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Niedrige oder hohe ACE-Hemmer-Dosierung bei Herzinsuffizienz? Die ATLAS-Studie

Der Nutzen der ACE-Inhibitoren zur Behandlung der Herzinsuffizienz gilt als gesichert. Vielen Patienten wird jedoch eine Dosis verordnet, die deutlich unter der liegt, die in den großen ACE-Hemmer-Interventionsstudien verwendet wurden und zur Etablierung der Therapie führten. Diese Praxis reflektiert vermutlich die Überzeugung vieler Ärzte, daß niedrigere ACE-Hemmer-Dosierungen bei gleicher Wirksamkeit weniger Nebenwirkungen haben. Tatsächlich liegen jedoch kaum vergleichende Daten zum Dosis/Nebenwirkungsprofil vor, und der Einfluß niedrigerer ACE-Hemmer-Dosen im Hinblick auf die wichtigen Endpunkte Letalität und kardiovaskuläre Ereignisse ist nicht gesichert.

Von klinischer Bedeutung sind daher die jetzt von M. Packer et al. publizierten Ergebnisse der ATLAS-Studie (Assessment of Treatment with Lisinopril and Survival; Circulation 1999, 100, 2312). In dieser Studie wurden 3164 Patienten mit Herzinsuffizienz der NYHA-Klassen II-IV und einer Ejektionsfraktion < 30% randomisiert und doppelblind mit Lisinopril niedrig- oder hochdosiert behandelt. Alle Patienten waren mindestens 2 Monate lang mit Diuretika therapiert; eine Vorbehandlung mit Digitalis oder ACE-Hemmer war erlaubt. Ausgeschlossen wurden Patienten mit bekannter ACE-Hemmer-Intoleranz, akuter Koronarischämie oder Serum-Kreatinin > 2,5 mg/dl.

Initial erhielten alle rekrutierten Patienten in einer offenen Vorstudie zur Verträglichkeitsprüfung 4 Wochen lang Lisinopril in ansteigender Dosierung (bis 15 mg/d). Danach erfolgte die Randomisierung in eine Niedrig-Dosis-Gruppe (2,5-5 mg/d; n = 1596) oder in eine Hoch-Dosis-Gruppe (32,5-35 mg/d; n = 1568). Das Studienprotokoll erlaubte in beiden Gruppen eine offene Änderung der Dosis bei Befundverschlechterung. Die mittlere Behandlungszeit betrug 45,7 Monate (39-58 Monate). Die Ausgangsdaten beider Gruppen waren gleich. Das Durchschnittsalter betrug 63 Jahre; 89% der Patienten waren bereits zuvor mit einem ACE-Hemmer behandelt worden, und die meisten Patienten wurden bei Aufnahme der NYHA-Klasse III zugeordnet. Die Zieldosierungen in beiden Gruppen wurden in der Titrationsphase jeweils von über 90% der Patienten erreicht. Im weiteren Studienverlauf stoppten 30,6% der Patienten in der Niedrig-Dosis-Gruppe und 27,2% der Patienten in der Hochdosis-Gruppe die Einnahme der Studienmedikation und wurden offen weiterbehandelt.

Die Gesamtletalität und auch die kardiovaskuläre Letalität war in der Hochdosis-Gruppe gegenüber der Niedrigdosis-Gruppe leicht, aber nicht signifikant vermindert (42,5% vs. 44,9% bzw. 37,2% vs. 40,2%). Für den gemeinsamen Endpunkt aus Gesamtletalität und Häufigkeit stationärer Behandlungen bzw. Gesamtletalität und Häufigkeit stationär behandlungspflichtiger Herzinsuffizienz fand sich eine signifikante Reduktion der Ereignisse unter hochdosiertem Lisinopril (79,7% vs. 83,8% bzw. 55,1% vs. 60,4%).

In der Vortestung waren etwa 5% der Patienten aufgrund von Nebenwirkungen, wie Husten, Schwindel oder Erhöhung des Serum-Kreatinins bzw. des -Kaliums nicht eingeschlossen worden. In der Studienphase fand sich in der Hochdosis-Gruppe häufiger Schwindel (19% vs. 12%), eine Verschlechterung der Nierenfunktion (10% vs. 7%) und Hypotension (11% vs. 7%), hingegen seltener Husten (11% vs. 13%) und Verschlechterung der Herzinsuffizienz (38% vs. 44%).

Zusammenfassend belegen die Ergebnisse einen nur kleinen Vorteil der höheren Lisinopril-Dosierung im Hinblick auf die klinischen Ereignisse bei Herzinsuffizienz. Der primäre Studienendpunkt Letalität wurde hingegen nicht von der Dosierung beeinflußt; dies wird auch in der Diskussion von den Autoren klar herausgestellt. Bemerkenswert ist auch, daß die Höhe der Lisinopril-Dosierung keinen Einfluß auf die NYHA-Klassifizierung im Verlauf hatte, d.h. auch der Verlauf der Symptome gibt keine Hinweise auf die prognostisch optimale Dosierung. Die Autoren leiten aus ihren Ergebnissen die Empfehlung ab, bei der Behandlung der Herzinsuffizienz eine hohe ACE-Hemmer-Dosierung anzustreben, unterstreichen aber, daß es unklar bleibt, ob eine mittlere Dosierung möglicherweise das beste Verhältnis von Nutzen/Risiko hat.

Fazit: Die Ergebnisse der ATLAS-Studie zeigen, daß bei der Behandlung der Herzinsuffizienz hohe Dosen Lisinopril gegenüber niedrigen leichte Vorteile haben hinsichtlich der Häufigkeit klinischer Ereignisse (gemeinsamer Endpunkt Letalität und Häufigkeit stationärer Behandlung). Der primäre Endpunkt Letalität und die Symptome werden hingegen von einer höheren Dosierung nicht günstiger beeinflußt.