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Verminderte antiemetische Wirksamkeit von Serotonin-Antagonisten bei gleichzeitiger Gabe von Morphin

Übelkeit und Erbrechen gehören zu den häufigsten und die Patienten subjektiv am meisten belastenden unerwünschten Arzneimittelwirkungen der zytostatischen Chemotherapie. Serotonin-Antagonisten, deren antiemetische Wirkung auf der Blockade des 5-Hydroxytryptamin-3-Rezeptors (5-HT3-Rezeptor) beruht, gelten heute als Standardtherapie für die Prävention von akutem Erbrechen bei Gabe von Zytostatika mit hohem bzw. sehr hohem emetogenen Potential (vgl. AMB 1991, 25, 69; 1997, 31, 93b; 1999, 33, 52). Bei etwa 20% dieser Patienten ist jedoch die Gabe eines Serotonin-Antagonisten nicht ausreichend wirksam. In einer retrospektiven Auswertung von 58 Patienten mit fortgeschrittenem Bronchialkarzinom analysierten japanische Autoren die Wirksamkeit der antiemetischen Therapie mit Serotonin-Antagonisten in Abhängigkeit von einer begleitenden analgetischen Therapie, die bei 16 Patienten mit Morphin in retardierter Form durchgeführt wurde (Shoji, A., et al.: J. Clin. Oncol. 1999, 17, 1926). Alle Patienten erhielten eine Polychemotherapie mit Cisplatin (≥ 50 mg/m2) und adäquate Dosen verschiedener Serotonin-Antagonisten, d.h. Granisetron 3 mg (Kevatril) oder Ondansetron 4 mg (Zofran) oder Azasetron 10 mg oder DAU-6215 5 bzw. 10 mg (die beiden letzten in Deutschland nicht zugelassen). Ausgeschlossen von dieser Auswertung wurden Patienten mit symptomatischen Hirnmetastasen, durch Morphin per se ausgelöste Übelkeit oder Erbrechen bzw. abdominellen Symptomen (Übelkeit, Erbrechen, Ileus) vor Beginn der Polychemotherapie. Die Wirksamkeit der antimetischen Therapie in der frühen (innerhalb von 24 Stunden) und späten Phase (24-120 Stunden nach Cisplatin-Gabe) wurde anhand der Häufigkeit von Erbrechen, dem Appetit und dem Schweregrad der Übelkeit beurteilt. Sowohl in der frühen als auch in der späten Phase nach Polychemotherapie war die antiemetische Wirksamkeit der Serotonin-Antagonisten bei Patienten mit gleichzeitiger Gabe von Morphin signifikant geringer als bei Patienten, die kein Morphin erhielten. Die verminderte antiemetische Wirkung war unabhängig von der Dosis des oral verabreichten Morphins und der Dauer der analgetischen Therapie. Andere Variable, die das individuelle Risiko für Erbrechen beeinflussen können (z.B. Alter; Geschlecht, andere mit Cisplatin verabreichte Zytostatika, Gabe von Glukokortikoiden) unterschieden sich nicht signifikant zwischen den beiden Patientengruppen. Die Gründe für die verminderte Wirksamkeit der Serotonin-Antagonisten bei gleichzeitiger Gabe von Morphin sind unklar. Die Autoren diskutieren Veränderungen der Pharmakokinetik von Cisplatin, Morphin bzw. Serotonin-Antagonisten und eine Zunahme der das Brechzentrum erreichenden Stimuli, die durch Serotonin-Antagonisten nicht ausreichend gehemmt werden können. In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, daß eine Wirkungsabschwächung von Tropisetron (Navoban) und vermutlich auch von anderen Serotonin-Antagonisten durch Phenytoin und Barbiturate beschrieben wurde.

Fazit: Morphin kann die antiemetische Wirksamkeit von Serotonin-Antagonisten bei Gabe einer Cisplatin enthaltenden Polychemotherapie abschwächen. Diese lnteraktion sollte bei gleichzeitiger Gabe von Morphin und stark emetogenen Zytostatika berücksichtigt werden. Prospektive Untersuchungen sind jedoch notwendig, um die Häufigkeit bzw. klinische Bedeutung dieser Interaktion und die hierfür verantwortlichen Mechanismen genauer zu analysieren.