Chronisch obstruktive Lungenerkrankungen (COPD) sind eine häufige Ursache für Arztbesuche, Krankenhauseinweisungen und Tod. Die genaue Zahl der Erkrankten in Deutschland ist nicht bekannt, aber laut WHO ist die COPD weltweit an 4. Stelle der Erkrankungen, die die meisten Todesfälle nach sich ziehen, und an 6. Stelle in Deutschland [1]. Für eine akute Verschlechterung (Exazerbation) der COPD können bakterielle Infektionen verantwortlich sein, aber auch andere Ursachen wie Umweltfaktoren oder virale Infektionen. Letztere können bis zu 46% der Exazerbationen verursachen [2]. Trotzdem werden vielen Patienten mit Exazerbation Antibiotika verschrieben. Dies geht auf eine > 30 Jahre alte Studie zurück [3]. Darauf basieren auch die meisten Leitlinien, die folgende drei Kardinalsymptome für eine antibiotische Therapie bei der exazerbierten COPD vorschlagen: 1. zunehmende Dyspnoe, 2. Zunahme der Sputummenge und 3. Purulenz des Sputums, d.h. gelbes oder grünliches Sputum [4]. Zwei dieser Kriterien reichen aus, wenn das Sputum purulent ist [4]. Muss ein Patient wegen einer Exazerbation mechanisch beatmet werden, dann ist eine antibiotische Therapie indiziert. Bei milderen Exazerbationen, vor allem bei ambulanter Versorgung, führt das jedoch zu einem zu häufigen Einsatz von Antibiotika, zumal die Verfärbung des Sputums nicht immer ein Indiz für eine bakterielle Infektion ist [5], [6]. Nach gängiger Praxis erhalten 80% aller Patienten mit COPD einmal im Jahr Antibiotika [7].
Trotz dieser Erkenntnisse und verbesserter diagnostischer Möglichkeiten in den letzten Jahren, fehlt es unverständlicherweise an großen prospektiven Studien zu der Frage, welche Patienten mit exazerbierter COPD tatsächlich von einer antibiotischen Therapie profitieren. Weitere und neue diagnostische Marker könnten bei der Entscheidung helfen. Zu diesen gehören das CRP und das Procalcitonin (PCT), die zusätzlich Hinweise zur Differenzierung zwischen bakterieller Infektion und anderen Ursachen der Exazerbation geben können [8], [9], [10]. Eine Metaanalyse, die alle Studien bis 2017 zum Thema Antibiotika bei exazerbierter COPD einschloss, kam zu dem Schluss, dass PCT-Werte helfen können, Antibiotika einzusparen, ohne dass dadurch der klinische Verlauf insgesamt schlechter ist. Allerdings waren die Studien zu klein und mit unterschiedlicher Methodik durchgeführt, sodass die Aussagen nicht verlässlich sind [11]. Dies wird auch in einem Kommentar im N. Engl. J. Med. betont [10]. Zwei neuere Studien befassen sich mit diesem Thema [12], [13].
Studie 1 [12]: In dieser Studie wurde untersucht, ob Patienten mit exazerbierter COPD (ECOPD) und niedrigem PCT, die Antibiotika länger als 24 h erhalten, klinisch Vorteile gegenüber solchen haben, die keine Antibiotika oder nur eine kürzere als 24-stündige Therapie mit einem Antibiotikum erhalten.
Methodik: Retrospektiv wurden Patienten ausgewertet mit einer PCT-Konzentration von < 0,25 μg/ml. Es wurden zwei Gruppen gebildet: Gruppe 1 (n = 196): Antibiotikum-Gabe < 24 h oder kein Antibiotikum und Gruppe 2 (n = 195): > 24 h Antibiotikatherapie. Azithromycin wurde separat ausgewertet, weil diskutiert wird, dass Makrolide neben der antibiotischen auch anti-entzündliche Wirkungen haben. Der primäre Studienendpunkt war die Wiedervorstellung aus welchem Grund auch immer in den ersten 30 Tagen nach Einschluss. Sekundäre Endpunkte waren Länge des Krankenhausaufenthalts und die Wiedervorstellung wegen COPD-assoziierter Symptome innerhalb von 30 Tagen.
Ergebnisse: Es fand sich kein Unterschied hinsichtlich der Wiedervorstellung innerhalb von 30 Tagen zwischen beiden Gruppen (15,5% vs. 17,4%; p = 0,63). Auch beim sekundären Endpunkt „Wiedervorstellung innerhalb von 30 Tagen wegen COPD bedingter Symptome“ gab es keinen Unterschied (11,2% vs. 12,3%; p = 0,74). Die Patienten der Gruppe 1 waren kürzer im Krankenhaus als die Patienten der Gruppe 2: 2,8 Tage vs. 3,7 Tage; p = 0,01. Die Subanalyse von Azithromycin ergab ähnliche Ergebnisse.
Studie 2 [13]: Diese Studie, die an 86 medizinischen Erstversorgungsstellen in England und Wales durchgeführt wurde, haben wir bereits ausführlich besprochen [13]. Daher werden hier nur die wichtigen Aspekte wiederholt oder andere vertieft.
Methodik: Die Studie war prospektiv, 1:1-randomisiert und offen. Patienten mit einem CRP-Wert < 20 mg/l sollten kein Antibiotikum erhalten, bei einem CRP zwischen 20 und 40 mg/l könnte ein Antibiotikum sinnvoll sein, vor allem bei purulentem Auswurf, und bei Patienten mit einem CRP-Wert > 40 mg/l wurde eine antibiotische Therapie als sinnvoll erachtet [14]. Es wurden die Kriterien nach Anthonisen ([1] bis [3]) herangezogen [3], um eine ausgeglichene Verteilung zu erreichen; der Unterschied zwischen den Gruppen musste < 80% bleiben. Die Auswertung des ersten der beiden primären Endpunkte „Nicht-Überlegenheit der Antibiotika-Behandlung“ erfolgte nach 4 Wochen. Der zweite primäre Endpunkt bestand in einem Fragebogen mit dem der Schweregrad der COPD erfasst werden sollte und mit dem die „Nicht-Unterlegenheit geprüft wurde. Er wurde nach 2 Wochen durch die Patienten ausgefüllt und beinhaltete einen 10-Punkte-Score, wobei 0 keine COPD-bedingten Beschwerden bedeutete und ab 6 eine schlecht eingestellte COPD widerspiegelte.
Ergebnisse: Insgesamt wurden 653 Patienten randomisiert. In den CRP-Gruppen wurden weniger Antibiotika eingesetzt: 57,0% vs. 77,4%; angepasste Odds Ratio: 0,31; 95%-Konfidenzintervall = CI: 0,20-0,47. Insgesamt wurde während der ersten 4 Wochen bei 185 von 313 Patienten (59,1%) in den CRP-Gruppen ein Antibiotikum verschrieben und bei 252 von 316 (79,7%) in der Standard-Gruppe (angepasste Odds Ratio: 0,30; CI: 0,20-0,46). Hinsichtlich anderer Parameter und dem Verbrauch von Glukokortikosteroiden fand sich kein Unterschied in den Gruppen. In einer weiteren Nachbeobachtung über 6 Monate ergab sich ebenfalls kein Unterschied zwischen den Gruppen hinsichtlich Verschlechterungen der COPD oder Auftreten von Pneumonien. Die angepasste mediane Differenz beim Fragebogen zur Erfassung klinischer COPD-Symptome nach 2 Wochen betrug -0,19 Punkte (zwei-seitiges 90%-CI: -0,33 bis -0,05) zu Gunsten der CRP-gesteuerten Gruppe. Zwei Patienten in der Standard-Gruppe starben während der ersten 4 Wochen nach Randomisierung. Die Todesursachen – einer starb an einer Pneumonie, einer an einem respiratorischen Versagen – waren nach Einschätzung der Studienleitung unabhängig von der Studienteilnahme.