Seit knapp einem halben Jahr stehen Impfstoffe gegen SARS-CoV-2 für Personen > 16 Jahre zur Verfügung. Die bisher zugelassenen mRNA-Impfstoffe und DNA-Vektorimpfstoffe unterscheiden sich u.a. in den für ihre Herstellung verwendeten Plattformtechnologien, in ihrer mitunter komplexen Logistik hinsichtlich Transport sowie Lagerung und in dem empfohlenen Impfschema. Ob es bedeutsame Unterschiede bei der klinischen Wirksamkeit und der Sicherheit gibt, ist weiterhin unklar. Bislang wirken sie alle gut hinsichtlich der Verhinderung schwerer COVID-19-Verläufe.
Zu Beginn der Impfkampagne empfahl die Ständige Impfkommission (STIKO) in Deutschland, den ersten zugelassenen DNA-Vektorimpfstoff AZD1222 (Vaxzevria®) von AstraZeneca nur für Personen < 65 Jahre. Ältere Personen sollten mit dem mRNA-Impfstoff BNT162b2 (Tozinameran; Comirnaty®) von BioNTech/Pfizer oder der Moderna Covid-19-Vakzine geimpft werden. Grundlage dieser Empfehlung waren die aus Sicht der STIKO unzureichenden Daten für ältere Personen aus den Zulassungsstudien zu AZD1222 (vgl. 1). Auch das nationale Impfgremium in Österreich sprach sich für dieses Vorgehen aus (8).
Nach den Beobachtungen, dass die Verwendung von DNA-Vektorimpfstoffen bei jüngeren Geimpften sehr selten zu thrombotischen Komplikationen und Thrombozytopenie (VIPIT = „Vaccine Induced Prothrombotic Immune Thombocytopenia“) führt (vgl. auch 2), hatte die STIKO ihre Empfehlungen geändert. Seit 1.4.2021 sollte zunächst „auf Basis der derzeit verfügbaren, allerdings noch begrenzten Evidenz und unter Berücksichtigung der gegenwärtigen pandemischen Lage“, AZD1222 nicht mehr bei Personen < 60 Jahre verwendet werden (3). Die Impfung mit AZD1222 unterhalb dieser Altersgrenze liegt jedoch im ärztlichen Ermessen und ist bei individueller Risikoakzeptanz nach sorgfältiger Aufklärung weiter möglich (3). In Österreich wird zunächst ohne Altersbeschränkung weiter mit AZD1222 geimpft; mittelfristig plant man dort nach Angaben des Gesundheitsministers wegen der fortgesetzten Lieferprobleme jedoch ohne diese Vakzine (9).
Aus dieser Empfehlung der STIKO ergibt sich nun ein Problem bei Personen < 60 Jahre, die bereits eine Erstimpfung mit AZD1222 erhalten haben und in diesen Tagen ihre Zweitimpfung erhalten sollen. Für diese Personen wird von der STIKO derzeit zur Vervollständigung der Impfserie ein heterologes Impfschema empfohlen, also die Zweitimpfung mit einem mRNA-Impfstoff 9-12 Wochen nach der Erstimpfung. Die Empfehlung zu einem „off label“-Gebrauch ist ungewöhnlich und ist, in Ermangelung von Studienergebnissen, ein Expertenkonsens. Diese Empfehlung basiert darauf, dass einerseits ein VIPIT auch schon nach Zweitimpfung mit AZD1222 beobachtet wurde (4), und andererseits, dass beide verfügbaren mRNA-Impfstoffe bislang nicht mit vermehrten thromboembolischen Ereignissen auffällig geworden sind. Auch in Frankreich, Schweden, Norwegen und Dänemark wird eine heterologe Impfung empfohlen (vgl. 3). Das nationale Impfgremium in Österreich rät dagegen ausdrücklich von einem heterologen Impfschema ab. Dies sei „weder vorgesehen noch empfohlen und wäre eine off-label-Anwendung mit unsicherer Konsequenz, sowohl was Schutz als auch mögliche Nebenwirkungen betrifft. Wenn ein heterologes Impfschema angewandt wird, wird den verantwortlichen Ärztinnen und Ärzten empfohlen, die diesbezügliche Aufklärung inkl. dem ausdrücklichen Wunsch der zu impfenden Person explizit zu dokumentieren“ (vgl. 7).
Nun liegen erste Ergebnisse zu einem heterologen („prime-boost“) Impfschema vor. In einem Leserbrief berichtet die Com-COV Study Group aus Oxford im Lancet über erste Ergebnisse zu Reaktogenität und hämatologischen bzw. biochemischen Labordaten einer derartigen Impfung. Daten zur Immunogenität und Wirksamkeit sollen in den kommenden Wochen folgen (5). Insgesamt wurden 830 Personen ≥ 50 Jahre in diese Studie eingeschlossen (medianes Alter 57 Jahre, 46% Frauen). Es werden 8 Impfschemata verglichen: Erst- und Zweitimpfung mit AZD1222, jeweils im Abstand von 28 bzw. 84 Tagen (homologe Impfung) vs. Erstimpfung mit AZD1222 und Zweitimpfung mit BNT162b2 und vice versa, jeweils im Abstand von 28 bzw. 84 Tagen (heterologe Impfung).
Die im Leserbrief publizierten Daten beschreiben die Reaktogenität bei 463 Personen mit 28-tägigem Impfintervall. Die Symptome wurden über eine Woche durch Selbstbeurteilung nach der 2. Impfung erfasst. Dabei zeigte sich, dass die beiden geprüften heterologen Impfungen zu einer 2-3fach stärkeren systemischen Reaktogenität führen, als die homologen Impfungen. So berichten über ein Fiebergefühl 34% mit der Sequenz AZD1222 ➔ BNT162b2 vs. 10% bei Zweifachimpfung mit AZD1222 und 47% mit der Sequenz BNT162b2 ➔ AZD1222 vs. 21% bei Zweifachimpfung mit BNT162b2. Auch bei den Symptomen Frösteln, Fatigue, Kopfschmerzen, Arthralgien, Myalgien und Krankheitsgefühl fand sich bei der heterologen Impfung eine deutlich verstärkte Reaktogenität. Die meisten Symptome traten innerhalb von 48 Stunden nach Impfung auf. Über eine Einnahme von Paracetamol bei Auftreten von Nebenwirkungen der Impfung berichteten 40 (36%) der 112 Teilnehmer unter homologer Impfung mit AZD1222 und 48 Teilnehmer (41%) mit BNT162b2. Bei der heterologen Sequenz AZD1222 ➔ BNT162b2 nahmen 57% (63 von 110 Teilnehmern) Paracetamol ein und 60% (68 von 114 Teilnehmern) nach der Sequenz BNT162b2 ➔ AZD1222. Eine Krankenhauseinweisung aufgrund dieser Nebenwirkungen erfolgte bei keinem der 463 Studienteilnehmer und weder hämatologische noch biochemische Laborparameter unterschieden sich wesentlich zwischen den homo- bzw. heterologen Impfprogrammen.
Bei der Interpretation dieser Ergebnisse zur Verträglichkeit der homologen bzw. heterologen Impfprogramme mit BNT162b2 bzw. AZD1222 muss berücksichtigt werden, dass nur Personen ab 50 Jahren mit keiner oder milder bis moderater, gut behandelter Komorbidität untersucht wurden, bei denen erfahrungsgemäß weniger Nebenwirkungen nach Impfungen gegen SARS-CoV-2 auftreten.
Eine zweite prospektive Beobachtungsstudie an 340 Mitarbeitern der Charité in Berlin kommt nach einer Interimsanalyse und einer Nachbeobachtung von bislang 15 Wochen dagegen zu der Einschätzung, dass das heterologe Impfschema AZD1222 ➔ BNT162b2 eine gleiche Reaktogenität hat, wie eine homologe Impfung mit BNT162b2 (10). Das muss jedoch kein Widerspruch zu den Ergebnissen aus Com-COV sein, da das mittlere Alter der Studienteilnehmer in Berlin 36 Jahre ist, also um 20 Jahre niedriger. Außerdem erfolgte keine Randomisierung. Daher sind die beiden Berliner Kohorten auch nur bedingt vergleichbar: größerer Anteil von Frauen in der homologen und höheres Durchschnittsalter in der heterologen Impfkohorte. Auch kam ein Vergleich mit einem homologen AZD1222-Impfschema gar nicht zu Stande, da sich die meisten Studienteilnehmer an die Empfehlungen der STIKO halten wollten. Schließlich sind die Auswertungen zur Immunogenität, insbesondere diejenigen 3 Wochen nach der Zweitimpfung (s.u.), eigentlich gar nicht vergleichbar, da der mediane Impfabstand bei homologer Impfung mit BNT162b2 21 Tage beträgt und bei heterologer Impfung mit AZD1222 ➔ BNT162b2 71 Tage.
In Ermangelung besserer Daten zur Immunreaktion sollen die Ergebnisse jedoch kurz referiert werden. Bei 316 Personen liegen Messergebnisse nach Erstimpfung vor, bei 162 nach Zweitimpfung (101 mit 2x BNT162b2, und 61 mit AZD1222 ➔ BNT162b2). Dabei zeigen sich 3 Wochen nach der Erstimpfung mit BNT162b2 sowohl signifikant höhere Anti-S1-IgG-Spiegel als auch eine stärkere T-Zell-Reaktion als mit AZD1222. Drei Wochen nach der Zweitimpfung sind die Antikörperreaktionen dann etwa gleich hoch: mit 2x BNT162b2 99%-Nachweisbarkeit (Anti-S1-IgG-Median: 4,52 S/Co) und mit AZD1222 ➔ BNT162b2 100%-Nachweisbarkeit (Anti-S1-IgG-Median: 5,37 S/Co). Ein hoher (> 60%) anti-S1-IgG Aviditäts-Index wurde bei 90% bzw. 100% gemessen und neutralisierende Antikörper bei 99% bzw. 100%. Die T-Zellantwort war signifikant höher nach heterologer Impfung (AU: 2,25 vs. 1,67 mit 2x BNT162b2; p = 0,0255), wobei hier berücksichtigt werden muss, dass der Abstand zwischen Erst- und Zweitimpfung mehr als dreimal so lange ist. Die Autoren schlussfolgern, richtigerweise mit vielen Einschränkungen, dass eine heterologe Impfung mit AZD1222 ➔ BNT162b2 und einem Impfintervall von 10-12 Wochen bei jüngeren Impflingen gut verträglich und etwa gleich immunogen ist, wie eine homologe Impfung mit BNT162b2.
Eine zweite, bereits von vielen Medien referierte Phase-II-Studie zur heterologen Impfung wird in Spanien durchgeführt und trägt das Akronym CombivacS. In einer Pressekonferenz am 18.5.2021 wurden erste vorläufige Ergebnisse zur Immunogenität vorgestellt (6). Demnach erhielten Personen < 60 Jahre (medianes Alter: 44 Jahre) eine Erstimpfung mit AZD1222 und nach > 8 Wochen entweder Plazebo oder als Zweitimpfung BNT162b2.Bei 663 Personen wurden die neutralisierenden Antikörper gemessen. Dabei habe sich gezeigt, dass die heterologe Impfung zu deutlich höheren Antikörper-Titern führt als in den publizierten Studien mit homologem Impfschema (indirekter Vergleich). Daten zur zellulären Immunität und zur Wirksamkeit sollen folgen, dann auch in einer nachprüfbaren wissenschaftlichen Publikation.
Fazit: Zwischenergebnisse zweier Phase-II-Studien mit begrenzter Teilnehmerzahl und vielen Unsicherheiten weisen darauf hin, dass eine zweifache Impfung gegen SARS-CoV-2, die zwei gentechnologisch unterschiedliche Impfstoffe konsekutiv verwendet (DNA-Vektor- und mRNA-Vakzine, sog. heterologe Impfung), zumindest bei älteren Geimpften eine höhere Reaktogenität hat als eine homologe Impfung. Die induzierte Immunantwort ist etwa gleich, möglicherweise sogar stärker als bei einer homologen Impfung. Personen, bei denen „off label“ heterolog geimpft wird, müssen gründlich über die sehr begrenzten Erfahrungen mit diesem von der STIKO empfohlenen Impfschema mit schriftlicher Dokumentation aufgeklärt werden. Bei heterologer Impfung sollte auch genauer auf immunologische Spätreaktionen geachtet werden.
Literatur
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AMB 2021, 55, 01. Link zur Quelle
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AMB 2021, 55, 36DB01. Link zur Quelle
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Epidemiologisches Bulletin 2021, 19, 24; letzte Aktualisierung 12. Mai 2021. Link zur Quelle
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https://www.pharmazeutische-zeitung.de/ thrombosen-auch-erst-nach-zweiter- -moeglich-125644/ Link zur Quelle
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Shaw, R.H., et al. (Com-COV = Comparing COVID-19 vaccine schedule combinations): Lancet 2021, 397, 2043. Link zur Quelle
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CombivacS: Link zur Quelle
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COVID-19-Impfungen: Anwendungsempfehlungen des Nationalen Impfgremiums, Version 4.0, Stand: 31.5.2021. Link zur Quelle
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https://orf.at/stories/3199688/ Link zur Quelle
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https://www.vienna.at/oesterreich-beendet-corona- impfungen-mit-astrazeneca/6992442 Link zur Quelle
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Hillus, D., et al.: Preprint im BMJ. Zugriff am 9.6.2021. Link zur Quelle