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Vitamin-D-Dosen von = 800 IE/Tag reduzieren möglicherweise bei älteren Menschen nicht-vertebrale Frakturen

Erneut ist eine Metaanalyse zum Thema Einnahme von Vitamin D (VD) zur Prävention von Frakturen erschienen (1). Wir haben zuletzt im Jahr 2008 über dieses Thema einschließlich Subgruppenanalysen referiert (2). Frau Bischoff-Ferrari aus Zürich, zusammen mit 16 internationalen Ko-Autoren, re-evaluierte elf kontrollierte randomisierte Studien, in denen der Effekt unterschiedlicher Dosen VD mit oder ohne zusätzlicher Kalzium-Einnahme versus Plazebo oder versus Kalzium allein im Hinblick auf die Inzidenz nicht-vertebraler Frakturen geprüft worden war (1). Die insgesamt ca. 31.000 Teilnehmer(innen), 91% Frauen, waren ≥ 65 Jahre alt (mittleres Alter 76 Jahre). Die mittlere Dauer der Interventionen ist nicht klar. Neue vertebrale Frakturen wurden wegen unzureichender Dokumentation nicht erfasst. Alle gemeldeten nicht-vertebralen Frakturen wurden durch individuelle Prüfung der ärztlichen Unterlagen verifiziert.

Hauptanliegen der Studie war es, eine mögliche Dosis-Wirkungs-Beziehung zwischen der VD-Zufuhr/Tag und der Inzidenz von Frakturen zu erkennen. Hierfür wurde nicht nur die geplante VD-Interventionsdosis, sondern auch die in den meisten Studien eruierte, d.h. individuell erfragte Adhärenz auf der Dosis-Achse berücksichtigt. Zwei Studien war allerdings nur die mittlere Adhärenzrate zu entnehmen. Zusätzlich wurden auf der Dosis-Achse kleinere VD-Mengen berücksichtigt, die die Teilnehmer in einigen Studien durch Nahrungsergänzungsmittel zu sich nehmen durften. Die VD-Zufuhr konnte in den analysierten Studien täglich, wöchentlich oder alle vier Monate erfolgen. Leider wurde nur bei einer kleinen Minderheit der Teilnehmer die Serum-Konzentration von 25-OH-Vitamin D vor Beginn der Intervention gemessen, so dass nicht klar ist, ob die Studienteilnehmer bereits ausreichend mit VD versorgt waren oder bei Beginn einen VD-Mangel hatten.

Bezogen auf die VD-Dosis/Tag wurden die Effekte auf das Frakturrisko folgender Quartilen evaluiert: I: 0-360 IU (median: 340 IU); II: 361-637 IU (median: 547 IU); III: 638-791 IU (median: 693 IU); IV: 792-2000 IU (median: 800 IU).

Wichtigste Ergebnisse:

  • Im Studienzeitraum ereigneten sich insgesamt 3770 nicht-vertebrale Frakturen, davon 1111 Hüftfrakturen.
  • Nur in Quartile IV war die VD-Einnahme mit einer signifikanten Abnahme von Hüftfrakturen (Relatives Risko: 0,70; 95%-Konfidenzintervall = CI: 0,58-0,86) und nicht-vertrebralen Frakturen (RR: 0,86; CI: 0,76-0,96) assoziiert. In Quartile III war der Effekt auf die nicht-vertrebralen Frakturen nahezu signifikant.
  • In Quartile IV war die Reduktion des Risikos für Frakturen deutlicher bei Bewohnern von Heimen als bei noch selbständig lebenden älteren Menschen.
  • Bei Personen mit niedriger 25-OH-VD-Konzentration im Serum (< 30 nmol/l) war der Effekt in Quartile IV größer als bei höheren Konzentrationen. Der Unterschied war wegen zu kleiner Zahlen (geringe „statistische Power”) nicht signifikant.
  • In Quartile IV war der Effekt von VD auf die Frakturrate im Gesamtkollektiv in Studien mit oder ohne zusätzliche Einnahme von Kalzium fast identisch.

Vermutlich wegen der sehr unterschiedlichen Teilnehmerzahlen in den Interventions- und Kontroll-Gruppen ergab sich statistisch noch ein weiterer Effekt: Bei zusätzlicher Einnahme von > 1 g Kalzium/Tag war in Quartile IV die Einnahme von VD ohne Einfluss auf das Frakturrisiko. Dagegen war der Effekt bei Einnahme von < 1 g Kalzium/Tag hinsichtlich nicht-vertebraler Frakturen insgesamt mit einem RR von 0,62 (CI: 0,39-0,97) signifikant. Die Autoren verweisen aber auf eine ihrer früheren Publikationen, in der gezeigt wurde, dass Kalzium-Supplementation allein (ohne VD) das Risiko für Hüftfrakturen steigert (3). Kalziumeinnahme ohne VD scheint auch das Risiko für arteriosklerotische Komplikationen (Herzinfarkt, Schlaganfall) zu erhöhen (4). Generell kann man davon ausgehen, dass Personen, die regelmäßig Milchprodukte konsumieren, nicht zusätzlich Kalzium brauchen.

In einem lesenswerten, kritischen Editorial erklärt der VD-Experte R.P. Heaney aus den USA (5) den Unterschied zwischen der Einnahme von Arzneimitteln einerseits und der Einnahme von Wirkstoffen wie VD oder anderen Vitaminen andererseits. Letztere haben eine S-förmige Dosis-Wirkungs-Kurve mit steilem Anstieg im Mittelbereich und flachem Sättigungsbereich bei großen Dosen oder Konzentrationen. In diesem oberen Bereich sind zusätzliche physiologische Effekte nicht zu erwarten. Angewandt auf die hier besprochene Metaanalyse, in der die 25-OH-VD-Konzentrationen vor der VD-Supplementierung nur bei einem kleinen Teil der Studienteilnehmer bekannt waren, ist die VD-Dosis der IV. Quartile möglicherweise noch im steil ansteigenden Bereich der Dosis-Wirkungs-Kurve und somit die optimal wirksame Dosis jeweils nicht bekannt. Dies erklärt wahrscheinlich auch teilweise die recht unterschiedlichen Studienergebnisse zum Thema VD und Frakturverhinderung. Heaney rät auch ab von zu langen Dosierungsintervallen bei VD-Supplementierung, da die Halbwertszeit von VD im Körper ca. einen Monat beträgt. Eine tägliche, wöchentliche oder monatliche Dosierung von VD müsste bei geeigneter Dosierung und normaler Resorption im Darm also ihren Zweck erfüllen.

Fazit: In einer neuen, methodisch zum Teil angreifbaren Metaanalyse ergab sich, dass nur Vitamin-D-Dosen von ≥ 800 IU/d (1 IU = 0,0025 µg Vitamin D3) das Risiko für Hüft- und nicht-vertebrale Frakturen ohne wesentliches Trauma bei Menschen über 65 Jahre signifikant reduzieren. Die Autoren empfehlen bei gleichzeitiger Kalziumgabe Tagesdosen von < 1 g. Diese Ergebnisse bedeuten nicht, dass ältere Menschen, die sich ausgewogen ernähren und sich der Sonne aussetzen, zusätzlich Vitamin D und/oder Kalzium in Tablettenform einnehmen sollten.

Literatur

  1. Bischoff-Ferrari, H.A. et al.: N.Engl. J. Med. 2012, 367, 40 Link zur Quelle . Erratum: N.Engl. J. Med. 2012, 367, 481.
  2. AMB 2008, 42,44. Link zur Quelle
  3. Bischoff-Ferrari, H.A., et al.:Am. J. Clin. Nutr. 2007, 86, 1780. Link zur Quelle
  4. AMB 2010, 44,59. Link zur Quelle
  5. Heaney, R.P.: N. Engl.J. Med. 2012, 367, 77. Link zur Quelle