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Co-trimoxazol erhöht das Blutungsrisiko unter oraler Antikoagulation

Potenziell können viele Arzneimittel über eine Induktion bzw. Inhibition CYP450-abhängiger Enzyme die Wirkung einer oralen Antikoagulation (OAK) mit Vitamin-K-Antagonisten beeinflussen. Informationen über klinisch relevante Interaktionen sind aber meist Einzelfall-Berichte von unterschiedlicher Qualität. Systematische Untersuchungen gibt es nur sehr wenige. Eine aktuell in den Arch. Intern. Med. publizierte Untersuchung liefert nun erstmals Hinweise auf eine klinisch relevante Interaktion zwischen OAK und dem häufig bei älteren Patienten zur Therapie von Harnwegsinfektionen eingesetzten Antibiotikum Co-trimoxazol (1).

Die bevölkerungsbasierte, genestete Fall-Kontroll-Studie wertete Datenbanken der Gesundheitsbehörden von Ontario, Kanada, aus. Es wurden 134637 Patienten über 65 Jahre (mittleres Alter 80 Jahre) gefunden, welche im 10jährigen Untersuchungszeitraum (1997-2007) eine orale Antikoagulation (OAK) mit Warfarin erhalten hatten. Unter diesen wurden 2151 „Fälle” identifiziert, welche mit einer oberen gastrointestinalen (OGI) Blutung stationär aufgenommen worden waren. Diese Fälle wurden in einer multivariaten Analyse mit in Alter und Geschlecht übereinstimmenden, nicht-blutenden, antikoagulierten Patienten (Kontrollen) hinsichtlich einer Antibiotika-Einnahme (Co-trimoxazol, Ciprofloxacin, Amoxicillin, Ampicillin, Nitrofurantoin, Norfloxacin) innerhalb von 14 Tagen vor der OGI-Blutung verglichen. Die Analyse war für verschiedene Begleitfaktoren adjustiert, u.a. Leberzirrhose, Alkoholmissbrauch, frühere OGI-Blutungen, Nicht-OGI-Blutungen, verschreibungspflichtige Begleitmedikation. Es ergab sich für Patienten mit OGI-Blutung unter OAK eine nahezu vierfach erhöhte Wahrscheinlichkeit einer Einnahme von Co-trimoxazol (OR: 3,84; CI: 2,33-6,33) im Vergleich zu den Kontroll-Patienten. Ein leicht erhöhtes Risiko fand sich auch für Ciprofloxacin (OR: 1,94; CI: 1,28-2,95), nicht aber für die übrigen untersuchten Antibiotika. Die Autoren empfehlen, Patienten unter OAK nach Möglichkeit nicht mit Co-trimoxazol zu behandeln, sondern auf andere Antibiotika auszuweichen.

Limitationen der Studie sind u.a. fehlende Informationen zu den INR-Werten sowie zur Einnahme nicht-verschreibungspflichtiger Medikamente. Die Studie zeigt aufgrund ihres Designs lediglich eine epidemiologische Assoziation und belegt keine kausale Beziehung. Diese besteht wohl zum überwiegenden Teil in der inhibitorischen Wirkung von Trimethoprim auf das Zytochrom-P450-Isoenzym 2C9, zum anderen aber möglicherweise (wie bei anderen Antibiotika auch) in einer Beeinflussung der Darmflora, die zu einer reduzierten Vitamin-K-Synthese führen kann. Die Studie liefert aber systematische Hinweise auf eine klinische Relevanz der bekannten Interaktion von Co-trimoxazol mit Vitamin-K-Antagonisten, die zu einer Erhöhung des INR-Werts führen kann.

Nicht alle der zahlreichen potenziellen Arzneimittelinteraktionen mit OAK sind gleichermaßen klinisch relevant. In einer Review-Arbeit (2) wurde die Relevanz in vier Wahrscheinlichkeitsgrade eingeteilt (hochwahrscheinlich – wahrscheinlich – möglich – unwahrscheinlich). Tab. 1 listet Arzneimittel auf, die demnach „mit hoher Wahrscheinlichkeit” klinisch relevante Interaktionen mit OAK hervorrufen.

Fazit: Eine aktuelle Studie liefert Indizien für eine klinische Relevanz der Interaktion von Co-trimoxazol mit oralen Antikoagulanzien (Vitamin-K-Antagonisten) durch den epidemiologischen Nachweis häufigerer gastrointestinaler Blutungen. Außerdem ist diese Interaktion von Bedeutung, weil Co-trimoxazol häufig bei Harnwegsinfektionen älterer Patienten verschrieben wird. Im Zweifel sollten immer dann, wenn unter einer bestehenden oralen Antikoagulation neue Arzneimittel eingenommen werden, die INR-Kontrollen enger erfolgen.

Literatur

  1. Fischer, H.D., et al.: Arch. Intern. Med. 2010, 170, 617. Link zur Quelle
  2. Holbrook, A.M., et al.: Arch. Intern. Med. 2005, 165, 1095. Link zur Quelle

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