Zusammenfassung: Panik wegen der Epidemie mit dem neuen Coronavirus ist nicht angebracht. Ein sachlicher seuchenhygienischer Umgang ist gefordert. Die Infektion verläuft bisher überwiegend milde oder ohne auffällige Krankheitszeichen, so dass sie schwierig einzudämmen ist. Der bisherige Verlauf deutet auf eine Letalität von ca. 2% hin. Möglicherweise wird diese aber zu hoch eingeschätzt, weil Schwererkrankte leichter zu erfassen sind und überproportional in die Statistiken eingehen. Wie bei Ausbrüchen vorausgegangener Zoonosen wird eine Abschwächung der Pathogenität des Erregers bei der Passage im Menschen erwartet. Wenn der Ursprung des Virus gefunden werden kann und ein wirksamer Impfstoff zur Verfügung steht, besteht die gute Chance, die Epidemie auch nachhaltig zu beenden.
Zum zweiten Mal innerhalb der letzten Dekade hat ein zoonotisches Coronavirus die Speziesbarriere in China durchbrochen und Menschen infiziert (1-3). Das neue Coronavirus, vorerst als 2019-nCoV bezeichnet und inoffiziell schon Corona-Virus-2 genannt, wurde zunächst in Wuhan identifiziert bei Menschen, die auf einem Lebensmittelmarkt gegenüber Meerestieren und exotischen Tieren exponiert waren (1). Die chinesischen Gesundheitsbehörden haben offenbar schnell reagiert, den Erreger identifiziert und Maßnahmen eingeleitet, um seine Verbreitung einzudämmen. Eine wichtige Maßnahme, solche epidemieartigen Zoonosen künftig zu verhindern, ist die Einschränkung des Wildtierhandels und -verzehrs, was auch dem Artenschutz zugute kommen würde. Wie schon bei den anderen Ausbrüchen zoonotischer Corona-Viren (SARS-CoV), ebenfalls ausgehend von China, und dem MERS-CoV („Kamel-Schnupfen-Virus“), ausgehend von Mittelasien, sind Pneumonien bei 2019-nCoV die wichtigste Manifestation.
Die erste SARS-Epidemie wurde im Wesentlichen durch deutsche Wissenschaftler um den Virologen Christian Drosten aufgeklärt (4). Die Herkunft des SARS-CoV wurde auf den Larvenroller (Paguma larvata) zurückgeführt, eine Schleichkatze, die in den südostasiatischen Regenwäldern lebt und insbesondere in China gejagt und gegessen wird. MERS-CoV stammt von Kamelen, die meist als Jungtiere die Infektion als Schnupfen durchmachen, aber nicht schwer erkranken.
Bei den meisten zoonotischen Virusinfektionen ist nach Überschreiten der Speziesbarriere die Letalität zunächst verhältnismäßig hoch (vgl. Tab. 1). Die Pathogenität schwächt sich aber durch Adaptation an den neuen Wirt meist schnell ab, so dass sich die Ausbrüche selbst limitieren. Im Dezember 2019 kam es in China erneut zu auffälligen Pneumonien, bei denen, wie oben erwähnt, als Erreger ein neues humanpathogenes Coronavirus (2019-nCoV) isoliert wurde (2). Die Tierart, von der das Virus stammt, ist bisher nicht sicher bekannt. Fledermäuse stehen – möglicherweise über eine andere Tierart als Zwischenwirt – im Verdacht (11). Die Infektion kann in manchen Fällen letal verlaufen, meist ist der klinische Verlauf aber nicht schwer. Die Übertragung des Erregers durch Tröpfchen von Mensch zu Mensch ist nachgewiesen, so dass seuchenhygienische Maßnahmen (Isolierung, Quarantäne) sinnvoll sind. Dies ist aber insofern schwierig, da scheinbar viele Infizierte keine oder geringe Symptome haben und somit nicht leicht zu identifizieren sind. Auch die Ausscheidung von Coronaviren über den Stuhl ist lange bekannt (7).
Die drei schwer erkrankten Patienten, die im Januar im N. Engl. J. Med. beschrieben wurden, hatten alle eine Pneumonie und überlebten (2). Bei einem Patienten entwickelte sich über eine schwere Pneumonie ein „Acute Respiratory Distress Syndrome“ (ARDS), sodass er wenige Tage mechanisch beatmet werden musste. Auch dieser Patient konnte die Klinik nach 3 Wochen wieder verlassen (2).
Das mediane Alter der ersten 425 Patienten aus China, bei denen die Infektion mit 2019-nCoV bestätigt werden konnte (5), lag bei 59 Jahren (15-89 Jahre), und 56% waren Männer. Bei Kindern < 15 Jahren wurden bis zu diesem Zeitpunkt keine Infektionen nachgewiesen. Inzwischen haben sich aber auch Kinder infiziert. Der klinische Verlauf erscheint bei diesen aber milde. Die meisten Patienten (55%) mit Symptomen vor dem 1.1.2020 hatten Kontakt mit dem „Huanan Seafood Wholesale Market“. Bei späteren Patienten traf das nur noch auf 8,5% zu. Die mediane Inkubationszeit betrug 5,2 Tage (95%-Konfidenzintervall: 4,1-7,0).
Eine weitere Auswertung stationär behandelter Patienten aus dem Zentrum der Epidemie ergab, dass etwas weniger als die Hälfte auch andere Erkrankungen hatten, wie zum Beispiel Diabetes (20%) oder kardiovaskuläre Erkrankungen (15%). Die häufigsten Symptome waren Fieber (98%), Husten (76%), Muskelschmerzen und Müdigkeit (44%). Meist besteht eine Lymphopenie (63%). Komplikationen waren ARDS (29%), kardiale Dekompensation (12%) und sekundäre Infektionen (10%). Ein Drittel der ersten in Huanan hospitalisierten Patienten wurden zeitweise auf der Intensivstation behandelt (9).
Am Anfang verdoppelte sich die Zahl der Infizierten alle 7,4 Tage (5). Bis zum 3.2.2020 wurden 17.200 Fälle gemeldet (6). Diese Zahl erscheint in Anbetracht der hohen Bevölkerungsdichte in den chinesischen Städten als eher gering und lässt auf eine geringe „attack rate“ schließen. Bis zum 3.2.2020 sollen 363 Patienten an der Erkrankung gestorben sein (6), was einer Fall-Letalität („case fatality“) von ca. 2% entspricht, also deutlich niedriger als bei SARS (s. Tab. 1). Absolut wird die Zahl aber vermutlich größer werden. Inzwischen wurden mehrere Fälle in anderen Ländern bestätigt, auch bei uns in Deutschland. Diese Patienten, die aus China kamen, sind durch die Infektion bisher nur wenig beeinträchtigt. Hier zeigte sich auch, dass eine Übertragung des Virus auch über asymptomatische Personen möglich ist, was die Eindämmung der Epidemie erschweren kann. In Deutschland sollten bei unspezifischer Symptomatik nur ausgewählte Patienten auf 2019-nCoV getestet werden, beispielsweise Menschen aus dem Epidemie-Gebiet in China oder solche, die Kontakt mit nachgewiesen Infizierten hatten. Praktische Empfehlungen für die Praxis wurden von der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) veröffentlicht (10).
Ob antivirale Wirkstoffe bei asymptomatischen Infizierten die klinische Manifestation verhindern, den Verlauf günstig beeinflussen oder gar die Letalität senken, ist unklar. Verschiedene Impfungen sind in Arbeit, werden aber erst in einigen Monaten zur Verfügung stehen. Allerdings limitieren sich virale Zoonosen manchmal schneller als ein als wirksam geprüfter Impfstoff zur Verfügung steht. Im Zusammenhang mit der neuen Coronavirus-Infektion ist Panik nicht angebracht. Vielmehr sollten wir Menschen unser Verhalten ändern, denn Massentierhaltung und der Handel sowie der Verzehr exotischer Wildtiere können immer wieder dazu führen, dass zoonotische Viren auf den Menschen übertragen werden. Weit schlimmere Szenarien als die jetzige Pandemie sind denkbar, wenn in dieser Hinsicht kein Umdenken stattfindet.
Literatur
- Perlman, S.: N. Engl. J. Med. 2020, January 24: Link zur Quelle
- Na Zhu, et al.: Link zur Quelle
- Munster, V.J., et al.: Link zur Quelle
- Drosten, C., et al.: N. Engl. J. Med. 2003, 348, 1967. Link zur Quelle
- Qun, Li, et al.: N. Engl. J. Med. 2020, January 29: Link zur Quelle
- https://www.tagesschau.de/ausland/coronavirus-wuhan-china-101 Link zur Quelle
- Schmidt, W., et al.: J. Acquir. Immune Defic. Syndr. Hum. Retrovirol. 1996, 13, 33. Link zur Quelle
- AMB 2010, 44, 03 Link zur Quelle . AMB 2010, 44, 04 Link zur Quelle . AMB 2012, 46, 10. Link zur Quelle
- Huang, C., et al.: Lancet 2020, January 24: Link zur Quelle . Erratum: Link zur Quelle
- https://www.degam.de/nachrichten-detail/ coronavirus-2019-ncov-degam-ratschl %C3%A4ge-f%C3%BCr-niedergelassene-in- der-hausarztpraxis-1492.html Link zur Quelle
- Lu, R., et al.: Lancet 2020, January 30.: Link zur Quelle