Frage von Dr. H. J. aus Wolfsburg: >> Zur Beantwortung Ihrer Leserfrage (AMB 2000, 34, 56) habe ich eine konkrete Frage. Sie schreiben, daß vor Operationen mit erhöhtem kardialen Risiko, zu denen auch Operationen an der Prostata zu zählen sind, ASS weiter gegeben werden sollte. Bezieht sich diese Empfehlung ausdrücklich auch auf die transurethrale Resektion der Prostata? <<
Antwort: >> Nach den Richtlinien der amerikanischen kardiologischen Fachgesellschaft (American College of Cardiology) sind drei Gruppen von nicht kardialen Operationen zu unterscheiden, die ein unterschiedlich hohes Risiko für kardiovaskuläre Komplikationen (kombinierte Inzidenz von Herztod und nicht tödlichem Myokardinfarkt; 1) haben:
1. Hohes Risiko (kardiales Risiko > 5%)
a. Größere Not-OP, besonders bei älteren Menschen
b. Aorten-OP und andere größere periphere Gefäß-OP
c. Langdauernde OP, besonders mit größeren Flüssigkeitsverschiebungen und/oder Blutverlust
2. Mittleres Risiko (kardiales Risiko 1-5%)
a. Karotis-TEA, Hals- und Kopf-Chirurgie, intraperitoneale und intrathorakale OP
b. Orthopädische OP und Prostata-OP
3. Geringes Risiko (kardiales Risiko < 1%)
Endoskopische Eingriffe, oberflächliche Eingriffe, Katarakt-OP, Brust-OP
Diese Einteilung basiert auf einigen Kohortenstudien und Registern aus den 90er Jahren (2-4). Das vor Thrombosen schützende ASS sollte, wenn dies aus operations- und anästhesietechnischer Sicht vertretbar ist, perioperativ weiter verabreicht werden, falls das kardiale Risiko durch die kardiovaskuläre Grunderkrankung des Patienten oder die Operation selbst deutlich erhöht ist.
Nach der Art der Prostata-OP (mittleres kardiales Risiko) wird in den genannten Richtlinien nicht unterschieden. Insgesamt überwiegt jedoch in der Literatur die Einschätzung, daß die transurethrale Prostataresektion (TURP) hinsichtlich kardiovaskulärer Komplikationen als etwas gefährlicher einzuschätzen ist als eine offene Prostatektomie (PE); keinesfalls ist sie weniger gefährlich. Eindeutige Belege durch prospektive vergleichende Studien sind jedoch – wie so häufig – nicht zu finden. In einer neueren randomisierten prospektiven Studie aus Israel fand sich immerhin bei 236 bzw.129 Patienten (TURP vs. offene PE) kein Unterschied hinsichtlich der postoperativen Letalität bzw. der Häufigkeit von Myokardinfarkten (5).
Patientenen mit vorbestehenden Herz- bzw. Hirngefäß-Erkrankungen haben ein erhöhtes OP-Risiko. Dieses erhöht sich unterschiedlich stark durch die Art der Operation. Herzkranke sind bei einer Prostata-OP besonders gefährdet. Ob die Fortführung der üblichen kardialen ASS-Prophylaxe während der OP irgendeinen Einfluß auf die Häufigkeit von kardiovaskulären Ereignissen nach TURP hat, ist nicht untersucht. Mancher Urologe wird argumentieren, daß durch die erhöhte Blutungsgefahr ein Risikopatient besonders gefährdet ist.
Somit kann leider keine generelle Empfehlung gegeben werden, außer, daß im Einzelfall zwischen möglichem Nutzen und Schaden der ASS-Prophylaxe gut abzuwägen und im Zweifel ein Internist zu konsultieren ist mit der Frage, ob eine stabile oder instabile kardiovaskuläre Situation besteht. Im letzteren Fall sollte ein elektiver Eingriff mindestens drei Monate lang verschoben werden; falls dies nicht geht, ist es wahrscheinlich günstiger, ASS weiter zu verordnen. <<
Literatur
1. www.acc.org > Clinical Guidelines > Anticoagulation > Perioperative Cardiovascular Evaluation
2. Goldman, L.: Ann. Int. Med. 1983, 98, 504.
3. Ashton, C.M, et al.: Ann. Int. Med. 1993, 119, 953.
4. Mangano, D.T., et al.: Anesthesiology 1990, 72, 153.
5. Shalev, M., et al.: J. Urol. 1999, 161, 491.