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Hirudine

Zusammenfassung: Hirudin und seine Strukturverwandten sind effektive, aber auch teure Alternativen zum Heparin. Sie bieten einige Vorteile wie konstantere Wirkspiegel im Blut und leichtere Steuerbarkeit. Die Antikoagulation ist, besonders in höheren Dosen, stärker als bei den Heparinen, allerdings zum Preis häufigerer Blutungskomplikationen. Daher sind die meisten großen Studien zu instabiler Angina pectoris, Myokardinfarkt und Ballondilatation ohne überzeugende Vorteile abgeschlossen worden. Bei den instabilen koronaren Ischämiesyndromen werden die neuen Thrombozyten-Rezeptor-Antagonisten wahrscheinlich in Zukunft eine größere Rolle spielen. Als Hauptindikation für Hirudine ist die Heparin-induzierte Thrombozytopenie (HIT) Typ II anzusehen. Für diese Indikation gibt es in Deutschland derzeit nur für Lepirudin (Refludan) eine Zulassung. Weitere Indikationen für die Anwendung von Hirudinen sind denkbar. Gegen eine breite Anwendung spricht jedoch der vergleichsweise hohe Preis.

Einleitung: Hirudine sind neuere Antikoagulanzien, die zunehmend erprobt werden. In Deutschland wurde 1997 Lepirudin als erste Substanz dieser Gruppe für die Indikation HIT Typ II und parenterale Antikoagulation zugelassen. Dabei ist Hirudin wahrscheinlich eines der ältesten Antikoagulanzien. Schon seit Jahrtausenden haben Ärzte Blutegel, in deren Köpfen sich das natürliche Hirudin findet, therapeutisch eingesetzt. Erst mit der Aufklärung der Molekularstruktur und der Entwicklung biotechnologischer Verfahren wurde es möglich, rekombinantes Hirudin und Strukturvarianten in ausreichenden Mengen für eine breite Anwendung herzustellen. Es stellt sich daher die Frage, wo die Vor- und Nachteile dieser Substanzen liegen und welche Bedeutung Hirudine als Antikoagulanzien neben Heparinen und Cumarin-Derivaten in Zukunft erlangen werden.

Wirkstoffe und Wirkweise: Bei den Hirudinen handelt es sich um einsträngige, 65 bis 66 Aminosäuren große Polypeptide mit einem Molekulargewicht um 7000 Dalton. Die rekombinanten Formen (r-Hirudine) der verschiedenen Hersteller unterscheiden sich strukturell jeweils an einzelnen Positionen im Molekül oder durch Koppelung an unterschiedliche Trägermoleküle (PEG-Hirudin). Hiruloge sind kleinere Eiweiße mit 17 bis 18 Aminosäuren, bei denen nur die thrombinbindende Sequenz des Hirudinmoleküls synthetisiert wird. Aus den jeweiligen Strukturdifferenzen ergeben sich geringe Unterschiede in der Pharmakokinetik und -dynamik.

Die entscheidende Wirkung der Hirudine besteht in einem direkten Thrombin-Antagonismus. Das bedeutet, daß Hirudine – im Gegensatz zu Heparinen – Thrombin unabhängig von plasmatischen Kofaktoren (wie AT III) inaktivieren. Hirudine binden auch an einer anderen Position an Thrombin als die Heparine. Dadurch ist auch eine Aktivitätsminderung von fibringebundenem Thrombin möglich. Hirudine sind damit im Gegensatz zu Heparinen in der Lage, auch die prokoagulatorische Wirkung von bestehenden GerinnseIn, etwa auf die Blutplättchen, zu hemmen.

Hirudine werden i.v. oder s.c. verarbreicht. Die i.v. Therapie wird in der Regel mit einem Bolus eingeleitet. Hirudine sind zu weniger als 10% an Plasmaeiweiße gebunden; neutralisierende Plasmafaktoren sind nicht bekannt. Daher besitzen sie eine lineare Pharmakokinetik mit vergleichsweise kurzen und dosisabhängigen HaIbwertszeiten (1-2 Stunden). Die Plasmakonzentrationen sind aus diesen Gründen im Vergleich zu Heparinen stabiler und die Steuerbarkeit besser. Hirudine kumulieren nicht in tieferen Kompartimenten. Sie werden ausschließlich renal metabolisiert und ausgeschieden. Von einer verabreichten Dosis werden im Urin ca. 45% wiedergefunden. 35% der Dosis werden nicht metabolisiert ausgeschieden. Damit hängt ihre Clearance linear von der Nierenfunktion ab. Bei Niereninsuffizienz und bei älteren Patienten muß die Dosis reduziert werden. Eine fortgeschrittene Niereninsuffizienz mit Kreatininkonzentrationen über 6 mg/dl wird als Kontraindikation für die Anwendung von Hirudinen genannt; andererseits können Dialysepatienten durchaus mit Hirudinen behandelt werden (s.u.).

Als spezifische Therapiekontrolle für Hirudin wird die Ecarin-Zeit genannt; allerdings hat sich die aktivierte partielle Thromboplastinzeit (aPTT) als praktikablere Meßmethode etabliert. Bei der aPTT werden 2- bis 3fache Verlängerungen der Basiszeiten angestrebt; bei höheren Dosierungen treten vermehrt Blutungskomplikationen auf.

Unerwünschte Wirkungen, Wechselwirkungen und Gegenmaßnahmen: Blutungen sind die häufigste unerwünschte Wirkung. Sie traten in den bislang durchgeführten klinischen Studien (ohne Thrombolyse) dosisabhängig in bis zu 22% auf (1). Davon waren immerhin bis zu 10% transfusionsbedürftig (2), und 0,2% waren intrakranielle Blutungen. Diese Raten liegen z.T. deutlich über denen von Heparin. Das therapeutische Fenster des Hirudins ist also enger als anfänglich durch die günstigen pharmakokinetischen Eigenschaften angenommen wurde. Als besonders gefährlich und als nicht zu überschreiten wird eine mehr als 3fach verlängerte aPTT vom Hersteller (Hoechst Marion Roussel) genannt.

Ein Antidot gegen Hirudin, wie z.B. Protamin-HCI gegen Heparin, existiert bisher nicht. Bei bedrohlichen Überdosierungen kann Prothrombinkomplex oder azetyliertes Thrombin (selbst wirkungslos) infundiert werden, um Hirudin zu binden, oder es kann eine Elimination von Hirudin durch Hämodialyse/Hämofiltration mit High-Flux-Membranen erfolgen.

Häufig werden Antikörper gegen Hirudin gebildet, bei Patienten mit HIT Typ II sogar in über 40% der Fälle (3). Die Bedeutung dieser IgG-Antikörper ist unklar. In den beobachteten Fällen kam es nicht zu einer Wirkabschwächung des Hirudins, sondern tendenziell eher zu einer vermehrten antikoagulatorischen Wirkung mit der Notwendigkeit einer Dosisreduktion. Daher rät der Hersteller bei HIT-Il-Patienten zu häufigen aPTT-Kontrollen. Mit allergischen Hautreaktionen ist bei 4%, mit Fieber bei 7% und mit lokalen Reaktionen an der Injektionsstelle bei 0,5% der Patienten zu rechnen (4). Einzelfallberichte existieren über anaphylaktische Schocks, Stridor; Bronchospasmus, Husten und Angioödem (Zunge, Larynx). Meist aber konnte ein eindeutiger Zusammenhang nicht bewiesen werden. Erfahrungen bei wiederholten bzw. Langzeitabgaben von Hirudin existieren z.Z. nicht.

Neben den üblichen Interaktionen mit anderen Antikoagulanzien und Thrombolytika ist besonders auf einen überadditiven Effekt bei der Kombination mit Thrombozytenaggregationshemmern wie Azetylsalizylsäure (ASS) hinzuweisen. Als wichtige Kontraindikationen sind Schwangerschaft und Stillzeit zu nennen, da derzeit keine sicheren Daten über mögliche Schädigungen des Feten bzw. des Kindes vorliegen.

Dosierung: Prinzipiell ist die Dosierung an die aPTT anzupassen. Diese sollte wegen der Gefahr von Blutungen den 3fachen Normalwert nicht überschreiten. Ansonsten wird die Dosis nach dem Körpergewicht errechnet. Die i.v. Therapie ist in einen niedrigen (0,1 mg/kg/h), einen mittleren (0,15-0,2 mg/kg/h) und einen hohen (0,3-0,6 mg/kg/h) Dosisbereich einzuteilen, wobei die hohe Dosierung wegen der häufigeren Blutungskomplikationen kaum noch angewendet wird. Der Dauerinfusion geht jeweils ein Bolus voraus (0,2-0,4 mg/kg). Für die s.c. Thromboseprophylaxe mit Desidurin werden 2mal 15 mg/d empfohlen (7). In der HELVETICA-Studie wurden nach koronarer Ballondilatation 2mal 40 mg Hirudin s.c. verabreicht (5).

Kosten: Der offizielle Preis für 10 Flaschen Refludan à 50 mg beträgt laut Roter Liste 1670 DM, d.h., 1 mg Lepirudin kostet 3,30 DM. Hieraus ergeben sich Tagestherapiekosten für eine Antikoagulation bei einem 70 kg schweren Patienten bei mittlerer Dosis von über 800 DM. Im Vergleich hierzu würde eine entsprechende Antikoagulation bei konventionellem Heparin etwa 6 DM/d kosten, bei niedermolekularem Heparin etwa 100 DM/d (z.B. 120 mg/d Enoxaparin; 6) und bei Danaparoid etwa 60 DM/d.

Klinische Studien: HIT Typ II: Bei der HIT Typ II (s.a. AMB 1996, 30, 85) besteht ein Risiko für Kreuzreaktionen mit niedermolekularen Heparinen; daher sind alternative Antikoagulanzien notwendig. Cumarin-Derivate sind problematisch wegen initialer Hyperkoagulabilität und vermehrten Cumarin-Nekrosen. Danaparoid-Natrium war bislang in Deutschland die gängigste Alternative, wobei die größte Studie mit dieser Substanz nur 230 Patienten umfaßte. Immerhin wurden auch bei HIT Typ II in 10% der Fälle Kreuzallergien mit Danaparoid gefunden (s. AMB 1997, 31, 16). Weitere Nachteile von Danaparoid sind die unpraktikable Therapiekontrolle (Messung der Anti-Faktor-Xa-Aktivität), die lange Halbwertszeit (8 h), das Fehlen eines Antidots und die fehlende Zulassung der Substanz in Deutschland. Hirudin ähnelt chemisch den Heparinen nicht; daher ist eine Kreuzreaktion kaum möglich. Die ersten Studien mit Hirudinen bei HIT Typ II zeigten zufriedenstellende Resultate, wobei die bislang größte Untersuchung allerdings nur 198 Patienten mit einer historischen Kontroll-Gruppe verglich (3). Die gewählte Infusionsgeschwindigkeit betrug 0,1 bis 0,2 mg/kg/h. Die aPTT sollte über 1,5fach erhöht sein. Immerhin konnte mit dieser Therapie die Letalität auf 8% (vormals 22%) und die Häufigkeit thromboembolischer Komplikationen auf 18% (vormals 32%) gesenkt werden.

Zur Zeit sind Hirudin und Danaparoid-Natrium bei HIT Typ II Mittel der Wahl. Hirudin ist allerdings erheblich teurer als Danaparoid. Dafür ist bei Hirudin nicht mit einer Kreuzallergie zu rechnen, und auch die Steuerbarkeit ist besser. Da nur Hirudin in Deutschland eine Zulassung für die Indikation HIT Typ II besitzt, wird hier die Hauptindikation für Hirudine liegen.

Prophylaxe und Therapie venöser Thrombosen und Thromboembolien: In mehreren Untersuchungen wurden Hirudine und Heparine zur Thromboseprophylaxe verglichen. Die aktuellste ist eine schwedische Studie (7) mit über 2000 Patienten, in der die Wirksamkeit von 2mal 15 mg Desidurin/d s.c. mit 2mal 40 mg Enoxaparin/d s.c. zur Verhinderung thromboembolischer Komplikationen bei Hüftgelenkersatz verglichen wurde. Dabei wurden signifikant weniger proximale tiefe Beinvenenthrombosen in der Hirudin-Gruppe gefunden (4,5% vs. 7,5%). Lungenembolien und Todesfälle waren jedoch in beiden Gruppen gleich selten. Die breite Anwendung von Hirudinen zur Prophylaxe venöser Thrombosen ist in Anbetracht der erheblichen Mehrkosten daher nicht gerechtfertigt (s.a. AMB 1997, 31, 92b). Über die Behandlung von Lungenembolien mit Hirudinen gibt es derzeit kleine klinischen Studien.

Koronare Ischämiesyndrome. Instabile Angina pectoris: Die wichtigste Studie zur instabilen Angina pectoris ist OASIS (1). Es wurden über 900 Patienten mit instabiler Angina pectoris mit ASS und einem intravenösem Antikoagulans 72 Stunden lang behandelt: entweder mit aPTT-gesteuerter Vollheparinisierung oder mit Hirudin in niedriger Dosierung (0,2 mg/kg Bolus, gefolgt von 0,1 mg/kg/h als Infusion) oder mit Hirudin im mittleren Dosisbereich (0,4 mg/kg Bolus, gefolgt von 0,15 mg/kg/h als Infusion). In den Hirudin-Gruppen kam es innerhalb einer Woche zu signifikant weniger klinischen Ereignissen, besonders zu weniger Myokardinfarkten (2,3% vs. 4,9%, RR = 0,46). Nach dem Absetzen von Hirudin nahmen allerdings, besonders im mittleren Dosisbereich, die Ereignisse deutlich zu. Daher soll in der OASIS-Studie (10000 Patienten geplant) Hirudin im mittleren Dosisbereich 72 Stunden lang verabreicht und nachfolgend weiter oral mit Warfarin antikoaguliert werden. Als stärkste Konkurrenz zu den Antikoagulanzien bei instabilen koronaren Ischämiesyndromen sind jedoch die modernen Thrombozyten-Rezeptor-Antagonisten, z.B. Abciximab/c7E3 (ReoPro) oder Lamifiban (s.a. AMB 1995, 29, 93 u. 1996, 30, 94) zu nennen.

Adjunktiv zur Thrombolyse bei akutem Myokardinfarkt: In der HIT-ll-Studie (8) wurde rtPA mit Lepirudin-Infusion in verschiedenen Dosierungen untersucht. Hierbei konnte eine Dosis-Wirkungs-Beziehung zwischen dem Hirudin und den „Patency-Raten“ nach 60 bzw. 90 Minuten nachgewiesen werden. Im Gegensatz hierzu wurde bei TIMI 5 (9) kein eindeutiger Unterschied zwischen vier verschiedenen Desidurin-Dosierungen als Adjunktiv zur rtPA-Lyse gefunden; allerdings schnitt Hirudin insgesamt im Vergleich zu Heparin klinisch und im angiographischen Resultat besser ab. Keine dieser beiden Phase-Il-Studien ergab Hinweise auf häufigere Blutungskomplikationen. Es folgten daraufhin drei große multizentrische Studien mit Hirudin als Adjunktiv zur Thrombolyse, denn es bestand die Hoffnung, daß Hirudin die Thrombolyseergebnisse verbessert und die Reokklusionsraten senkt. Alle drei Studien endeten jedoch vorzeitig mit einer großen Enttäuschung. Die HIT-Ill-Studie (10) sollte bei 7000 Patienten Heparin oder Lepirudin (0,4 mg/kg Bolus; 0,15 mg/kg/h Infusion 48-72 h lang) als Adjuvans zur rtPA-.Lyse testen. Nach Einschluß von 300 Patienten erfolgte der Abbruch wegen vermehrten Blutungskomplikationen unter Hirudin, besonders Hirnblutungen (3,4% vs. 0). TIMI 9a (11) wurde nach Einschluß von 757 Patienten abgebrochen. Die Behandlung mit Desidurin (0,6 mg/kg Bolus; 0,2 mg/kg/h Infusion 96 h lang) und auch mit Heparin zusätzlich zur rtPA-Lyse hatte jeweils zu vermehrten intrazerebralen Blutungen geführt (Heparin 1,9%, Hirudin 1,7%). Schließlich wurde auch GUSTO lla (12) nach 2584 Patienten vorzeitig beendet. In der Desidurin-Gruppe (0,6 mg/kg Bolus; 0,2 mg/kg/h Infusion 96 h lang) waren signifikant mehr Hirnblutungen als erwartet aufgetreten (1,3% bei Hirudin). Es war also die Lehre zu ziehen, daß Hirudine zumindest in Kombination mit Thrombolytika ein deutlich engeres therapeutisches Fenster besitzen als bislang angenommen.

Es folgten Neuauflagen dieser Studien mit reduzierten Dosen. In TIMI 9b (13) mit 3000 Patienten fand sich kein klinischer Unterschied zwischen der Heparin- und der Hirudin-Gruppe (0,1 mg/kg Bolus; 0,1 mg/kg/h Infusion), auch nicht bei den Blutungskomplikationen. Ebenfalls konnten HIT-IV- (Publikation steht noch aus) und HERO-Studie (14) keine eindeutigen klinischen Vorteile von Hirudin bzw. Hirulog als Adjunktiv zu Streptokinase-Lyse zeigen. Einzig in GUSTO 2b (2) mit über 12000 Patienten (Hirudin: 0,1 mg/kg Bolus; 0,1 mg/kg/h Infusion) fand sich eine leicht signifikante und anhaltende Reduktion der klinischen Ereignisse (Myokardinfarkt und Tod) nach 30 Tagen (8,9% vs. 9,8%). Unter der gewählten Dosis traten nicht vermehrt schwere Blutungskomplikationen oder Schlaganfälle auf.

Diese Ergebnisse zeigen, daß Hirudin das Problem einer rascheren Gefäßeröffnung als Adjunktiv zur Thrombolyse und vor allem die Verhinderung der Reokklusion nicht hat lösen können. Eine intensivere Thrombozytenfunktionshemmung, etwa durch Abciximab/c7E3 oder andere Antagonisten, ist wahrscheinlich erfolgversprechender.

Bei Koronarinterventionen zur Reokklusionsprophylaxe: In der HELVETICA-Studie (5; s.a. AMB 1995, 29, 93) wurden 1141 Patienten nach Ballondilatation entweder mit i.v. Heparin oder mit Hirudin antikoaguliert. Dabei erhielt eine Hirudin-Gruppe nur i.v. Hirudin (40 mg Bolus, gefolgt von 0,2 mg/kg/h Infusion 24 h lang, danach 2mal tgl. Plazebo 3 Tage lang) und eine zweite Hirudin-Gruppe statt des Plazebos 3 Tage lang 2mal 40 mg Hirudin s.c. Es fand sich eine signifikant geringere Ereignisrate für Tod, Myokardinfarkt und erneute Intervention: 11% für Heparin, 7,9% bzw. 5,6% für Hirudin, ohne vermehrte Blutungskomplikationen. Nach 6 Monaten bestand allerdings kein Unterschied zwischen den drei Gruppen bezüglich der angiographischen Restenoserate. Allerdings sind diese Effekte gering, gemessen an den publizierten Erfolgen von Thrombozyten-Rezeptor-Antagonisten wie Abciximab/c7E3 (EPIC-, EPILOG-, CAPTURE-Studie). Hirudin wird daher wohl auch bei der Indikation Ballondilatation keinen ersten Platz einnehmen.

Disseminierte intravasale Gerinnung (DIG): Wegen des Verbrauchs von AT III bieten Heparine keinen ausreichenden Schutz mehr vor Thrombosen bei DIG. Bei diesen Patienten zeigten Pilotstudien mit Hirudinen in niedriger Dosierung (0,005-0,01 mg/kg/h i.v. oder 0,1 mg/kg alle 8 h s.c.) einen effektiven Anstieg von Fibrinogen und Abfall der Spaltprodukte ohne Zunahme von Blutungskomplikationen (15). Da die Prognose der Patienten mit DIG jedoch wesentlich von ihrer Grunderkrankung abhängt, sind klinische Daten über die Wirksamkeit von Hirudin bei DIG schwer zu erheben. Daher ist die Gabe von Hirudin bei DIG derzeit nur experimentell.

Extrakorporale Zirkulation und Hämodialyse: Die chronische Heparinexposition bei der Hämodialyse schafft mehrere klinische Probleme wie Allergien, HIT, Osteoporose, gestörter Lipoproteinstoffwechsel. In einer Phase-ll-Studie konnte mit einer Einzeldosis von 0,08 mg/kg Hirudin in den arteriellen Schenkel des Dialyse-Schlauchsystems ein ausreichender antikoagulatorischer Effekt erzielt werden (16). Daher könnte Hirudin bei Problempatienten eine Alternative zum Heparin und zu Cumarin-Derivaten sein. Größere Studien müssen diese Indikation jedoch noch prüfen.

In der Herzchirurgie stellen besonders Patienten mit HIT Typ II ein nahezu unlösbares Problem dar. Zum einen ist die Antikoagulation an der Herz-Lungen-Maschine schwierig und zum anderen besteht die Gefahr einer postoperativen thromboembolischen Komplikation. Für diese Patienten scheint Hirudin eine gangbare Alternative zu sein, wobei derzeit nicht mehr als Einzelfallberichte publiziert sind.

Literatur

1. OASIS (Organization to Assess Strategies for lschemic Syndromes): Circulation 1997, 96, 769.
2. GUSTO 2b: N. Engl. Med. 1996, 335, 775. Greinacher, A., et al.: Hematology 1997, 74 Suppl II, A 97.
3. Refludan Fachinformation Hoechst Marion Roussel, 1997.
4. Serruys, P.W., et al. (HELVETICA = Hirudin in a European Trial versus Heparin in the Prevention of Restenosis after PTCA): N. Engl. J. Med. 1995, 333, 757.
5. Levine, M., et al.: N. Engl. J. Med. 1996, 334, 677.
6. Eriksson, B.I., et al.: N. Engl. J. Med. 1997, 337, 1329.
7. Neuhaus, K.L., et al. (HIT II = Hirudin for lmprovement of Thrombolysis II): Circulation 1993, 88,I-292.
8. Cannon, C.P., et al. (TIMI 5 = Thrombolysis In Myocardial lnfarction 5): J. Am. Coll. Cardiol. 1994, 23, 993.
9. Neuhaus, K.L., et al.: Circulation 1994, 90, 1638.
10. Antman, E.M., et al.: Circulation 1994, 90, 1624.
11. GUSTO 2a: Circulation 1994, 90, 1631.
12. Fergusson, J.J., et al. (TIMI 9b): Circulation 1996, 93, 843.
13. White, H.D., et al. (HERO = Hirulog Early Reperfusion/Occlusion trial): Circulation 1997, 96, 2155.
14. lnvestigators Brochure HBW 023, Behringwerke, 1996.
15. Vanholder, R., et al.: Kidney Intern. 1994, 45, 1754.