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Nochmals: MitraClip „plus“ oder „nur“ optimierte Therapie der Herzinsuffizienz bei sekundärer Mitralinsuffizienz?

In unserer Septemberausgabe haben wir über die MITRA-FR-Studie berichtet, die auf dem Jahreskongress der Europäischen Kardiologischen Gesellschaft (ESC) präsentiert wurde und die keinen Vorteil für ein katheterinterventionelles Clipping der Mitralklappensegel mit maximaler leitliniengerechter Therapie (LGT) gegenüber einer alleinigen LGT bei Herzinsuffizienz mit sekundärer, d.h. funktioneller, nicht primär valvulär bedingter Mitralinsuffizienz (MI) gezeigt hatte (1, 2). Etwa drei Wochen später wurde auf dem amerikanischen Transcatheter Cardiovascular Therapeutics (TCT)-Kongress die COAPT-Studie (3) vorgestellt, die trotz sehr ähnlicher Fragestellung zu einem gänzlich anderen Ergebnis kam und deshalb Ratlosigkeit bei Fachleuten und Laien ausgelöst hat.

Methodik: In die COAPT-Studie wurden in 78 US-amerikanischen Zentren Patienten mit Herzinsuffizienz (HI) und mittel-/hochgradiger und hochgradiger sekundärer MI eingeschlossen, die trotz stabiler maximaler LGT im NYHA-Stadium II-IVa (IVa = noch mobil) symptomatisch blieben. Die Patienten mussten zunächst von einem lokalen interdisziplinären „heart team“ und dann zusätzlich von einem zentralen Auswahlkomitee für nicht operabel und als technisch geeignet für die Mitralclip-Implantation befunden werden. Das Auswahlkomitee kontrollierte auch die maximale Umsetzung der LGT als Einschlusskriterium. Die Patienten wurden offen 1:1 randomisiert für Mitral-Clipping (MitraClip®, Abbott Vascular; 4) plus LGT oder alleinige LGT.

Primärer Effektivitätsendpunkt waren alle Rehospitalisierungen wegen HI innerhalb von 24 Monaten, primärer Sicherheitsendpunkt war das Ausbleiben von Device-bezogenen Komplikationen innerhalb von 12 Monaten: Device-Embolisation, fehlerhafte Device-Position an nur einem Mitralsegel, OP-Bedürftigkeit wegen Mitralstenose, Endokarditis oder andere Ereignisse, Indikation für Left Ventricular Assist Device (LVAD = „Kunstherz“) oder Herztransplantation. Die Studie wurde vom Device-Hersteller finanziert.

Ergebnisse Patienteneinschluss und prozedural: Von 2013 bis Mitte 2017 wurden 302 Patienten der Device/LGT-Gruppe und 312 der LGT-Gruppe zugeordnet. Das mittlere Alter der Patienten lag bei 72 Jahren, 36% waren Frauen, 61% waren im NYHA-Stadium ≥ III, die mittlere EF betrug 31%. Die Charakteristika waren etwa gleich. Bei 293 Patienten wurde die Implantation versucht und bei 287 Patienten (95% von 302) konnten letztlich ein oder mehrere Mitral-Clips implantiert werden (ein Clip bei 36,2% von 293, zwei Clips bei 53,6% von 293 Patienten).

Ergebnisse Nachbeobachtung: Der primäre Effektivitätsendpunkt, Rehospitalisierungen wegen HI innerhalb von 24 Monaten, trat bei 35,8% bei Device plus LGT vs. 67,9% bei LGT auf (Hazard Ratio = HR: 0,53; 95%-Konfidenzintervall = CI: 0,40-0,70; p < 0,001). Die Gesamtletalität lag in der Gruppe Device plus LGT bei 29,1% vs. 46,1% bei LGT (HR: 0,62; CI: 0,46-0,82; p < 0,001; vgl. Tab. 1). Der primäre Sicherheitsendpunkt in der Device-Gruppe (Nicht-Auftreten von Device-bezogenen Komplikationen innerhalb von 12 Monaten) wurde bei 96,6% erreicht, was signifikant unter einem vordefinierten Zielwert (Performance goal) von 88% liegt (unteres 95%-Konfidenzlimit 94,8%; p < 0,001). Die bei 9 Patienten (3,4%) aufgetretenen Device-bezogenen Komplikationen waren: 2 Fehlplatzierungen, 1 Device-Embolisierung, 3 LVAD-Implantationen und 2 Herztransplantationen, 1 Notfalloperation wegen Perikardtamponade. LVAD-Implantationen und Herztransplantationen waren im Vergleich allerdings tendenziell seltener in der Device- als in der Kontroll-Gruppe (nicht signifikant), Schlaganfälle (um 4-5% im Gesamtkollektiv) und Myokardinfarkte (um 5-6%) waren nicht signifikant unterschiedlich. Analysen von Subgruppen zeigten keine signifikanten Inhomogenitäten. Besserungen fanden sich auch für Parameter der Lebensqualität wie 6-Minuten-Gehtest und NYHA-Stadium.

Diskussion und Vergleich mit MITRA-FR (s. Tab. 1): Im Gegensatz zur MITRA-FR-Studie hat die COAPT-Studie ein klar positives Ergebnis für das Mitral-Clipping bei Patienten mit Herzinsuffizienz und sekundärer Mitralklappeninsuffizienz. Dafür gibt es verschiedene Gründe:

  • In der COAPT-Studie wurden die Einschlusskriterien der Patienten mehrfach von lokalen und zentralen Instanzen kontrolliert, insbesondere wurde auf eine sehr konsequente Umsetzung einer optimierten und stabilen LGT geachtet, während in MITRA-FR die Vorgaben weniger stringent waren. In COAPT wurden von 1.576 gescreenten Patienten 614 eingeschlossen (39%), in MITRA-FR lag das Verhältnis bei 452 zu 307 (68%). Die kardiale Resynchronisationstherapie (CRT) war in COAPT häufiger notwendig (36,5% vs. 27%); hinsichtlich der Anteile der eingesetzten Arzneimittelgruppen (in den Supplements publiziert) gibt es allerdings kaum Unterschiede zwischen den beiden Studien.

  • In COAPT hatten die Patienten höhere pro-BNP-Werte und der Schweregrad der MI war etwas höher, in MITRA-FR hingegen war die linksventrikuläre Dilatation stärker, was auf eine fortgeschrittenere Kardiomyopathie hindeutet.

  • In der COAPT-Studie zeigte sich nach 12 Monaten kein signifikanter Letalitätsunterschied, erst danach weichen die beiden Kurven voneinander ab – möglicherweise durch einen etwas verzögerten Effekt auf das Remodeling des linken Ventrikels. Die Absolutwerte bei 12 Monaten stimmen gut mit denen der MITRA-FR-Studie überein, sodass für diesen Nachbeobachtungszeitraum und für diesen Endpunkt kein Unterschied zwischen den beiden Studien zu konstatieren ist. Ob eine längere Nachbeobachtung in der MITRA-FR-Studie denselben Unterschied und damit einen Vorteil der MitraClip-Implantation gezeigt hätte wie in COAPT, ist ungewiss.

  • In MITRA-FR war in einem deutlich höheren Prozentsatz eine Clip-Implantation nicht möglich (9,2% vs. 4,9%) und der Anteil verbliebener höhergradiger Mitralinsuffizienz nach Mitral-Clipping dürfte ebenfalls höher sein, was auf eine größere Expertise der Operateure in COAPT hindeutet. Offenbar hatte MITRA-FR auch Schwierigkeiten mit der konsequenten Nachbeobachtung, insbesondere bei sekundären Endpunkten wie z.B. echokardiographischen Parametern.

  • Insbesondere bei nicht verblindeten und nicht Sham-kontrollierten Studien können sehr leicht verschiedene Arten von Bias bestehen (Performance-, Ascertainment-Bias), die sich möglicherweise in einer Studie mehr auswirken als in der anderen. Willkürliche oder unwillkürliche Einflüsse durch einen Industriesponsor sind in diesem Setting auch nicht auszuschließen. Die US-amerikanische COAPT-Studie war rein industriegesponsert. Es erscheint allerdings unwahrscheinlich, dass dies allein die Unterschiede zwischen MITRA-FR und COAPT erklärt.

Die beiden nahezu identisch angelegten Studien scheinen intern (d.h. in Bezug auf die jeweils untersuchten Kollektive) einigermaßen valide zu sein. Die Tatsache, dass sie zu so gegensätzlichen Ergebnisse führten, zeigt, dass es offenbar nicht einfach ist, eine gute Auswahl der Patienten zu treffen – den Autoren der COAPT-Studie dürfte dies gelungen sein. Das MITRA-FR-Patientenkollektiv (und möglicherweise auch die Ergebnisse) dürften allerdings mehr der „Real-World“-Patientenpopulation entsprechen: Seit Jahren ist es gängige Praxis, dass das Mitral-Clip-Verfahren (das nur für die primär-degenerative Mitralinsuffizienz zugelassen ist; 5) ohne belastbare Evidenz und Off-label – und wahrscheinlich sehr häufig auch ohne vorherige Optimierung der LGT – bei sekundärer Mitralinsuffizienz angewandt wird.

Eine Schlussfolgerung aus MITRA-FR und COAPT ist, dass die Auswahl der Patienten eine zentrale Rolle für die Effektivität des Verfahrens spielt. Es sollte nur eingesetzt werden, wenn inoperable oder nur mit sehr hohem Risiko operable Patienten mit hochgradiger Mitralinsuffizienz trotz konsequent optimierter LGT symptomatisch bleiben, vorausgesetzt, sie sind nicht „zu krank“ infolge anderer Erkrankungen. Technische Machbarkeit und interventionelle Expertise müssen gewährleistet sein. Operable Patienten sollten bei gegebener Indikation operiert werden. Weitere Studienergebnisse werden mit Spannung erwartet. In den nächsten Monaten soll die europäische RESHAPE-HF2-Studie mit ähnlichen Einschlusskriterien publiziert werden.

Fazit: Für das katheterinterventionelle Verfahren der Clip-Implantation (MitraClip®) bei sekundärer Mitralklappeninsuffizienz liegen mit der MITRA-FR- und COAPT-Studie diskrepante Ergebnisse vor. Der wesentliche Grund für die eindeutig positiven Ergebnisse der COAPT-Studie (einschließlich einer signifikant niedrigeren Letalität) ist wohl die konsequente Selektion der Patienten. In Zentren mit Erfahrung und bei sorgfältig ausgewählten Patienten mit primärer oder sekundärer Mitralklappeninsuffizienz (inoperabel, gute technische Machbarkeit, symptomatisch trotz maximaler Ausschöpfung anderer leitliniengerechter Therapien) kann das Verfahren wohl von Nutzen sein. Entscheidungen sollten multidisziplinär im Team und mit den Patienten getroffen werden. Die Ergebnisse weiterer laufender Studien bleiben abzuwarten. Bis dahin empfehlen wir Zurückhaltung beim Einsatz dieses nicht risikolosen und teuren Verfahrens.

Literatur

  1. AMB 2018, 52, 69. Link zur Quelle
  2. Obadia, J.-F., et al. (MITRA-FR = Percutaneous repair with the MitraClip device for severe functional/secondary mitral regurgitation): N. Engl. J. Med. 2018, 379, 2297. Link zur Quelle
  3. Stone, G.W., et al. (COAPT = Cardiovascular Outcomes Assessment of the MitraClip Percutaneous Therapy for heart failure patients with functional mitral regurgitation): N. Engl. J. Med. 2018, 329, 2307. Link zur Quelle
  4. https://www.accessdata.fda.gov/… Link zur Quelle

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