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Therapie der Lepra und der Lepra-Neuropathie

Im Brit. Med. J. erschienen kürzlich zwei Artikel zur Therapie der Lepra (1, 2), einer der wichtigsten chronischen Infektionskrankheiten warmer Länder, die im Mittelalter auch in unseren Breiten bei den Betroffenen zu katastrophalen Folgen geführt hat. Weltweit sind ca. 1,2 Mio. Menschen an Lepra erkrankt, die meisten davon in Indien, und jährlich erkranken ca. 700000 neu. Die Krankheit wird in den meisten Fällen vermutlich ausschließlich von Mensch zu Mensch übertragen, wobei Nasensekret eine besondere Rolle spielt.

D.N.J Lockwood und B. Kumar aus Indien (1) geben eine Übersicht über die Therapie der tuberkuliden Lepra, die fast immer auch periphere Nerven involviert. Zwischen dieser Form und der knotenbildenden lepromatösen Lepra, die die Nerven weniger befällt, gibt es Übergänge. Man unterscheidet nach Zahl der Bakterien (Mycobacterium leprae) und nach Zahl der befallenen Hautpartien pauzibazilläre und multibazilläre Verlaufsformen bzw. Stadien der Erkrankung. Die von der WHO empfohlene Standardtherapie besteht in der Kombination von Rifampicin (R), Clofazimin (Lampren® = C) und Dapsone (D). R wird einmal monatlich (600 mg) verabreicht, von D täglich 100 mg und von C einmal monatlich 300 mg. Bei Patienten mit der multibazillären Form wird zusätzlich täglich 50 mg Clofazimin gegeben. Für die letztere, schwere Form werden 24 Monate Therapie, für die pauzibazilläre sechs Monate empfohlen. Die Patienten gelten schon wenige Tage nach Therapiebeginn als nicht mehr infektiös. Selbst bei Einhaltung dieser Empfehlungen kann es bei 1-2% der Kranken noch nach Jahren zu Rezidiven kommen, so daß genaue und regelmäßige Nachuntersuchungen sehr wichtig sind. Gute Kurzzeitergebnisse wurden auch mit der Kombination Rifampicin plus Ofloxacin plus Minocyclin erzielt, jedoch ist die Wirksamkeit auf längere Sicht noch nicht genügend bekannt.

Die im Spätstadium bei ausbleibender oder unzureichender Behandlung oft auftretenden Mutilationen der Extremitäten sind durch eine Neuropathie verursacht, die über den Sensibilitätsverlust zu Verletzungen, trophischen Störungen und Infektionen führt. Auch werden motorische Nerven befallen mit peripheren Lähmungen. Die Neuropathie ist Ausdruck einer immunologischen Reaktion. Größere Nerven können verdickt getastet werden. Standardtherapie der leprösen Neuropathie ist die Gabe von Kortikosteroiden, meist beginnend mit 40-60 mg Prednisolon/d. In einer in Indien, Bangladesch und Nepal durchgeführten Prophylaxe-Studie mit „Low-dose”-Prednisolon versuchten W.C.S. Smith et al. (2) zu klären, ob sich der Entwicklung einer Neuropathie bei neu entdeckter Lepra vorbeugen läßt. 636 Personen (15-50 Jahre alt) erhielten die WHO-Standardtherapie und gleichzeitig vier Monate lang Plazebo oder drei Monate lang 20 mg Prednisolon/d, gefolgt von einem Monat „Ausschleichen” von Prednisolon. Nach vier Monaten zeigte sich, daß Prednisolon bei Patienten, die bei Einschluß noch keine Sensibilitätsstörungen hatten, das Neuauftreten solcher Störungen effektiv verhindert. Prednisolon war weniger wirksam, wenn bei Einschluß schon eine Neuropathie diagnostiziert worden war. Nach 12 Monaten (Ende der Studie, aber nicht der Standardtherapie) waren die Ergebnisse weniger günstig, d.h. der protektive Effekt einer viermonatigen Prednisolontherapie war weitgehend verflogen. Vermutlich setzt sich die zur Nervenschädigung führende immunologische Reaktion noch weiter fort, selbst wenn schon (fast) alle Mykobakterien abgetötet sind. Durch eine a priori höher dosierte oder eine länger fortgesetzte niedrig dosierte Prednisolon-Therapie könnte man die Neuropathie wahrscheinlich besser verhindern, jedoch bestehen hiergegen wegen häufiger bakterieller Infekte und Zoonosen bei Patienten der betroffenen Regionen berechtigte Bedenken. Eine weitere Therapieoption ist Thalidomid bei multibazillärer lepromatöser Lepra mit rezidivierenden schweren Episoden eines Erythema nodosum leprosum, das schlecht auf Kortikosteroide anspricht. Die Behandlung ist gut zu kontrollieren, speziell bei prämenopausalen Frauen (1, 3).

Fazit: Die Lepra, im Altertum und im Mittelalter eine Geißel auch in Europa, gibt es immer noch. Sie ist in den betroffenen Regionen zwar erfreulicherweise im Abnehmen, für Betroffene im fortgeschrittenen Stadium jedoch quälend, entstellend und ausgrenzend. Auch nach Elimination der Mykobakterien durch Chemotherapie kann die lepröse Neuropathie noch fortschreiten. Die Behandlung mit Prednisolon ist der (unvollkommene) Standard.

Literatur

  1. Lockwood, D.N.J., und Kumar, B.: Brit. Med. J. 2004, 328, 1447.
  2. Smith, W.C.S., et al. (TRIPOD 1): Brit. Med. J. 2004, 328, 1459.
  3. Lockwood, D.N.J., und Bryceson, A.D.B.: Lepr. Rev. 2003, 74, 290.