Die Pathophysiologie des Eisenmangels (EM), der bei chronischen Erkrankungen häufig besteht, ist komplex (vgl. [1]). Bei Patienten mit Herzinsuffizienz (HI) wird bei 40-50% mit chronischer und bei bis zu 80% mit akuter HI ein EM diagnostiziert [2]. Meist liegt dabei aber kein absoluter, sondern ein relativer EM vor (vgl. [3]).
In den gültigen HI-Leitlinien der Europäischen Kardiologischen Gesellschaft (ESC) wird der Behandlung des EM sehr viel Platz eingeräumt [2]. Der Begriff „iron deficiency“ findet sich im Fließtext 33 Mal und der Wirkstoff Eisen-Carboxymaltose 12 Mal. Die ESC empfiehlt, alle symptomatischen HI-Patienten mit einer linksventrikulären Auswurffraktion (LVEF) ≤ 50% und kürzlich zurückliegender stationärer Behandlung wegen HI auf eine Anämie und einen EM zu untersuchen (Empfehlungsgrad I) und diesen ggf. mit intravenöser Eisen-Carboxymaltose zu behandeln (Empfehlungsgrad IIa). Orale Eisengaben sind ja bekannterweise wirkungslos (vgl. [4]). Folgt man diesen Empfehlungen, dann müssten viele Tausende HI-Patienten dieses Medikament erhalten; deshalb kam vermutlich kaum eine kardiologische Fachzeitschrift in den letzten Jahren ohne entsprechende Werbung ins Haus.
Als Definition für einen EM wird in den Leitlinien der ESC und in den meisten Studien ein Ferritin-Wert < 100 ng/ml oder ein Ferritin von 100-299 ng/ml mit einer Transferrinsättigung (TSAT) < 20% verwendet. Wir haben mehrfach darauf hingewiesen, dass ein niedriger Ferritinwert allein nicht ausreichend ist, um zwischen relativem und absolutem EM zu unterscheiden und dass Eisengaben bei relativem EM pathophysiologisch sinnlos sind (vgl. [3]).
Die Empfehlungen der ESC zur parenteralen Eisenbehandlung werden mit den Ergebnissen von 4 Studien begründet (FAIR-HF, CONFIRM-HF, EFFECT-HF und AFFIRM-HF). Wir haben über zwei dieser Studien berichtet und deren Ergebnisse skeptisch beurteilt: „die positiven Ergebnisse beziehen sich (…) ausnahmslos auf „weiche“ Endpunkte, wie Verbesserungen von Körperfunktionen in der Selbstbewertung, NYHA-Klasse und Verbesserungen im Sechs-Minuten-Gehtest. Zudem gibt es viele Kritikpunkte an der Durchführung dieser Studien und Zweifel an der Unabhängigkeit der Autoren“ (vgl. [3]). Die gültigen US-amerikanischen HI-Leitlinien aus dem Jahre 2017 sind bezüglich der Eisengaben zurückhaltender (nur IIb-Empfehlung). Dort werden Studien gefordert, die positive Effekte auf harte klinische Endpunkte nachweisen [5]. Dieser Nachweis schien mit der 2020 publizierten AFFIRM-HF-Studie erbracht [6]. In dieser Studie mit 1.132 stationär wegen akuter HI behandelten Patienten mit einer LVEF < 50% führte die Behandlung mit Eisen-Carboxymaltose innerhalb eines Jahres zu einer signifikanten Abnahme der Krankenhauseinweisungen aufgrund von Herzinsuffizienz (32% vs. 38%; Relatives Risiko = RR: 0,80; 95%-Konfidenzintervall = CI: 0,66-0,98; p = 0,03). Die kardiovaskuläre Mortalität blieb unbeeinflusst: 14% in beiden Armen. In dieser Studie hatten 83% eine TSAT < 20% und 72% ein Ferritin < 100 ng/ml, also die Mehrzahl wohl einen absoluten EM.
Im August 2023 wurde auf dem Jahreskongress der ESC die HEART-FID-Studie vorgestellt und zeitgleich publiziert [7]. Das Ergebnis dieser bislang größten multizentrischen, randomisierten, plazebokontrollierten Studie stellt die positiven Ergebnisse von AFFIRM-HF in Frage.
Studiendesign: Eingeschlossen werden konnten ambulante und klinisch stabile Patienten mit HI, einer LVEF ≤ 40%, einem Hämoglobinwert (Hb) > 9 g/dl und einem EM gemäß der o.g. Definition. Die Patienten mussten innerhalb der letzten 12 Monate einmal wegen HI stationär behandelt worden sein. Sie erhielten zusätzlich zur Standard-HI-Therapie entweder Plazebo oder Eisen-Carboxymaltose in einer gewichtsadaptierten Dosis (je 2 Infusionen im Abstand von 7 Tagen und danach alle 6 Monate auf Basis von Hb- und Eisenwerten). Primärer Studienendpunkt waren Todesfälle oder Krankenhausaufenthalte wegen HI innerhalb von 12 Monaten sowie die Veränderungen in der 6-Minuten-Gehstrecke innerhalb von 6 Monaten.
Ergebnisse: Von 2017-2021 wurden 8.195 Personen gescreent und davon 3.065 eingeschlossen (37%). Von den Studienpatienten kamen 47% aus Nordamerika, 46% aus Europa und 6,8% aus Asien. Sie waren im Mittel 68,6 Jahre alt, 66% waren Männer, und 86% hatten weiße Hautfarbe, 40% hatten eine TSAT < 20% und 96% einen Ferritin-Wert < 100 ng/ml. Die mittlere LVEF betrug 30%, der mediane NTproBNP-Wert 1.450 pg/ml. Klinisch befanden sich 53% bei Studienbeginn in NYHA-Klasse II und 46% in Klasse III. Die medikamentöse Basistherapie war offenbar sehr gut: 92% Betablocker, 55% Mineralokortikoid-Rezeptorantagonisten, 59% RAAS-Hemmer, 30% Sacubitril/Valsartan, 7,5% SGLT2-Hemmer. Die Studienteilnehmer erhielten im Median 6 Infusionen mit der Studienmedikation; 821 Personen (26,7%) brachen die Studie vorzeitig ab.
Nach „Intention to treat“ ergab sich nach 12 Monaten kein signifikanter Vorteil durch die Infusionen von Eisen-Carboxymaltose, weder hinsichtlich der Mortalität (8,6% vs. 10,3%), noch bei den Krankenhausaufnahmen wegen HI (19,4% vs. 21,7%). Auch bei der Gehstrecke gab es nach 6 Monaten keinen relevanten Unterschied (+8 vs. +4 Meter). Der kombinierte Endpunkt war nach hierarchischer Bewertung mit Hilfe der sog. „win ratio“ nicht signifikant unterschiedlich. Auch in den Analysen vieler Subgruppen fand sich keine, die von den Eiseninfusionen mehr oder weniger profitiert hätte, darunter u.a. auch Patienten mit leichter Anämie oder chronischer Niereninsuffizienz. Nur bei Personen ≥ 65 Jahren wurde ein leichter Vorteil für den kombinierten Endpunkt errechnet: Hazard Ratio: 0,82; CI: 0,70-0,97. Auch bei den sekundären Endpunkten zeigte sich kein Vorteil durch die Eiseninfusionen.
Unerwünschte Ereignisse waren in beiden Gruppen gleich häufig (27,0% bzw. 26,2%). In der Gruppe mit Eisen-Carboxymaltose wurden 2 Angioödeme gemeldet und 5 allergische Reaktionen (0,45%).
Diskussion: Die Autoren nennen als mögliche Erklärungen für das für sie enttäuschende Ergebnis der Studie das vergleichsweise geringe Grundrisiko der Studienpopulation, die gute Basismedikation und die COVID-19-Pandemie. Letztere könnte die Hospitalisierungsrate gesenkt haben. Im begleitenden Kommentar zur Studie [8] wird aber noch auf einen weiteren und aus unserer Sicht wichtigsten Punkt hingewiesen. Die mittlere TSAT war in HEART-FID mit 23% höher als in den vorherigen Studien (z.B. AFFIRM-HF 15,5%). Entsprechend dürfte der Anteil der Patienten mit absolutem EM geringer gewesen sein. Bei Patienten mit niedrigem Ferritin und einer TSAT > 20% lässt sich mittels der Knochenmarkfärbung (methodischer Goldstandard) oft gar kein EM nachweisen. Diese Patienten haben ein geringeres Risiko für eine Krankenhauseinweisung wegen HI [9] und wahrscheinlich gar keinen Nutzen von Eiseninfusionen [10]. Die Kommentatoren schlagen vor, bei Patienten mit HI die Definition eines EM neu zu fassen und die vorliegenden Studiendaten damit erneut zu analysieren. Hierzu müssten die Studiensponsoren und Rechteinhaber jedoch die Rohdaten für eine unabhängige Nachuntersuchung öffnen. Dies ist nach aller Erfahrung aber ziemlich unrealistisch.