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Chronisch obstruktive Lungenerkrankung: Azithromycin zur Prävention von Exazerbationen?

Akute, mit bakteriellen Infektionen assoziierte Exazerbationen bei chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) sind ein häufiges klinisches Problem. Mehrere Studien, die den Effekt von Makroliden auf solche Exazerbationen untersucht haben, kamen zu unterschiedlichen Ergebnissen (1-5). Nun wurde eine große randomisierte Studie zu dieser Frage vorgelegt (6). Die Auflistung der Interessenkonflikte der Autoren beansprucht fast eine ganze, eng und klein bedruckte Seite im N. Engl. J. Med.

In diese multizentrische, prospektive, plazebokontrollierte Studie wurden Patienten (Alter ≥ 40 Jahre) mit gesicherter COPD eingeschlossen, die entweder dauerhaft Sauerstoff brauchten oder Kortikosteroide systemisch innerhalb des letzten Jahres eingenommen hatten. In diesem Zeitraum mussten sie außerdem mindestens eine Exazerbation erlitten haben. Patienten mit folgenden Befunden wurden ausgeschlossen: COPD-Exazerbationen innerhalb der letzten vier Wochen, Asthma, Ruheherzfrequenz von ≥ 100 pro Minute, QT-Zeit-Verlängerung (QTc > 450 msec), Hörstörungen.

Nach Randomisierung von 570 Patienten in die Azithromycin-Gruppe und 572 in die Plazebo-Gruppe konnten schließlich 495 resp. 502 Patienten ausgewertet werden. Diese Patienten hatten die komplette Studie von 12 Monaten absolviert. In den Basischarakteristika waren die beiden Gruppen etwa gleich. Die Patienten der Verum-Gruppe erhielten ein Jahr lang 250 mg/d Azithromycin, die der Kontroll-Gruppe ein Plazebo.

Die mediane Zeitspanne bis zur ersten Exazerbation (primärer Zielparameter) betrug in der Azithromycin-Gruppe 266 Tage (95%-Konfidentintervall = CI: 227-313) und unter Plazebo 174 Tage (CI: 143-215; p < 0,001; Hazard ratio/Patientenjahr: 0,73). Insgesamt kam es zu 741 Exazerbationen in der Azithromycin-Gruppe und zu 900 in der Plazebo-Gruppe. Statistisch wurde dagegen kein Unterschied in der Zahl der Krankenhausaufnahmen gefunden, weder wegen der COPD noch auf Grund anderer Erkrankungen. Die Zahl der Todesfälle (insgesamt oder respiratorisch bedingt) und die der notwendig gewordenen Intubationen waren ebenfalls nicht unterschiedlich. Subgruppenanalysen zeigten, dass der Effekt von Azithromycin vom Alter, Raucherstatus und Schweregrad der Erkrankung beeinflusst wurde.

Bei Patienten, die zu Beginn der Studie nasopharyngeal nicht mit Makrolid-resistenten Keimen besiedelt waren, fanden sich im Studienzeitraum solche Keime bei 81% in der Azithromycin-Gruppe und bei 41% in der Kontroll-Gruppe (p < 0,001). Bei 142 Patienten (25%) in der Azithromycin-Gruppe wurde eine Verschlechterung des Hörvermögens (Audiogramm) festgestellt. In der Kontroll-Gruppe waren es 110 (20%; p = 0,04). Insgesamt waren die Hörschäden in der Azithromycin-Gruppe stärker.

Fazit: Aus diesen Studienbefunden sollte nicht der Schluss gezogen werden, bei Patienten mit COPD und Infekt-Exazerbationen sei generell eine Prophylaxe mit Azithromycin durchzuführen. Die Zahl der Krankenhausaufenthalte wird nicht reduziert und das Überleben nicht verlängert. Der längere Zeitraum bis zur nächsten Exazerbation wird mit erheblichen UAW erkauft. Bleibende Hörschäden und die unabsehbaren Folgen einer häufigeren nasopharyngealen Besiedlung mit Makrolid-resistenten Bakterien macht eine solche Prophylaxe für den routinemäßigen Einsatz obsolet. Wir schließen uns dem Kommentar zu dieser Studie an, der mit einer – allerdings oft schwer zu erreichenden – Aufforderung von Hippokrates endet: „Hilf, ohne zu schaden!” (7).

Literatur

  1. Martinez, F.J., et. al.: Int. J. Chron.Obstruct. Pulmon. Dis. 2008, 3, 331. Link zur Quelle
  2. Suzuki, T., et al.: Chest 2001, 120, 730. Link zur Quelle
  3. Seemungal, T.A., et al.: Am. J. Respir.Crit. Med. 2008, 178, 1139. Link zur Quelle
  4. Yamaya, M., et al.: J.Am. Geriatr. Soc. 2008, 56,1358. Link zur Quelle
  5. Blasi, F., et al.: Pulm. Pharmacol. Ther. 2010, 23, 200. Link zur Quelle
  6. Albert, R.K., et al.: N. Engl. J. Med. 2011, 365,689. Link zur Quelle
  7. Siafakas, N.M.: N. Engl. J. Med. 2011, 365,753. Link zur Quelle