gering mikrobizide Substanz als Gel auf seine Wirksamkeit zur Verhinderung sexuell übertragbarer Erkrankungen einschließlich Gonorrhö getestet (25). Es wurde kein Vorteil bei Verwendung von Kondomen plus Nonoxinol-9-Gel gegenüber Kondomen allein gefunden.

Neuere Substanzen, wie z.B. weiterentwickelte Chinolone, Carpeneme (Ertapenem i.m., Faropenem oral), Peptid-Deformylase-Inhibitoren (LBM415), Porphyrine, verschiedene Pflanzenextrakte und Tigecyclin (Tygacil®) zeigen gute Aktivität gegen verschiedene Isolate von N. gonorrhoeae in vitro (5). Es fehlen aber klinische Studien.

Spezielle Situationen: Schwangerschaft: Schwangere Frauen sollten nicht mit Chinolonen oder Tetracyclinen behandelt werden. Neuere Studien zeigen bei Schwangeren sehr gute Ergebnisse mit Cefixim oral bzw. Ceftriaxon intramusklär (8). Eine weitere Studie (26) an 252 schwangeren Frauen zeigte eine Heilungsrate von 95% mit Ceftriaxon bzw. Spectinomycin (2 g i.m.) sowie eine Heilungsrate von 89% mit Amoxicillin (3 g per os) plus Probenecid (250 mg i.m.).

Allergie oder andere Unverträglichkeiten: Patienten, die keine Cephalosporine oder Chinolone tolerieren, sollten, wenn wieder verfügbar, mit Spectinomycin behandelt werden. Allerdings muss der Behandlungserfolg bei Patienten mit pharyngealer Manifestation durch eine bakterielle Kultur 3-5 Tage nach Abschluss der Therapie überprüft werden, da bei dieser Manifestation die Therapie mit Spectinomycin häufiger versagt. Eine weitere Option ist in solcher Situation die einmalige Gabe von 2 g Azithromycin, das wie Spectinomycin auch bei Schwangeren eingesetzt werden kann.

Gonokokkeninfektion des Pharynx: Ähnlich wie die anale ist die pharyngeale Gonokokkeninfektion häufig asymptomatisch. Insbesondere bei homosexuellen Männern muss mit erhöhter Prävalenz gerechnet werden (27). Dies bedeutet, dass Patienten mit ungeschütztem oralem oder analem Sexualverkehr auf Gonokokken getestet werden sollten, da diese Regionen ein Reservoir des Erregers sein können. Wie schon erwähnt, ist die Eradikation der Gonokokken aus diesem Bereich schwieriger als aus dem urogenitalen Bereich. Diese Patienten sollten mit Ceftriaxon (125 mg i.m.) behandelt werden, da diese Gruppe ein deutlich höheres Risiko für eine Fluorochinolon-Resistenz hat und Spectinomycin zu schwach wirkt. Die Datenlage für Azithromycin ist nicht gut, aber möglicherweise sind 2 g oral effektiv (28).

Behandlung der Sexualpartner: Ohne Einbeziehen der Sexualpartner sind sexuell übertragbare Krankheiten meist nicht erfolgreich zu behandeln. Dies bedeutet, dass die Sexualpartner der letzten 60 Tage auf Symptome und Erreger (Gonokokken, Chlamydien und bei bestimmtem Risikoprofil auch auf HIV, Hepatitis B und Lues) untersucht werden sollten. Dies gilt natürlich auch für den Patienten bzw. die Patientin selbst, da beim Sexualverkehr eine gleichzeitige Übertragung verschiedener Krankheiten möglich ist. Die Empfehlungen gehen sogar so weit, dass jeder Patient bzw. Patientin mit nachgewiesener Gonokokkeninfektion ohne weitere Testung auch gegen Chlamydia trachomatis behandelt werden sollte (s. Tab. 1).

Disseminierte Gonokokkeninfektionen (Arthritis, Endokarditis, Meningitis, Sepsis): Neben den hier besprochenen lokalen (urogenitalen, analen, pharyngealen) Manifestationen kann N. gonorrhoeae auch zu systemischen Infektionen führen, die sich dann an anderen Organen manifestieren können. Diese Erkrankungen bedürfen einer anderen und längerfristigen antibiotischen Behandlung.

Von diesen Manifestationen ist die gonorrhoische Gonarthritis die häufigste. Sie war noch bis in die 80er-Jahre die häufigste infektiöse Arthritis in den USA (29-32). Bei dieser Manifestation sollte Ceftriaxon einmal 1-2 g/d i.v. mindestens bis zwei Tage nach Abklingen der Symptome gegeben werden (31). Danach kann man, je nach Resistenzlage, auf eine orale Therapie übergehen, z.B. auf Cefixim (zweimal 400 mg/d) oder, wenn wirksam, auch auf Levofloxacin (500 mg/d) für eine weitere Woche (31). Bei purulenten Gelenkergüssen sollte parallel zur antibiotischen Therapie das betroffene Gelenk gespült werden.

Die Gonokokkenendokarditis ist heute eine seltene, aber immer noch lebensbedrohliche Erkrankung. Die Letalität wird auch im Zeitalter der Antibiotika noch auf 19% geschätzt, und ca. die Hälfte der Patienten braucht einen Herzklappenersatz (32). Eine neuere Studie zur Behandlung dieser Patienten gibt es nicht. Aber nach den oben aufgeführten Argumenten empfehlen wir eine Therapie mit Ceftriaxon zweimal 1-2 g/d i.v. für vier Wochen.

Die Gonokokkenmeningitis sollte mit Ceftriaxon (zweimal 1-2 g/d i.v. für 10-14 Tage) behandelt werden. Auch andere systemische Manifestationen mit oder ohne Sepsis durch Gonokokken sollten so therapiert werden.

Literatur

  1. Epidemiologisches Bulletin, RKI, 3. März 2006, Nr. 9.
  2. Bremer, V., et al.: Deutsches Ärzteblatt 2005, 102, Ausgabe 36 vom 09.09.2005, A-2400 / B-2020 / C-1913.
  3. Miller, W.C., et al.: JAMA 2004, 291, 2229. Link zur Quelle
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