Über die beste Behandlung der systemischen AL-Amyloidose besteht kein Konsens. Neben einer Hochdosistherapie mit Melphalan und autologer Stammzell-Transplantation werden verschiedene konventionelle Alkylanzien, Glukokortikosteroide und neuerdings auch Thalidomid eingesetzt (1). Wir haben bereits mehrfach darüber berichtet (2-4). Drei im Januar 2007 in Blood publizierte unkontrollierte klinische Studien befassen sich mit neuen Therapiestrategien (5-7).
A.D. Wechalekar et al. (5) vom Nationalen Amyloidosezentrum (NAC) in London publizierten Daten einer retrospektiven Studie zur Wirksamkeit und Sicherheit einer risikoadaptierten oralen Therapie mit Cyclophosphamid plus Thalidomid plus Dexamethason (CDT). Von insgesamt 1.577 Patienten mit AL-Amyloidose, die vom NAC im Zeitraum zwischen Januar 2000 und August 2005 erfasst wurden, erhielten 75 Patienten mit fortgeschrittener AL-Amyloidose (davon 44 vorbehandelte Patienten mit refraktärer oder rezidivierter Erkrankung, 10 davon mit autologer Stammzell-Transplantation) im Drei-Wochen-Rhythmus 500 mg Cyclophosphamid einmal pro Woche, Thalidomid 200 mg/d (Start mit 100 mg/d, Steigerung nach vier Wochen) und Dexamethason 40 mg/d an den Tagen 1-4 und 9-12. Patienten mit autonomer oder peripherer Neuropathie wurden wegen der Neurotoxizität von Thalidomid ausgeschlossen. Bei Patienten mit besonderen Risikofaktoren (Alter > 70 Jahre, Herzinsuffizienz > NYHA II oder erhebliche Flüssigkeitseinlagerung) wurde die Dosis von Dexamethason reduziert und die Therapieintervalle auf vier Wochen verlängert. Die Behandlung wurde bis zum stabilen Ansprechen fortgesetzt bzw. bei fehlendem Ansprechen beendet. Responder erhielten anschließend eine Erhaltungstherapie mit Thalidomid. Das Ansprechen wurde anhand der Bestimmung der freien Leichtketten, der Response-Kriterien nach Bladé (6) und der Besserung von Organfunktionsparametern gemessen. Primäre Studienziele waren das hämatologische Ansprechen und die Toxizität, sekundäre Zielkriterien unter anderem das Gesamtüberleben und das ereignisfreie Überleben.
Ergebnisse: 51 Patienten erhielten das voll dosierte CDT-Protokoll; bei 24 Patienten wurde die Dosis reduziert. Die mediane Dosis von Thalidomid war 100 mg, von Dexamethason 20 mg und von Cyclophosphamid 500 mg. Es wurden im Median vier Zyklen CDT verabreicht; eine Thalidomid-Erhaltungstherapie erhielten 19 Patienten mit Ansprechen auf CDT. Die mediane Beobachtungsdauer nach Beginn der Behandlung mit CDT lag bei 18 Monaten. Bei 65 Patienten konnte das Ansprechen beurteilt werden. Davon erreichten 21% eine komplette und 53% eine partielle Remission, entsprechend einer Erfolgsrate von 74%. Das Ansprechen war bei vorbehandelten und nicht vorbehandelten Patienten gleich. Von den 48 Patienten mit hämatologischem Ansprechen gingen bei 15 (31%) auch die Organmanifestationen zurück. Das geschätzte mediane Gesamtüberleben seit Beginn der Therapie mit CTD betrug 41 Monate. Die geschätzten Drei-Jahres-Überlebensraten betrugen bei Patienten mit kompletter Remission 100%, mit partieller Remission 82% und bei fehlendem Ansprechen 0% (p < 0,001). Unabhängige Einflussfaktoren für das Gesamtüberleben waren der Allgemeinzustand entsprechend dem ECOG-Status und das hämatologische Ansprechen. Das geschätzte mediane ereignisfreie Überleben nach Abschluss der Therapie lag bei 21 Monaten. Eine Thalidomid-Erhaltungstherapie verlängerte das ereignisfreie Überleben signifikant, nicht aber das Gesamtüberleben. Die Toxizität war moderat. Grad-3- oder Grad-4-Nebenwirkungen traten (gemäß den Toxizitätskriterien des National Cancer Institute) bei 32% der Patienten auf und waren Anlass zur Dosisreduktion. Bei sechs Patienten wurde die Therapie in den ersten acht Wochen abgebrochen. Drei Patienten starben unter der Therapie, davon einer an infektionsbedingtem Multiorganversagen und zwei an massiven gastrointestinalen Blutungen.
A. Dispenzieri et al. (Mayo Clinic Rochester) und V. Sanchorawala et al. (Boston) veröffentlichten ihre Ergebnisse von Phase-2-Studien zu Lenalidomid (7, 8). In diese, unter anderem von der Firma Celgene unterstützten Studien wurden 23 (7) bzw. 34 (8) zumeist vorbehandelte Patienten mit AL-Amyloidose eingeschlossen. Lenalidomid, ein Analogon von Thalidomid (9), wurde zunächst in einer Dosis von 25 mg/d 21 Tage lang mit anschließender einwöchiger Pause verabreicht. Bei fehlendem Ansprechen wurde die Behandlung um Dexamethason (40 mg/d oder 10-20 mg/d über vier Tage in jeweils etwas unterschiedlichen Intervallen) erweitert. Eine komplette oder partielle Remission wurde bei 45% (10 von 22) bzw. 67% (16 von 24) der auswertbaren Patienten beobachtet, wobei das Ansprechen in der Regel erst nach Zugabe von Dexamethason eintrat. Die Toxizität war schwerwiegend (Fatigue, Myelosuppression, Thrombosen) und führte bei 10/23 bzw. 10/34 Patienten zum Studienabbruch bzw. zur Reduktion der Lenalidomid-Dosis auf 15 mg/d.
Fazit: Unbehandelte oder vorbehandelte Patienten mit systemischer AL-Amyloidose zeigten in einer retrospektiven britischen Studie mit z.T. noch kurzer Beobachtungsdauer sehr gute hämatologische Ansprechraten auf eine orale Therapie mit Cyclophosphamid plus Thalidomid plus Dexamethason. Eine risikoadaptierte Reduktion der Dosis von Dexamethason und Verlängerung des Therapieintervalls erlaubt diese Therapie auch bei fortgeschrittener Erkrankung und im höheren Lebensalter. Mittlere Dosierungen von Thalidomid (100 mg) waren in dieser Kombinationsbehandlung relativ gut verträglich. Wenn diese Ergebnisse in prospektiven, randomisierten, kontrollierten Studien bestätigt werden können, würde sich diese Kombinationsbehandlung auch als neue Option für die primäre Therapie der AL-Amyloidose anbieten. Demgegenüber scheint Lenalidomid nach Ergebnissen von zwei Phase-2-Studien als Monotherapie keine Vorteile bei der Primärbehandlung der AL-Amyloidose zu haben und ist mit schwerwiegenden unerwünschten Wirkungen und zahlreichen Therapieabbrüchen assoziiert. Sein klinischer Stellenwert in Kombination mit Dexamethason sollte im Rahmen kontrollierter Studien geprüft werden.
Literatur
- Guidelines Working Group of UK Myeloma Forum; British Committee for Standards in Haematology, British Society for Haematology: Br. J. Haematol. 2004, 125, 681. Link zur Quelle
- AMB 1997, 31, 46. Link zur Quelle
- AMB 1999, 33, 38b. Link zur Quelle
- AMB 2005, 39, 20. Link zur Quelle
- Wechalekar, A.D., et al.: Blood 2007, 109, 457. Link zur Quelle
- Bladé, J., et al.: Br. J. Haematol. 1998, 102, 1115. Link zur Quelle
- Dispenzieri, A., et al.: Blood 2007, 109, 465. Link zur Quelle
- Sanchorawala, V., et al.: Blood 2007, 109, 492. Link zur Quelle
- AMB 2004, 38, 32. Link zur Quelle