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Das Heilmittelwerbegesetz und der Verbraucherschutz

Zu diesem Themenkreis fand Ende Oktober 1998 eine Vortrags- und Diskussionsveranstaltung an der Bergischen Universität, Gesamthochschule Wuppertal statt, zu der Prof. Dr. G. Borchert, Rechtswissenschaftler im Studiengang Wirtschaftswissenschaft, Vertreter der Verbraucherschutzvereine, Pharmazeuten, Vertreter des Bundestags, der Werbewirtschaft und Rechtsanwälte eingeladen hatte. Dort wurde von Frau Dr. Dörte Meyer, einer selbständig tätigen Pharmazeutin aus Bremen, die Studie „Das Heilmittelwerbegesetz (HWG) und der Verbraucherschutz: Bewertung der Öffentlichkeitswerbung für Arzneimittel in den Printmedien aus rechtlicher und pharmakologischer Sicht“ vorgestellt. Grundlage dieser Studie war eine Datenbasis, die im Rahmen von Diplomarbeiten und Seminaren zum Verbraucherschutzrecht und zur Heilmittelwerbung von Studierenden der Gesamthochschule Wuppertal erstellt worden war.

Aus dem Zeitraum von Januar bis März 1994 wurde eine Stichprobe von 861 Anzeigen bezüglich aller relevanten Tatbestände des HWG überprüft. Die rechtlichen Bewertungskriterien wurden aus der Literatur und der Rechtsprechung abgeleitet; die pharmakologische Bewertung erfolgte nach medizinisch-wissenschaftlichen Kriterien auf der Basis pharmakologischer Standardliteratur.

Nach den Studienergebnissen entsprechen mehr als 80% der Anzeigen für Heilmittel in Publikumszeitschriften nicht den Bestimmungen des HWG. Die praktische Anwendung der Vorschriften des HWG wird allerdings dadurch erschwert, daß das HWG eine Reihe äußerst schwierig anzuwendender Vorschriften enthält. Die Ergebnisse der Rechtsprechung über die Zulässigkeit bzw. Unzulässigkeit einer Werbeanzeige scheinen deshalb oft von Zufällen abhängig zu sein. Dabei spielt auch das veränderte Verbraucherleitbild eine entscheidende Rolle. Um den Normzweck eines Gesetzes zu überprüfen, dient in der EU-Rechtsprechung der schutzbedürftige Verbraucher offenbar nicht länger als Maßstab; die Pharma-Rechtlerin Dr. Holde Kleist äußerte, es sei vom ständigen Verbraucher als Adressat auszugehen.

Die häufigen Rechtsverstöße in den Werbeanzeigen – z.B. mehr als 50% im Hinblick auf § 3 Abs. 1 HWG wegen Irreführung – blieben in der Diskussion nicht unbestritten. Von einer Vertreterin des industrieabhängigen Verbands für lautere Heilmittewerbung wurde darauf hingewiesen, daß der Ausgang von Gerichtsverfahren ungewiß ist und je nach Gerichtsort stark differieren kann. In einer Reihe von Fällen, die Frau Dr. Meyer als rechtswidrig bewertete, kam eine andere Diskutantin zu einem unterschiedlichen Ergebnis. Sie könne keinen „erschreckenden Umfang“ der Rechtsverstöße erkennen.

Einigkeit herrschte bei den eingeladenen Referenten und dem Auditorium darüber, daß es beträchtliche Rechtsunsicherheiten gibt. Auch wurde vermutet, daß diese Rechtsunsicherheit gezielt zu Werbemaßnahmen genutzt wird, die wenn nicht dem Inhalt, so doch dem Geist des HWG widersprechen.

Aus der Politik äußerte sich Wolfgang Schmidbauer von der SPD-Fraktion des Deutschen Bundestages. Ihn interessierten weniger Detailfragen der Rechtsanwendung, sondern die stärkere Betonung der Patienteninteressen allgemein. Dabei stellte er auch die Frage, ob denn „Heilmittel“ und „Werbung“ nicht im Widerspruch stünden. Das vorrangige Rechtsgut sei schließlich die Gesundheit der Bevölkerung und nicht die Werbefreiheit der Pharma-Konzerne.

Diskussionsveranstaltungen wie diese in Wuppertal können eine neue Form der Kooperation zwischen Praxis (Industrie, Verbände, Behörden, Politik) und Hochschulen begründen. Dazu hat die o.g. Studie, aus der die in Tabelle 1 angeführten Beispiele stammen, einen wichtigen Anstoß gegeben.

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