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Neue Aspekte bei der Behandlung ventrikulärer Tachykardien

Dem Plötzlichen Herztod liegt in vielen Fällen Kammerflimmern oder eine anhaltende ventrikuläre Tachykardie zu Grunde. Über den Wert der Behandlung mit einem implantierbaren Kardioverter/Defibrillator (ICD) im Hinblick auf eine Lebensverlängerung besteht aber noch immer Unsicherheit. In der vor etwas über einem Jahr erschienenen MADIT-Studie (Multicenter Automatic Defibrillator Implantation Trial) konnte ein Vorteil des ICD bei Hochrisikopatienten mit induzierbaren ventrikulären Tachykardien (VT) nachgewiesen werden (1). Jetzt wurden im N. Engl. J. Med. erneut zwei Studien zur antiarrhythmischen Therapie mit einem automatischen Defibrillator veröffentlicht: die AVID-Studie (2) und der CABG-Patch-Trial (3).

In der AVID-Studie (Antiarrhythmics Versus Implantable Defibrillators) wurde der Einfluß eines ICD auf die Gesamtletalität bei Patienten mit symptomatischer Kammertachykardie mit der Wirksamkeit einer antiarrhythmischen Therapie (Amiodaron oder Sotalol) verglichen (2). Die eingeschlossenen Patienten waren entweder bei Kammerflimmern reanimiert oder im Rahmen einer Synkope bei Kammertachykardie kardiovertiert worden. Bei Patienten mit Kammertachykardie ohne Synkope, aber hämodynamischen Auswirkungen (z.B. Hypotension mit systolischen Blutdruckwerten < 80 mmHg, kardiale Dekompensation, Präsynkope oder Angina pectoris) mußte zusätzlich eine Ejektionsfraktion (EF) von < 40% als Einschlußkriterium erfüllt sein. Patienten mit Herzinsuffizienz NYHA-Klasse IV wurden nicht eingeschlossen. Die Randomisierung erfolgte in ein ICD-Kollektiv mit transvenös implantierbarem System oder in eine Gruppe mit medikamentöser Therapie (507 vs. 509 Patienten), wobei der behandelnde Arzt aufgrund klinischer Befunde (z.B. Herzinsuffizienz) frei entscheiden konnte, ob ihm eine Therapie mit Amiodaron oder Sotalol sinnvoller erschien. Von den 509 medikamentös randomisierten Patienten wurden 356 elektiv mit Amiodaron behandelt. Die verbliebenen 153 Patienten, die auch für eine Sotalol-Behandlung geeignet waren, wurden dann erneut randomisiert: 79 davon wurden mit Amiodaron aufgesättigt, 74 mit Sotalol behandelt. Aufgrund persistierender VT - spontan oder induziert - erfolgte bei 58 mit Sotalol Behandelten eine frühzeitige Umstellung auf Amiodaron, so daß nach der ersten Klinikentlassung lediglich 2,6% der medikamentös randomisierten Patienten tatsächlich mit Sotalol behandelt wurden (13 von 509 Patienten). Die mittlere EF war in beiden Gruppen mit 32 ± 13% deutlich reduziert. Endpunkt war die Gesamletalität über einen Beobachtungszeitraum von etwa 2 Jahren. Auf eine Plazebo-Gruppe wurde bei diesen Hochrisikopatienten aus ethischen Gründen verzichtet. Bei Entlassung aus dem Krankenhaus erhielten nur 2% der ICD-Träger Amiodaron oder Sotalol, 42,3% wurden dagegen zusätzlich mit einem Betarezeptoren-Blocker behandelt im Vergleich zu nur 16,5% in der Antiarrhythmika-Gruppe. Nach 2 Jahren wurden 9,3% der ICD-Patienten zusätzlich mit Amiodaron behandelt. Bei 9,8% der medikamentös Behandelten war die Implantation eines ICD erforderlich geworden. Wegen eines klaren Vorteils für den ICD mußte die Studie vorzeitig abgebrochen werden: 80 Todesfällen im ICD-Kollektiv (15,8%) standen 122 Todesfälle (24%) in der Antiarrhythmika-Gruppe gegenüber. Das Relative Risiko zu sterben konnte durch den ICD bei Patienten mit symptomatischer Kammertachykardie um etwa 30% gesenkt werden. Nach einem Jahr hatten 68% der ICD-Patienten einen Schock oder „antitachykardes Pacing“ erlebt, nach 2 Jahren 81%. Unter den Patienten mit initialem Kammerflimmern lag die Auslöserate mit 39% bzw. 53% deutlich niedriger. In der Multivarianzanalyse erwies sich der zusätzliche Betarezeptoren-Blocker bei 40% der ICD-Patienten nicht als Vorteil. Der Vorteil des ICD war unabhängig vom Alter des Patienten, von der Morphologie der VT oder einer Koronaren Herzerkrankung als Auslöser der Arrhythmie. Patienten mit schlechter EF (< 35%) scheinen aber stärker zu profitieren als solche mit besserer EF. Komplikationen durch den ICD (Blutung, Infektion, Dislokation oder Pneumothorax) sind bei transvenösen Systemen äußerst selten. Auf Nebenwirkungen des Amiodaron ist dagegen sorgfältig zu achten, besonders auf Hypothyreose und Lungenfibrose (4). In dieser Studie lagen sie mit 10% bzw. 3% nach einem Jahr über der Inzidenz in anderen Studien. Die Autoren kommen zu dem Schluß, daß Patienten mit symptomatischen, hämodynamisch wirksamen Kammertachykardien der ICD nicht vorenthalten werden sollte. In der gleichen Ausgabe des N. Engl. J. Med. erschien auch der Coronary Artery Bypass Graft (CABG) Patch Trial (3), der den Effekt einer prophylaktischen ICD-Implantation untersuchte bei Patienten mit operationspflichtiger Koronarer Herzkrankheit, aber ohne Nachweis einer VT. Für den Studieneinschluß wurden eine Ejektionsfraktion unter 36% und der Nachweis von Spätpotentialen gefordert. In einer Pilotstudie hatte sich bei Patienten mit Spätpotentialen eine doppelt so hohe Sterblichkeit in den ersten 2 Jahren nach aorto-koronarer Bypass-Operation ergeben im Vergleich zu Patienten ohne Nachweis von Spätpotentialen (5). Im CABG Patch Trial wurden epikardiale ICD-Elektroden verwendet, die bei 446 Patienten nach erfolgreicher Revaskularisation in gleicher Sitzung am offenen Herzen implantiert wurden. Die im Kontrollkollektiv randomisierten 454 Patienten wurden nur mit dem erforderlichen Bypass versorgt. Eine medikamentöse antiarrhythmische Therapie war im Verlauf ausschließlich für symptomatische Patienten erlaubt. Eine erforderliche Antiarrhythmika-Therapie oder nachgewiesene VT zu Beginn der Studie galten dagegen als Ausschlußkriterium. Es wurde die Gesamtetalität im Verlauf von 32 ± 16 Monaten beurteilt. 55% der Patienten hatten eine koronare Dreigefäßerkrankung; die mittlere EF war mit 27 ± 6% erheblich reduziert. Tatsächlich waren 70,3% bzw. 72,5% der Patienten in der ICD- bzw. Kontroll-Gruppe nach einem Jahr ohne zusätzliche Antiarrhythmika. 16% bzw. 19,8% erhielten Betarezeptoren-Blocker außer Sotalol. Die Klasse-l-Antiarrhythmika waren noch mit 7,5% bzw. 4,8% vertreten, während Amiodaron bei 6,1% in der ICD- und 2,9% in der Kontroll-Gruppe verordnet wurde. In der ICD-Gruppe kam es im ersten Jahr bei 50% der Patienten zur ICD-Entladung. Diese Ereignisse konnten wegen fehlender Speichermöglichkeiten für EKG nicht dokumentiert und entsprechend interpretiert werden. Im Hinblick auf die Gesamletalität ergab sich in dieser Studie kein Unterschied in den beiden Kollektiven: 101 Todesfälle bei ACVB plus ICD und 95 in der Kontroll-Gruppe. Auch kardiale Todesfälle waren gleich häufig (71 vs. 72). Ein Vorteil für eine prophylaktische ICD-Implantation bei Patienten mit erhöhtem Risikoprofil ohne nachgewiesene VT ergibt sich aus dieser Studie nicht. Spätpotentiale sind zur Risikoeinschätzung offenbar nicht ausreichend geeignet. Die zur Primärprophylaxe konzipierte MADIT-Studie hatte für Aufsehen gesorgt (1). Die Behandlung mit ICD wurde mit konventioneller antiarrhythmischer Therapie verglichen bei Patienten mit dokumentierter, nicht anhaltender Kammertachykardie nach stattgehabtem Myokardinfarkt (mindestens drei Wochen zurückliegend) und mit eingeschränkter EF (< 36%). Für den Einschluß mußte in der elektrophysiologischen Untersuchung (EPU) aber eine anhaltende VT auslösbar sein, die durch i.v. Gabe von Procainamid nicht zu terminieren war. Die medikamentöse antiarrhythmische Therapie umfaßte Betarezeptoren-Blocker, Sotalol, Amiodaron (bei 75%) und Klasse-I-Antiarrhythmika. Bei der 5-Jahres-Gesamtletalität hatte sich ein überwältigender Vorteil des ICD gezeigt: die Letalität war um 54% im Vergleich zur medikamentösen Therapie geringer. Das größte Problem bei der Interpretation der MADIT-Ergebnisse liegt aber in der Definition eines "MADIT-Patienten". Dies spiegelt sich schon in der äußerst geringen Einschlußquote von ein bis zwei Patienten/Jahr/Teilnahmezentrum wider. In der Studienplanung als "Primary prevention trial" waren nicht synkopale Ereignisse als Einschluß gefordert: die Patienten hatten initial längere, aber nicht anhaltende VT. Es ist aber anzunehmen, daß viele Patienten geringfügige Symptome wie Schwindel und Palpitationen hatten. Angesichts der in der darauf folgenden EPU nicht terminierbaren VT kann diese Studie nicht länger als Studie zur Primärprophylaxe maligner Herzrhythmusstörungen angesehen werden. Für die Sekundärprophylaxe bestätigt sie im Einklang mit AVID, daß der Einsatz eines ICD sinnvoll ist.

Im Editorial zur AVID- und CABG-Studie wird erneut die Frage aufgeworfen, ob die bekannten proarrhythmischen oder toxischen Effekte der Antiarrhythmika in MADIT und AVID das Ergebnis möglicherweise zugunsten des ICD verfälscht haben (6). Eine große Studie mit einem ICD-, Amiodaron- und Kontroll-Kollektiv wäre zur Klärung vieler Fragen wünschenswert.

Fazit: In der Sekundärprophylaxe maligner Herzrhythmusstörungen haben AVID- und MADIT-Studie einen klaren Vorteil für den implantierbaren Kardioverter/Defibrillator (ICD) im Vergleich zur medikamentösen antiarrhythmischen Therapie gezeigt, d.h., symptomatische ventrikuläre Tachykardien (VT) erfordern eine Behandlung mit einem implantierbaren Defibrillator. Patienten mit eingeschränkter Ejektionsfraktion (< 35%) und symptomatischen VT haben erfahrungsgemäß eine schlechtere Prognose und einen relativ größeren Vorteil von einem ICD. Zur Primärprophylaxe bei Patienten mit erhöhtem Risiko liegen bisher keine ausreichenden Studien vor; die einen Vorteil des ICD belegen. Bei Patienten mit Koronarer Herzkrankheit mit reduzierter Ejektionsfraktion ohne Nachweis einer VT ist der enorme Kostenaufwand für eine prophylaktische Implantation eines ICD nicht gerechtfertigt.

Literatur

1. Moss, A.J., et al. (MADIT): N. Engl. J. Med. 1996, 335, 1933.
2. The AVID-lnvestigators: N. Engl. J. Med. 1997, 337, 1576.
3. Bigger, J.T., et al. (CABG Patch Trial): N. Engl. J. Med. 1997, 337, 1569.
4. AMB 1997, 31, 39a.
5. The CABG Patch Trial lnvestigators: Proc. Cardiovasc. Dis. 1993, 36, 97.
6. Myerburg, R.J., und Castellanos, A.: N. Engl. J. Med. 1997, 337, 1621.