Wiederholte Fehlgeburten betreffen 1-2% der Frauen mit Kinderwunsch und sind häufig mit erheblichem Leiden verbunden (1). Als wiederholte Fehlgeburten bezeichnet man klassischerweise drei und mehr konsekutive Fehlgeburten vor der 20. Schwangerschaftswoche. Es gibt jedoch auch andere Definitionen. Die American Society for Reproductive Medicine bezeichnet z.B. zwei oder mehr konsekutive Spontanaborte einer sonographisch oder histopathologisch nachgewiesenen Schwangerschaft als habituelle Fehlgeburten, die nach dem dritten Abort eine gründliche Untersuchung erfordern (2).
Als Ursache von Spontanaborten wurden u.a. genetische, anatomische, mikrobiologische und endokrine Faktoren identifiziert. Meist bleibt die Ursache jedoch unklar (1, 3). Bei 7-25% der Frauen liegt den Fehlgeburten ein Antiphospholipid-Syndrom zu Grunde (1). Bei diesem kommt es durch Antiphospholipid-Antikörper zu einer stärkeren Gerinnbarkeit (Hyperkoagulabilität) des Blutes und häufig zu Thrombosen. Azetylsalizylsäure (ASS) und Heparin scheinen bei diesen Frauen die Chance auf einen günstigen Schwangerschaftsverlauf zu verbessern (1). Die Vorstellung, dass Blutgerinnsel in den Gefäßen, die die Plazenta versorgen, Fehlgeburten verursachen könnten und der mögliche Nutzen einer antithrombotischen Behandlung bei Patientinnen mit Antiphospholipid-Syndrom haben dazu geführt, dass diese trotz fehlender Evidenz zunehmend auch bei Frauen eingesetzt wird, bei denen die Ursache der habituellen Aborte unklar ist (3).
Nun wurden die Ergebnisse zweier randomisierter Studien veröffentlicht, die keine Wirksamkeit einer antithrombotischen Therapie bei habituellen Aborten unklarer Ursache zeigen (4, 5). In der SPIN-Studie (4) aus Großbritannien und Neuseeland erhielten 294 Frauen mit zwei oder mehr aufeinander folgenden Fehlgeburten randomisiert entweder eine intensive Schwangerschaftsüberwachung oder eine Kombination aus einer intensiven Schwangerschaftsüberwachung plus Enoxiparin (40 mg/d s.c.) plus ASS (75 mg/d p.o.) ab dem Zeitpunkt der Randomisierung (24. Schwangerschaftswoche oder früher) bis zur 36. Schwangerschaftswoche. Primärer Endpunkt der Studie war die Zahl der Spontanaborte. Bei den 147 Patientinnen, die eine pharmakologische Intervention erhielten, traten 32 (= 22%) Spontanaborte auf, bei den 147 Patientinnen ohne pharmakologische Intervention 29 (= 20%; Odds Ratio: 0,91; 95%-Konfidenzintervall = CI: 0,52-1,59).
In der ALIFE-Studie (5) wurde untersucht, ob ASS (80 mg/d p.o.) kombiniert mit niedrigmolekularem Heparin (Nadroparin 2850 IU/d s.c.; Fraxiparin®) bzw. ASS allein (80 mg/d p.o.) verglichen mit Plazebo die Rate der Lebendgeburten (primärer Endpunkt) bei Frauen mit habituellen Aborten (≥ 2 Spontanaborte) unklarer Genese verbessern kann. ASS wurde ab dem Zeitpunkt der Randomisierung gegeben, niedrigmolekulares Heparin ab der sechsten Schwangerschaftswoche nach Sicherung einer entwicklungsfähigen Schwangerschaft. Von 364 Frauen, die randomisiert worden waren, wurden 299 (82,1%) schwanger; davon bekamen 197 (65,9%) ein Kind. Die Studie wurde vorzeitig abgebrochen, als das Ergebnis feststand: zwischen den drei Studiengruppen gab es keinen statistisch signifikanten Unterschied in der Rate der Lebendgeburten. Bei Frauen, die schwanger wurden, betrug die Lebendgeburtrate 69,1% in der Gruppe mit der Kombinationstherapie, 61,6% in der Gruppe mit ausschließlich ASS und 67,0% in der Plazebo-Gruppe (Relatives Risiko: 1,03; CI: 0,85-1,25 bzw. 0,92; CI: 0,75-1,13 vs. 1,00). Eine post-hoc durchgeführte Per-Protokoll-Analyse ergab ähnliche Ergebnisse. Auch in Subgruppenanalysen ergaben sich keine positiven Wirkungen der Therapie, wenngleich die Studie dafür statistisch nicht „gepowert” war.
Schwerwiegende unerwünschte Arzneimittelwirkungen wurden nicht berichtet, jedoch traten bei fast der Hälfte der Patientinnen mit der Kombinationstherapie Schwellungen und Jucken an der Injektionsstelle sowie blaue Flecken auf.
Fazit: Bei Frauen mit habituellen Aborten unklarer Genese vermindert ASS allein oder in Kombination mit niedrigmolekularem Heparin nicht die Rate der Spontanaborte bzw. erhöht nicht die Rate der Lebendgeburten. Eine gerinnungshemmende Therapie kann deshalb in dieser Situation nicht empfohlen werden.
Literatur
- Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe, Arbeitsgemeinschaft Immunologie in Gynäkologie und Geburtshilfe: Diagnostik und Therapie beim wiederholten Spontanabort: Link zur Quelle Zuletzt geprüft am 9.9.2010.
- http://www.asrm.org Link zur Quelle
- Greer, I.A.: N. Engl. J. Med. 2010, 362, 1630. Link zur Quelle
- Clark, P., et al. (SPIN = Scottish Pregnancy INtervention): Blood 2010, 115, 4162. Link zur Quelle
- Kaandorp, S.P., et al. (ALIFE = Anticoagulants for LIving FEtuses): N. Engl. J. Med. 2010, 362, 1586. Link zur Quelle