Studien, die unabhängig von der Pharmaindustrie initiiert und durchgeführt werden, sind im Bereich der Pharmakotherapie eher selten. Noch seltener sind prospektive randomisierte Studien bei seltenen Erkrankungen, wie hier zur Therapie des Morbus Whipple, in der die Patienten ca. 10 Jahre lang eingeschleust und nach Therapieende noch mindestens 2 Jahre nachbeobachtet wurden [1].
Der Morbus Whipple hat eine Inzidenz von ca. 1:1.000.000 und betrifft vorwiegend ältere Männer [2]. Die Erkrankung wurde von dem Pathologen George Hoyt Whipple bereits 1907 anhand von Sektionsergebnissen beschrieben. Whipple erhielt 1934 den Nobelpreis für Medizin/Physiologie für seine Untersuchungen zum Vitamin-B12-Stoffwechsel.
Der klassische Morbus Whipple ist eine systemische Infektion mit dem streng ans intrazelluläre Leben angepassten Bakterium Tropheryma whipplei [2]. Die chronische Infektion kann jedes Organ befallen und führt unbehandelt zum Tod. Häufig führen wechselnde Gelenkbeschwerden oder chronischer Durchfall zur Diagnose, die allerdings im Mittel erst nach 5-10 Jahren gestellt wird; das mediane Alter der Patienten zum Zeitpunkt der Diagnose liegt bei 55 Jahren [2]. Besonders schwerwiegend und nicht immer reversibel ist die Manifestation am Zentralnervensystem, wie kognitive Störungen, Ophthalmoplegie und Myokloni [2]. Die Diagnose erfolgt nach wie vor über den Nachweis von PAS (Periodic-Acid-Schiff)-positiven Zellen in der Lamina propria bioptisch gewonnener Dünndarmschleimhaut. Mit der PAS-Färbung werden die Erreger in den massenhaft eingewanderten Makrophagen erkennbar. Mittels PCR kann die Diagnose auch aus anderen Geweben oder sterilen Flüssigkeiten (Gelenkflüssigkeit oder Liquor) gestellt werden [2]. Stuhluntersuchungen mittels PCR sind diagnostisch nicht zielführend, denn der Erreger wird auch von vielen Gesunden ausgeschieden.
Durch die bisher einzige klinische Studie wurde eine intravenöse Induktionstherapie mit Ceftriaxon oder Meropenem für 14 Tage, gefolgt von Trimethoprim-Sulfamethoxazol (Cotrimoxazol) oral als wirksam belegt [3]. Neuere Strategien, die aus den Erfahrungen bei anderen intrazellulären Erregern, wie beispielsweise Q-Fieber stammen, unterstützten die Möglichkeit, dass eine ausschließlich orale Kombinationstherapie aus Hydroxychloroquin und Doxycyclin beim Morbus Whipple genauso wirksam sein könnte [4]. Die Idee einer verbesserten Wirkung von Doxycyclin durch Hydroxychloroquin, kommt durch experimentelle Untersuchungen, die gezeigt haben, dass das Hydroxychloroquin den ph-Wert in den Phagolysosomen anhebt und dadurch die antibakterielle Wirkung des Doxycyclins vor Ort steigert [5], [6], [7]. Im Rahmen der 14-tägigen intravenösen Induktionstherapie bei den meist älteren Patienten besteht das Risiko von Blutstrominfektionen und weiterer Risiken, die mit stationären Aufenthalten verbunden sind, wie z.B. nosokomiale Infektionen oder auch Verschlechterung einer bestehenden Demenz. Zur rein oralen Therapie des Morbus Whipple wurde nach langen Jahren der Rekrutierung und Nachbeobachtung nun eine Studie publiziert [2].
Methodik: Diese prospektive, randomisierte, kontrollierte, offene, praxis-orientierte Phase-II/III-Studie wurde 2010 in Deutschland begonnen und schloss die Patienten über 10 Jahre ein. Alle mussten einen pathologisch und klinisch gesicherten Morbus Whipple haben. Eine Gruppe wurde – wie etabliert – behandelt: intravenöse Induktionsphase für 14 Tage mit Ceftriaxon gefolgt von 12 Monaten Cotrimoxazol (960 mg einmal täglich). Die andere Gruppe wurde ausschließlich oral behandelt: Doxycyclin (100 mg zweimal täglich) plus Hydroxychloroquin (200 mg zweimal täglich) für 12 Monate. Patienten der Gruppe mit rein oraler Therapie, die bei Diagnosestellung eine positive PCR im Liquor auf T. whipplei hatten, mussten fünfmal 960 mg Cotrimoxazol pro Tag einnehmen bis die PCR im Liquor negativ geworden war.
Der primäre Endpunkt war eine komplette Remission ohne Rezidiv bis zum Ende der Nachbeobachtungszeit von 2 Jahren nach Ende der 12-monatigen Therapie. Der Endpunkt war aus klinischen (Bewertung der Symptome durch Patient und Arzt) wie Laborwerten (CRP und Hb) zusammengesetzt. Die vorher festgelegte Grenze für die Nicht-Unterlegenheit der rein oralen Therapie war -18%. Alle potenziellen Nebenwirkungen wurden erfasst.
Ergebnisse: Zwischen 2010 und Ende 2018 wurden 310 Patienten evaluiert; von ihnen konnten 64 in die Studie eingeschlossen werden. Im Verlauf mussten 4 Patienten ausgeschlossen werden, da sich die Diagnose nicht bestätigte. Insgesamt wurden per Protokoll 29 Patienten in der Gruppe mit rein oraler Therapie und 31 in der Gruppe mit intravenöser Induktionsphase behandelt. Zwei Patienten in der intravenösen Gruppe starben an nosokomialen Infektionen. Bei den Patienten der oralen Gruppe wurde eine Heilung ohne Rezidiv in der Nachbeobachtungszeit bei 28 (97%) und in der intravenösen Gruppe bei 25 (81%) erreicht. Die Risikodifferenz betrug 15,9 Prozentpunkte (95%-Konfidenzintervall: -1,2 bis +33,1). Somit lag die untere Grenze für die Nicht-Unterlegenheit der reinen oralen Therapie deutlich innerhalb der festgelegten Grenze von -18%. Unerwünschte Ereignisse traten bei 8 (28%) in der oralen Gruppe und bei 13 (42%) in der intravenösen Gruppe auf. Dieser Unterschied war statistisch nicht signifikant (p = 0,244).