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Angiotensin-II-Rezeptor-Blocker bei Herzinsuffizienz. Die CHARM-Studien

Zusammenfassung: Die CHARM-Studie ist ein Beispiel dafür, wie mittels Mehrfachpublikation versucht wird, die Evidenz für die Wirksamkeit einer Substanz zu steigern. Der Lancet hat sich mit dem Abdruck von CHARM in der vorliegenden Art und Weise leider nicht vorbildlich verhalten. Die Autoren sind ohne Ausnahme vom Hersteller der untersuchten Substanz abhängig, und es muß auch von einem relevanten „Selektionsbias“ ausgegangen werden, was eine Verallgemeinerung der Ergebnisse erschwert. Inhaltlich bietet die CHARM-Studie wenig Neues. Der AT-II-RB Candesartan ist bei Herzinsuffizienz ein wirksamer Ersatz bei Unverträglichkeit eines ACE-Hemmers. Die zusätzliche Gabe von Candesartan zu einem ACE-Hemmer ist nur begrenzt effektiv (NNT: 85/Jahr) und kann aus Kosten- und Sicherheitsgründen nicht generell empfohlen werden. Schließlich hat die Gabe eines AT-II-RB bei nur gering eingeschränkter LV-Funktion zumindest in den ersten Jahren offenbar keinen entscheidenden Einfluß auf die Prognose von Patienten mit Herzinsuffizienz. Dieser Befund ist etwas unerwartet und bedarf noch weiterer Bearbeitung. Man kann sicher sein, daß die umtriebigen Autoren noch viel von sich und CHARM hören lassen werden.

Der Kommentator bezeichnet die kürzlich im Lancet auf 23 Seiten veröffentlichten CHARM-Studien als das größte Studienprogramm, das je bei herzinsuffizienten Patienten unternommen wurde (1). Dies scheint in Anbetracht der vielen ACE-Hemmer-Studien aus den 90er Jahren etwas übertrieben (2).

Hintergrund dieses zweifelsohne kostspieligen Programms ist, daß die Angiotensin-II-Rezeptor-Blocker (AT-II-RB) sich nicht so gut auf dem medikamentösen Herzinsuffizienz-Markt behaupten, wie dies erwartet wurde. Bislang haben nämlich die Studien keine wesentliche Verbesserung der Prognose herzinsuffizienter Patienten gegenüber den ACE-Hemmern nachweisen können (3, 4). Da die AT-II-RB aber teurer sind, hatten wir sie daher nur bei einer Unverträglichkeit von ACE-Hemmern empfohlen.

Die von AstraZeneca bezahlten CHARM-Studien werden unser Urteil über die Indikationsstellung der AT-II-RB bei Herzinsuffizienz kaum ändern; sie dienen aber in einigen Punkten einer gewissen Klärung ihrer Indikationen. Die CHARM-Untersucher aus Nordamerika und Schweden schlossen multizentrisch insgesamt 7601 herzinsuffiziente Patienten ein, die den AT-II-RB Candesartan (Atacand, Blopress) oder Plazebo erhielten (5-8). Diese Patienten repräsentieren drei klinische Situationen und wurden in drei parallele ”integrierte” Substudien verteilt: 1. Patienten mit einer linksventrikulären Ejektionsfraktion (LVEF) < 40%, die mit einer bereits optimalen Dosis ACE-Hemmer behandelt waren und zusätzlich den AT-II-RB oder Plazebo erhalten sollten (CHARM-Added, n = 2548); 2. Patienten mit einer LVEF < 40%, die einen ACE-Hemmer nicht vertrugen (CHARM-Alternative, n = 2028); und 3. Patienten mit einer LVEF > 40% (CHARM-Preserved, n = 3025). Die Gesamtanalyse aller Patientendaten wurde als CHARM-Overall publiziert.

Bei allen vier Publikationen finden sich die gleichen neun Autoren, jeweils in unterschiedlicher Reihenfolge. Drei der Autoren sind Angestellte von AstraZeneca, die übrigen erhielten Forschungsgelder oder fungieren als Berater der Firma. Das Datenmanagement, die Analyse und die Interpretation der Studienergebnisse oblag bis auf eine Nachprüfung durch ein offenbar unabhängiges Institut komplett AstraZeneca. Neben der aufgeblähten Veröffentlichung in vier Studien (Publikationsbias) sind also auch die Abhängigkeit der Autoren und der Umgang mit den Studiendaten kritische Punkte.

Eingeschlossen wurden Patienten mit symptomatischer Herzinsuffizienz (NYHA Klasse II-IV). Ausschlußkriterien waren u.a. ein Kreatininwert > 265 µmol/l (> 3 mg/dl) oder eine symptomatische Hypotension. Bei den relativ weiten Einschlußkriterien wurden in 618 Studienzentren (!) in zwei Jahren nur 7601 Patienten rekrutiert, durchschnittlich also sechs Patienten pro Jahr und Zentrum; dies muß als methodisch ungünstig kritisiert werden (möglicher Selektionsbias).

Die Zieldosis für Candesartan betrug 32 mg/d. Es folgten routinemäßige klinische Visiten alle vier Monate. Die Nachbeobachtung betrug mindestens zwei Jahre, im Mittel 37,7 Monate. Sie war mit 99,9% nahezu vollständig. Primärer Studienendpunkt von CHARM-Overall war Tod. In den drei Substudien war der primäre Endpunkt eine Kombination aus kardiovaskulärem Tod oder eine ungeplante Krankenhausaufnahme wegen Herzinsuffizienz. Sekundäre Endpunkte waren: nicht-tödlicher Herzinfarkt, nicht-tödlicher Schlaganfall, erforderliche koronare Revaskularisationsmaßnahmen und die Entwicklung eines Diabetes mellitus. Die CHARM-Patienten waren im Mittel 66 Jahre alt; etwa ein Viertel war 75 Jahre oder älter, 30% waren Frauen. Die Ursache der Herzinsuffizienz war überwiegend eine koronare oder eine hypertensive Herzkrankheit. 45% der Patienten befanden sich bei Studienbeginn in NYHA Klasse II, 52% in Klasse III und 2,5% in Klasse IV; 28,5% waren Diabetiker. Die medikamentöse Basistherapie oblag den behandelnden Ärzten und spiegelt die gängige Praxis wieder. Die Abweichungen zwischen den einzelnen Substudien erklären sich aus den jeweiligen Einschlußkriterien (s. Tab.1).

Ergebnisse: In CHARM-Added (6) nahmen nach Angaben der Untersucher bereits 96% eine optimale Dosis ACE-Hemmer ein. 61% erreichten in der Verum-Gruppe die angestrebte Zieldosis des additiven Candesartan. Die Zugabe des AT-II-RB führte zu einer mäßigen Verbesserung der Prognose gegenüber Plazebo (Tab. 2). Dieser Befund war in den untersuchten Subgruppen stabil und wurde auch bei Patienten beobachtet, die mit einem Betablocker behandelt waren (die Val-HeFT-Studie hatte bei dieser Kombination einen Nachteil gefunden; 4). In der Candesartan-Gruppe wurden weniger Myokardinfarkte beobachtet als mit Plazebo (3,4% vs. 7,5%, p = 0,012); die übrigen untersuchten sekundären Endpunkte unterschieden sich nicht in den beiden Gruppen.

25% der Patienten hatten am Studienende Candesartan abgesetzt (18% das Plazebo), zumeist wegen unerwünschter Arzneimittelwirkungen (UAW). Bei 7% kam es unter Candesartan zu einer kritischen Kreatininerhöhung (Verdopplung des Ausgangswerts) und bei 6% trat dies mit Plazebo ein. Besonders gefährdet waren Patienten, die zum Candesartan zusätzlich Spironolacton einnahmen (11% Kreatininverdopplung).

In CHARM-Alternative (7) finden sich die Patienten, die einen ACE-Hemmer nicht vertrugen. Die Ursachen hierfür waren: Husten (72%), Hypotension (13%), Niereninsuffizienz (12%), Angioödem/Anaphylaxie (4,1%). Candesartan wurde bei 59% dieser Patienten in den Zielbereich dosiert und demnach gut vertragen. 30% setzten Candesartan jedoch im Studienverlauf ab (29% das Plazebo), in etwa der Hälfte der Fälle wegen objektiver UAW: Hypotension 3,7%, kritische Kreatininerhöhung (6,1%), Hyperkaliämie (1,9%), Husten (0,2%), Angioödem (0,1%).

Candesartan führte zu einer deutlichen Abnahme des kombinierten Endpunkts (Tab. 2) etwa in dem Ausmaß, wie er von einem ACE-Hemmer zu erwarten gewesen wäre (3, 9). Unerklärt ist, warum in dieser Population unter Candesartan signifikant häufiger ein Myokardinfarkt eintrat als unter Plazebo (7,2% vs. 4,7%; n = 0,025). Die übrigen untersuchten sekundären Endpunkte traten in beiden Gruppen gleich häufig ein.

In CHARM-Preserved (8) finden sich die Patienten mit einer LVEF > 40%. Nur etwa ein Fünftel dieser Patienten bekamen zu Studienbeginn und auch am Studienende einen ACE-Hemmer (s. Tab. 1). Der klinische Effekt durch die Zugabe von Candesartan war im Vergleich zu Plazebo zunächst nicht signifikant (s. Tab. 2). Erst durch die mathematische Adjustierung an vorbestehende Risikofaktoren wurde eine Verminderung der Krankenhausaufnahmen durch den AT-II-RB signifikant. Auch bei den sekundären Endpunkten und in den untersuchten Subgruppen fanden sich nur nicht-signifikante Trends zu Gunsten von Candesartan. UAW wurden häufiger in der Candesartan-Gruppe beobachtet (17,8% vs. 13,5%).

Schließlich ergab die Auswertung aller Daten (CHARM-Overall; 5) keinen Unterschied zwischen dem AT-II-RB und Plazebo beim gewählten primären Endpunkt Tod (23% vs. 25% zu Gunsten von Candesartan; p = 0,055). Allerdings waren die kombinierten sekundären Endpunkte, quasi als Summation der Ergebnisse aus den drei Substudien, insgesamt positiv für Candesartan (s. Tab. 2). Bis auf den etwas seltener aufgetretenen Diabetes mellitus (6% vs. 7%) wurde bei keinem der vordefinierten Einzelereignisse (Myokardinfarkt, Schlaganfall, Koronarintervention) ein Vorteil des AT-II-RB gegenüber Plazebo beobachtet.

Literatur

  1. White, H.D.: Lancet 2003, 362, 754.
  2. AMB 1996, 30, 21.
  3. AMB 2001, 35, 73.
  4. Cohn, J.N., et al. (Val-HeFT = Valsartan Heart Failure Trial): N. Engl. J. Med. 2001, 345, 1667; s.a. AMB 2002, 36, 19.
  5. Pfeffer, M.A., et al. (CHARM-Overall = Candesartan in Heart failure Assessment of Reduction in Mortality and morbidity-Overall): Lancet 2003, 362, 759.
  6. McMurray, J.J.V., et al. (CHARM-Added = Candesartan in Heart failure Assessment of Reduction in Mortality and morbidity-Added): Lancet 2003, 362, 767.
  7. Granger, C.B., et al. (CHARM-Alternative = Candesartan in Heart failure Assessment of Reduction in Mortality and morbidity-Alternative): Lancet 2003, 362, 772.
  8. Yusuf, S., et al. (CHARM-Preserved = Candesartan in Heart failure Assessment of Reduction in Mortality and morbidity-Preserved): Lancet 2003, 362, 777.
  9. SOLVD = Studies Of Left Ventricular Dysfunction: N. Engl. J. Med. 1991, 325, 293.

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