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Erhöhte Trinkmenge kann Zystitis-Rezidive bei gesunden prämenopausalen Frauen reduzieren.

Die unkomplizierte Zystitis ist eine der häufigsten Infektionen bei Frauen, und das Risiko, im Laufe des Lebens daran zu erkranken, liegt bei > 50% (1). Wir haben wiederholt darüber berichtet (2). Von Frauen mit erstmaliger Zystitis erleiden etwa 27% mindestens ein Rezidiv in den folgenden sechs Monaten (3), innerhalb eines Jahres sind es 44-70% (4). Trotz der Empfehlungen entsprechender Fachgesellschaften für eine Trinkmenge von mindestens 1,6-2,2 l/d trinken 40% der Frauen < 1,6 l/d (5).

Bei rezidivierenden Zystitiden führen Schmerzen und allgemeines Krankheitsgefühl zu einer relevant eingeschränkten Lebensqualität. Überdies werden etwa 15% der gesamten Antibiotika in der Humanmedizin zu Lasten von Harnwegsinfektionen verordnet (6). Die antibiotische Therapie und Prophylaxe von Harnwegsinfektionen sind an den zunehmenden Resistenzen von Antibiotika maßgeblich beteiligt (7). Neben allgemeinen Empfehlungen zur Genitalhygiene, zeitnaher Miktion nach dem Geschlechtsverkehr sowie häufigerem Entleeren der Blase besteht eine weitere Empfehlung darin, sehr viel zu trinken, um Bakterien aus den Harnwegen „herauszuspülen“ (8, 9). Überzeugende Studien zur Wirksamkeit dieser Maßnahme gab es aber bisher nicht (10). Jetzt wurde eine randomisierte, kontrollierte Studie aus Bulgarien veröffentlicht, die den Einfluss einer erhöhten täglichen Trinkmenge auf rekurrierende Harnwegsinfektionen bei gesunden prämenopausalen Frauen untersuchte (11).

In einem offenen Studiendesign der COMAC Medical, einem klinischen Forschungszentrum in Sofia, wurden 140 prämenopausale Frauen eingeschlossen, die bei Studienbeginn keine floride Harnwegsinfektion, aber im Laufe des vergangenen Jahres mindestens dreimal eine symptomatische Zystitis gehabt hatten. Für mindestens eine Zystitis musste ein signifikanter Keimnachweis vorliegen mit ≥ 103 Kolonie-bildenden Einheiten (CFU)/ml im morgendlichen Mittelstrahlurin. Die Frauen nahmen nach eigenen Aussagen üblicherweise < 1,5 l/d an Getränken zu sich. Ausschlusskriterien waren eine akute Zystitis, eine Pyelonephritis in den letzten 12 Monaten, eine bekannte interstitielle Zystitis und eine symptomatische Vulvovaginitis sowie Schwangerschaft. In einem offenen 1:1-Design tranken die Frauen über eine 12-monatige Beobachtungszeit entweder nur die gewohnten maximal 1,5 l Flüssigkeit/d (Kontrollgruppe) oder sie tranken zusätzlich 1,5 l Wasser über den Tag verteilt (Interventionsgruppe). Um zu beweisen, dass die Teilnehmerinnen vor der Studie üblicherweise wirklich < 1,5 l/d Flüssigkeit zu sich nahmen, wurde in der Vorlaufphase die tägliche Trinkmenge exakt protokolliert und der 24-Std-Sammelurin sowie die Urin-Osmolalität gemessen. Um weiter an der Studie teilnehmen zu können, durfte die tägliche Urinmenge nicht > 1,2 l betragen mit einer Osmolalität von mindestens 500 mOsm/kg. Die Frauen der Interventionsgruppe bekamen die zusätzliche Trinkmenge von 1,5 l/d als Flaschenwasser ins Haus geliefert. Die tägliche Trinkmenge wurde in beiden Gruppen tagebuchartig dokumentiert. Die Frauen wurden über insgesamt 12 Monate in einem Telefoninterview einmal pro Monat befragt zu Zystitissymptomen, Medikamenteneinnahme und Einhaltung des Studienprotokolls. Nach 6 und 12 Monaten wurde jeweils das 24-Std-Urinvolumen und die Osmolalität gemessen. Die Frauen wurden aufgefordert, bei jedem Auftreten von Dysurie-Symptomen entweder über COMAC oder den betreuenden Hausarzt eine Kultur vom Mittelstrahlurin anzulegen und entsprechend behandeln zu lassen.

Die beiden Gruppen unterschieden sich demografisch und klinisch nicht. Das mittlere Alter der Frauen betrug 35,7 Jahre, 92% waren sexuell aktiv. Sie hatten innerhalb der letzten 12 Monate im Mittel 3,3-mal (Spanne: 3-6) eine Zystitis gehabt. Darüber hinaus bestanden keine Komorbiditäten.

Primärer Studienendpunkt war das Auftreten einer Zystitis mit dem Nachweis von ≥ 103 CFU/ml im Mittelstrahlurin. Sekundärer Endpunkt war die Zahl antibiotischer Therapien, das mittlere Zeitintervall zwischen zwei Zystitis-Episoden, die Urinmenge und Urin-Osmolalität sowie die Zeitspanne bis zur ersten Zystitis. Unerwünschte und lebensbedrohliche Ereignisse wurden ebenso erfasst wie Dysurie-Symptome, stationäre Aufnahme, Tod oder Behinderung. In der Interventionsgruppe erreichten 64 (91%) und in der Kontrollgruppe 66 (94%) Frauen das Ende der Beobachtung nach 12 Monaten, und 54 bzw. 59 beendeten die Studie ohne größere Protokollverletzung.

Ergebnisse: Bis zum Ende des Beobachtungszeitraums war in der Interventionsgruppe die tägliche Flüssigkeitsaufnahme um 1,7 l (Spanne: 1,1-2,8 l) gegenüber dem Ausgangswert gestiegen, der tägliche reine Wasserkonsum um 1,15 l (Spanne: 0,48-1,63 l).

Im Verlauf von 12 Monaten hatten die Frauen im Mittel 1,7 Zystitis-Episoden in der Interventionsgruppe (95%-Konfidenzintervall = CI: 1,5-1,8) und 3,2 (CI: 3,0-3,4) in der Kontrollgruppe mit einer Abweichung der Mittelwerte (difference in means) von 1,5 (CI: 1,2-1,8; p < 0,001). Dies entspricht 111 bzw. 216 Ereignissen. In der Interventionsgruppe hatten 93% der Frauen zwei oder weniger Zystitis-Episoden, während 88% der Frauen in der Kontrollgruppe drei oder mehr Rezidive hatten, im Median zwei bzw. drei.

Von den angelegten Kulturen erbrachten 77% bzw. 79% einen positiven Keimnachweis, jeweils in der Interventions- bzw. Kontrollgruppe. Escherichia coli wurde in 87 (78%) bzw. 167 (77%) Kulturen angezüchtet, Klebsiella-Stämme in 9% bzw. 10% und Proteus-Stämme in 4% bzw. 5%. Die Zystitiden wurden im Durchschnitt mit 1,9 (CI: 1,7-2,2) antibiotischen Regimen in der Interventions- und mit 3,6 (CI: 3,3-4,0) in der Kontrollgruppe behandelt mit einer Abweichung der Mittelwerte von 1,7 (CI: 1,3-2,1; p < 0,001). Über die gesamte Beobachtungszeit war die tägliche Urinmenge in der Interventionsgruppe um 1,3 l/d angestiegen (mit signifikant abfallender Urin-Osmolalität) im Vergleich zu 0,1 l/d in der Kontrollgruppe (p < 0,001).

Eine Trinkmenge > 3l/d ist natürlich nur bei Patientinnen ohne ödembildende Krankheiten zu empfehlen. Außerdem gilt es zu bedenken, dass die resultierende Polyurie (möglicherweise auch Pollakisurie) viele Tätigkeiten im Alltag erheblich stören kann.

Fazit: Eine Erhöhung der täglichen Trinkmenge um 1,7 l halbierte im Verlauf von 12 Monaten bei gesunden prämenopausalen Frauen mit einer Trinkmenge von zuvor < 1,5 l/d und rezidivierenden Zystitiden die Zahl von Zystitiden und den Antibiotikaverbrauch. Dies bestätigt laut Kommentar der stellvertretenden Chefredakteurin des JAMA eine alte Volksweisheit (12). Außerdem handelt es sich um eine effektive, sichere und kostengünstige Intervention, die dazu beitragen kann, Antibiotika restriktiver einzusetzen und einer weiteren Zunahme bakterieller Resistenzen entgegenzuwirken.

Literatur

  1. Foxman, B., et al.: Ann. Epidemiol. 2000, 10, 509. Link zur Quelle
  2. AMB 2016, 50, 15. Link zur Quelle AMB 2016, 50, 09. Link zur Quelle AMB 2014, 48, 07. Link zur Quelle AMB 2012, 46, 47c. Link zur Quelle AMB 2006, 40, 30a. Link zur Quelle
  3. Foxman, B.: Am. J. Public Health 1990, 80,331. Link zur Quelle
  4. Hooton, T.M., et al.: N. Engl. J. Med. 1996, 335, 468. Link zur Quelle
  5. Ferreira-Pêgo, C., et al.: Eur. J. Nutr. 2015, 54(Suppl. 2), 35. Link zur Quelle
  6. Mazzulli, T.: J. Urol. 2002, 168 (4 Pt. 2),1720. Link zur Quelle
  7. Costelloe, C., et al.: BMJ 2010, 340, c2096. Link zur Quelle
  8. Beetz, R.: Eur. J. Clin. Nutr. 2003, 57 (Suppl. 2), S52. Link zur Quelle
  9. Tian, Y., et al.: Int. Urol. Nephrol. 2016, 48, 949. Link zur Quelle
  10. Scholes, D., et al.: J. Infect. Dis. 2000, 182, 1177. Link zur Quelle
  11. Hooton, T.M., et al. (S-HYDRACYST): JAMA Intern. Med. 2018, 178, 1509. Link zur Quelle
  12. Grady, D.: JAMA Intern. Med. 2018, 178, 1515. Link zur Quelle