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Dengue-Fieber: Kein Nutzen prophylaktischer Thrombozytentransfusionen bei thrombozytopenischen Patienten

Das Dengue-Fieber wird durch RNA-Viren aus der Familie der Flaviviren verursacht. Die Übertragung erfolgt durch den Biss der weiblichen Stechmücke der Spezies Aedes aegypti und albopictus, die auch Zwischenwirte für Chikungunya-, Gelbfieber- und Zika-Viren sind. Es gibt vier Dengue-Serotypen (DENV1-4). Die Infektion mit einem Serotyp führt zu einer lebenslangen Immunität gegen diesen, nicht jedoch gegen die anderen. Somit sind Mehrfacherkrankungen möglich, die häufig schwerer als die Erstinfektion verlaufen (1). Eine spezifische Dengue-Therapie gibt es nicht. Die schwerer Erkrankten werden stationär mit Best Supportive Care (BSC) behandelt. Dies umfasst in erster Linie Volumensubstitution, medikamentöse Fieber- und Schmerzkontrolle sowie Komplikationsmanagement. Seit 2016 gibt es eine Impfung (Dengvaxia®, Sanofi Pasteur). Die Effektivität dieser Vakzine bei Kindern wird nach einer aktuellen Metaanalyse um 60% eingeschätzt (2).

Dengue-Fieber breitet sich weltweit immer weiter aus. Etwa die Hälfte der Menschheit lebt mittlerweile in Endemiegebieten. Nach Schätzungen der WHO erkranken jährlich zwischen 50-100 Mio. Menschen an Dengue-Fieber (etwa ein Viertel der Infizierten). Seit den 1960er Jahren haben sich die Erkrankungszahlen mehr als verdreißigfacht (3). Bei mindestens 500.000 Menschen werden jedes Jahr schwere Krankheitsverläufe beobachtet und mindestens 20.000 überleben die Infektion nicht. In einigen asiatischen und lateinamerikanischen Ländern ist Dengue mittlerweile die führende Todesursache bei Kindern. Klimawandel, internationaler Flugverkehr und Ferntourismus tragen dazu bei, dass auch in Europa mit Dengue-Erkrankungen zu rechnen ist. Es wurden bereits drei lokale Ausbrüche registriert (Portugal/Madeira, Frankreich, Kroatien) und zehn weitere Länder haben importierte Infektionen bei Reisenden gemeldet (1).

Die Mehrzahl der Dengue-Infektionen verläuft mild und selbstlimitierend, die Symptome ähneln einem grippalen Infekt. Schwerer erkrankte Patienten haben über 3-7 Tage hohes Fieber und werden von starken Kopf-, Augen-, Muskel- und Gliederschmerzen geplagt. Etwa 2-4% der Erkrankten entwickeln ein hämorrhagisches Fieber oder ein Dengue-Shock-Syndrom (DSS). Bei ausreichender medizinischer Versorgung verlaufen auch die schweren Erkrankungen nur selten tödlich. Eine im Rahmen von Dengue-Erkrankungen auftretende Thrombozytopenie wurde von der WHO als Hinweis für einen schweren Verlauf gewertet. Auch bei ausgeprägter Thrombozytopenie kommt es selten zu klinisch relevanten Blutungen. Von schweren Verläufen sind besonders Kinder < 15 Jahren und Patienten mit einer Zweitinfektion betroffen. Die Mechanismen der Thrombozytopenie bei Dengue-Erkrankungen sind nicht vollständig geklärt, aber immunologische Vorgänge spielen eine wichtige Rolle (4). Die Transfusion von Thrombozytenkonzentraten zur Vorbeugung von Blutungen ist daher schon immer umstritten gewesen, und kleinere Studien haben eher gefährliche Nebenwirkungen als einen Nutzen gezeigt (vgl. 5, 6). Trotzdem wurde von den Ethikkommissionen in Singapur und Malaysia eine Studie zu diesem Thema zugelassen und jetzt publiziert (7).

Hierzu wurden in einem offenen Studiendesign schwer an Dengue-Fieber erkrankte, stationär behandlungsbedürftige, thrombozytopenische (Grenzwert < 20.000/μl) erwachsene Patienten eingeschlossen. Ausgeschlossen wurden u.a. Patienten mit bereits manifesten Blutungen (Epistaxis, Hämatemesis, Meläna, Menorrhagie). Die Interventionsgruppe erhielt laut Protokoll BSC plus vier Plättchenkonzentrate. Zudem konnten weitere Thrombozyten verabreicht werden, wenn die Thrombozytenzahl im Verlauf wieder unter den Grenzwert absank. Die Patienten in der Kontrollgruppe erhielten nur BSC (Bettruhe, Flüssigkeit, Antipyretika, Analgetika).

Der primäre Studienendpunkt waren klinisch manifeste Blutungen (exklusive Petechien). Sekundäre Endpunkte waren u.a. der Verlauf der Thrombozytenzahlen, das Auftreten von Pleuraergüssen oder Aszites, die Notwendigkeit einer Intensivbehandlung und die Krankenhausverweildauer.

Ergebnisse: Zwischen April 2010 und Dezember 2014 wurden an fünf Zentren insgesamt 3.738 Patienten gescreent. 372 Patienten (9,9%) erfüllten alle Ein- und Ausschlusskriterien und waren mit der Randomisierung einverstanden. 188 wurden dem Interventionsarm und 184 dem Kontrollarm zugelost. Die Ausgangsrisiken der Patienten waren in beiden Gruppen gleich (mittleres Alter 44-45 Jahre, 75% Männer, Krankheitsdauer fünf Tage). Die Thrombozytenzahlen betrugen initial 13.000-14.000/μl und 13% bzw. 19% der Patienten hatten zu Studienbeginn leichte Blutungen.

Fast alle Patienten in der Interventionsgruppe erhielten wie vorgesehen vier gepoolte Thrombozytenkonzentrate, acht Patienten erhielten wegen eines passageren Engpasses nur eine Einheit eines Einzelspenders. Der durchschnittliche Thrombozytenanstieg betrug nach einer Stunde 17.560/μl und nach 24 Stunden 29.230/μl. Aus der Interventionsgruppe erhielten 46 Patienten (25%) im weiteren Verlauf noch weitere Thrombozytenkonzentrate. Trotzdem war die mediane Zeit bis zu einer stabilen Thrombozytenzahl > 50.000/μl in beiden Gruppen gleich lang (4 Tage).

Klinisch manifeste Blutungen traten bei 40 Patienten (21%) in der Interventionsgruppe und bei 48 (26%) in der Kontrollgruppe auf (Relatives Risiko = RR: 0,81; 95%-Konfidenzintervall = CI: 0,56-1,17; p = 0,169). Dabei handelte es sich überwiegend um gingivale Blutungen (11% bzw. 17%) und Epistaxis (4% bzw. 5%). Etwa 25% der Patienten mit initialen Thrombozytenzahlen < 10.000/μl und rund 50% mit Thrombozytenzahlen < 5.000/μl bluteten innerhalb einer Woche. Ein Nutzen von der Intervention war auch bei diesen Subgruppen nicht erkennbar (24% vs. 29% bzw. 57% vs. 50%). Bei 3 (2%) bzw. 7 (4%) Patienten trat innerhalb von 21 Tagen eine bedrohliche Blutung auf (RR: 0,42; CI: 0,11-1,59; p = 0,21). Dabei handelte es sich um Hämoptysen (3/1), Hämaturie (0/1), Meläna (0/4) und eine Menorrhagie (0/1). Ein eindeutiger Zusammenhang mit den Thrombozytenzahlen zum Zeitpunkt der Blutung war jedoch nicht erkennbar: Bei einem Patienten betrugen diese > 20.000/μl, bei sieben lagen sie bei 10.000-20.000/μl und bei zwei Patienten < 10.000/μl.

Bei allen sekundären Endpunkten ergaben sich keine Unterschiede zwischen den beiden Behandlungsarmen. Kein Patient starb. Die mediane Krankenhausverweildauer betrug 4 Tage in der Interventions- und 5 Tage in der Kontrollgruppe. Insgesamt wurden im Interventionsarm 13 und im Kontrollarm zwei unerwünschte Ereignisse (UAE) gezählt (RR: 6,26; CI: 1,43-27,34; p = 0,0064). Hierzu zählten drei Patienten mit Urtikaria, einer mit makulopapulösem Exanthem, einer mit Pruritis, sowie einer mit Thoraxschmerz. Zu den schwerwiegenden UAE zählte ein Patient mit Anaphylaxie, einer mit allergischer Lungenaffektion und einer mit generalisiertem Ödem. Alle diese UAE klangen ohne Folgeschäden ab.

Fazit: Eine routinemäßige prophylaktische Transfusion von Thrombozytenkonzentraten führte bei thrombozytopenischen (< 20.000/μl) Patienten mit Dengue-Fieber im Vergleich zu Best Supportive Care nicht zu weniger Blutungskomplikationen. Durch Transfusionsreaktionen und Hypervolämie erhöhen sich sogar die Risiken bei transfundierten Patienten. Somit verschwendet dieses Vorgehen unnötig Ressourcen.

Literatur

  1. http://www.who.int/mediacentre/factsheets/fs117/en/ Link zur Quelle
  2. Godói,I.P., et al.: J. Comp. Eff. Res. 2017, 6, 165. Link zur Quelle
  3. http://apps.who.int/iris/bitstream/… Link zur Quelle
  4. deAzeredo, E.L., et al.: Mediators Inflamm. 2015, 2015, 313842. Link zur Quelle
  5. Khan Assir, M.Z., et al.: Transfus. Med. Hemother. 2013, 40,362. Link zur Quelle
  6. Lee, T.-H., et al.: PLoS Negl. Trop.Dis. 2016, 10, e0004576. Link zur Quelle
  7. Lye,D.C., et al.: Lancet 2017, 389, 1611. Link zur Quelle