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Rekonvaleszentenplasma in der Therapie von COVID-19-Patienten im Krankenhaus – neue Ergebnisse

Die meisten Ergebnisse zur Wirksamkeit medikamentöser Therapien bei COVID-19-Patienten kommen von der RECOVERY-Plattformstudie mit adaptivem Design. Im Rahmen von RECOVERY haben sich inzwischen mehrere medikamentöse Therapien als klinisch unwirksam bei schwerkranken COVID-19-Patienten erwiesen (z.B. 1, 2). Ausnahmen sind bisher Glukokortikosteroide bei intubierten Patienten (3) sowie anti-IL-6-Wirkstoffe bei Patienten, die sich rasch verschlechterten bzw. bei denen eine hohe entzündliche Aktivität festgestellt wurde und die noch nicht oder erst kurz zuvor intubiert worden waren (4). Auch in die Therapie schwerkranker COVID-19-Patienten mit neutralisierenden monoklonalen Antikörpern (MAK) bzw. Rekonvaleszentenplasma wurde viel Hoffnung gesetzt. Die bisherigen Studienergebnisse hierzu waren jedoch enttäuschend (z.B. 5, 6). Nun wurden Daten einer klinischen Studie zur Behandlung von COVID-19-Patienten mit Rekonvaleszentenplasma aus 177 Krankenhäusern in Großbritannien publiziert (7).

Studiendesign: Die offene randomisierte kontrollierte Studie erfolgte in einer 1:1 Randomisierung. Wenn die lokal verantwortlichen Ärztinnen oder Ärzte die Behandlung mit Rekonvaleszentenplasma als kontraindiziert ansahen oder wenn sie das Plasma nicht rechtzeitig erhalten konnten, wurden die betreffenden Patienten in der Auswertung nicht berücksichtigt. Patienten konnten dann teilweise auch in andere Arme dieser Plattformstudie randomisiert werden, die beispielsweise die Wirksamkeit und Sicherheit von Dexamethason, Acetylsalicylsäure oder Hydroxychloroquin untersuchten. Wenn sich Patienten aus diesen Armen klinisch verschlechterten (zunehmende Hypoxie, hohe Entzündungsaktivität) konnten sie auch in den Arm mit anti-IL6-Wirkstoffen randomisiert werden. Ein Studien-Komitee zur Bewertung der Ergebnisse war hinsichtlich der Therapie verblindet, die lokalen Ärzte aber nicht. Die Gewinnung der Rekonvaleszenten-Plasmen erfolgte über Spender des UK Blutspendewesens (NHS Blood and Transplant, Northern Ireland Blood Transfusion Service, Scottish National Blood Transfusion Service und Welsh Blood Service). Für diese Studie wurden nur Rekonvaleszentenplasmen verwendet, die einen hohen Titer an neutralisierenden Antikörpern gegen das SARS-CoV-2-Spike-Glykoprotein enthielten. Dieser Titer korrelierte gut mit der Neutralisierung des Virus bei einer Verdünnung von 1:100 oder mehr. Die US-amerikanische FDA hat EUROIMMUN-Titer von > 3,5 als hochtitrig bewertet und zur Notfallbehandlung zugelassen (8). Patienten in der Gruppe mit Rekonvaleszentenplasma erhielten die 1. intravenöse Infusion mit jeweils 275 ml (200-350 ml) so schnell wie möglich nach Randomisierung und eine 2. Infusion von einem anderen Spender am folgenden Tag (Mindestabstand: 12 Std.). Frühe Nebenwirkungen wurden in den ersten 72 Std. erfasst, weitere innerhalb von 28 Tagen bzw. bis zum Zeitpunkt der Entlassung aus stationärer Behandlung oder Tod. Der primäre Endpunkt der Studie war das Überleben bis 28 Tage nach Randomisierung. Die Studie wurde mit öffentlichen Mitteln finanziert („UK Research and Innovation, Medical Research Council und National Institute of Health Research).

Ergebnisse: Zwischen Mai 2020 und Januar 2021 waren 11.558 (71%) von 16.287 Patienten für die Studie geeignet und konnten randomisiert werden. Alter, Schweregrad der Erkrankungen, Begleiterkrankungen und die Begleittherapie waren in beiden Gruppen etwa gleich, ebenso die Geschlechtsverteilung und ethnische Gruppen. Es gab keinen Unterschied im primären Endpunkt (28-Tage-Letalität): 1.399 (24%) der 5.795 Patienten in der Gruppe, die Rekonvaleszentenplasma erhalten hatte, und 1.408 (24%) der 5.763 Patienten der Kontrollgruppe starben innerhalb von 28 Tagen (Rate Ratio = RR: 1,00; 95%-Konfidenzintervall = CI: 0,93-1,07; p = 0,95). Die 28-Tage-Letalität war in allen vordefinierten Subgruppen ähnlich, auch bei Patienten, die bei Einschluss schon nachweisbare Antikörper gegen SARS-CoV-2 gebildet hatten. Die Infusion von Rekonvaleszentenplasma hatte keinen signifikanten Einfluss auf den Anteil der Patienten, die bis zum Tag 28 aus dem Krankenhaus entlassen werden konnten: 3.832 = 66% der Patienten in der Rekonvaleszenten-Plasma-Gruppe vs. 3.822 = 66% der Patienten in der Kontrollgruppe (RR: 0,99; CI: 0,94-1,03; p = 0,57). Bei den Patienten, die zum Zeitpunkt der Randomisierung nicht invasiv beatmet werden mussten, gab es keinen Unterschied hinsichtlich der Progression zu Beatmung und Tod in beiden Gruppen (1.568 = 29% der 5.493 Patienten in der mit Rekonvaleszentenplasma behandelten Gruppe vs. 1.568 = 29% der 5.448 Patienten in der Kontrollgruppe (RR: 0,99; CI: 0,93-1,05; p = 0,79). Es fand sich auch kein Vorteil für Patienten der Gruppe, die Rekonvaleszentenplasma erhalten hatte, wenn erst Tage nach Beginn der Symptome stratifiziert wurde.

Fazit: Wie schon in anderen prospektiven Studien ergab sich auch in der RECOVERY-Plattformstudie kein klinischer Vorteil durch die Infusion von Rekonvaleszentenplasma bei Patienten, die mit Symptomen von COVID-19 in ein Krankenhaus aufgenommen wurden. Dies bestätigt erneut die Hypothese, dass nach dem Auftreten von COVID-19-Symptomen eine antivirale Strategie nicht mehr wirksam ist und der weitere Verlauf vor allem durch körpereigene Immunreaktionen bestimmt wird. Weitere Studien müssen prüfen, ob Rekonvaleszentenplasma oder neutralisierende monoklonale Antikörper bei frisch infizierten, nicht geimpften Patienten mit hohem Risiko für einen schweren Verlauf vorteilhaft sind.

Literatur

  1. AMB 2020, 54, 72. Link zur Quelle
  2. AMB 2020, 54, 95. Link zur Quelle
  3. AMB 2020, 54, 79. Link zur Quelle
  4. AMB 2021, 55, 49. Link zur Quelle
  5. AMB 2020, 54, 50. Link zur Quelle
  6. AMB 2021, 55, 08a. Link zur Quelle
  7. RECOVERY = Randomised Evaluation of COVID-19 thERapY: Lancet 2021, 397, 2049. Link zur Quelle
  8. US Department of Health and Human Services Food and Drug Administration. Letter of Authorization, Reissuance of Convalescent Plasma EUA. 2021. Link zur Quelle