Die Thienopyridinderivate Clopidogrel (Iscover, Plavix) und Ticlopidin (Tiklyd u.a.) werden bislang in Kombination mit Azetylsalizylsäure (ASS) zur Thromboseprophylaxe nach koronarer Stentimplantation eingesetzt (s. Übersicht AMB 1999, 33, 33). Nach der CURE-Studie (Clopidogrel in Unstable angina to prevent Recurrent Events trial: N. Engl. J. Med. 2001, 345, 494) wird sich nun vermutlich die Indikation ausweiten. Ziel dieser randomisierten, plazebokontrollierten Studie war es, die Therapie bei akuten koronaren Ischämie-Syndromen (instabile Angina, Non-Q-Wave-Myokardinfarkt) zu verbessern. Dazu wurden multizentrisch 12562 Patienten, die mit akutem Brustschmerz in eine Klinik aufgenommen wurden, eingeschlossen. In den ausgewählten Kliniken sollte die instabile Angina primär konservativ behandelt werden, eine PTCA also nicht zur Routinetherapie gehören. Die anginösen Symptome durften höchstens 24 Stunden alt sein, und es mußten zur Sicherung der Diagnose entweder ST-Strecken-Veränderungen im EKG vorhanden sein (jedoch keine ST-Hebungen) oder eine Erhöhung der kardialen Enzyme vorliegen.
Die Patienten der Verum-Gruppe (n = 6359) erhielten ASS (Dosis zwischen 75 und 325 mg) plus 300 mg Clopidogrel als Startdosis und danach weiter 75 mg Clopidogrel/d 3-12 Monate lang (im Mittel 9 Monate lang). Die Patienten der Plazebo-Gruppe erhielten nur ASS (75-325 mg/d).
Das mittlere Alter betrug 64 Jahre; 62% waren Männer. Bei 46% fanden sich ST-Strecken-Senkungen und bei 36% T-Negativierungen im EKG. Die klinischen und demographischen Daten waren in beiden Behandlungsgruppen gleich verteilt. Im Studienverlauf wurde bei insgesamt 43% aller Patienten eine diagnostische Koronarangiographie durchgeführt, bei 16,5% erfolgte eine Bypass-Operation und bei 21,2% eine PTCA. Die Entscheidung für eine invasive Diagnostik lag vollständig bei den behandelnden Ärzten.
Die wichtigsten klinischen Ergebnisse sind in Tab. 1 wiedergegeben. Die Clopidogrel-Dauertherapie führte nach durchschnittlich 9 Monaten zu einer signifikanten Reduktion von Myokardinfarkten und therapierefraktärer Angina (NNT = Number needed to treat: 47), nicht aber von Todesfällen. Der positive Effekt wurde schon nach 24 Stunden sichtbar und trat vor allem in den ersten 30 Tagen auf. Aber auch in den darauf folgenden Wochen liefen die Kaplan-Meier-Kurven nicht parallel. Die Autoren berichten jedoch nicht, ob und wann der Unterschied im Zuwachs der Ereignisse zwischen den beiden Behandlungsarmen nicht mehr signifikant war. Daher kann auch nicht gesagt werden, wie lange eine Clopidogrel-Therapie sinnvoll ist. Das Ergebnis war im übrigen stabil in allen untersuchten Subgruppen.
In der Clopidogrel-Gruppe gab es etwas häufiger Blutungskomplikationen (8,5% vs. 5%) ohne signifikante Zunahme von bedrohlichen Blutungen. Eine Bluttransfusion ist bei 6 von 1000 mit Clopidogrel und ASS behandelten Patienten zu erwarten. Blutbildveränderungen (Thrombozytopenie 26/28, Granulozytopenie 8/5) waren in beiden Gruppen gleich häufig.
In einer Substudie mit dem Akronym PCI-CURE (Percutaneous Coronary Intervention) wurden prospektiv 2658 Patienten analysiert, die im Verlauf der CURE-Studie eine PTCA erhielten (Mehta, S.R., et al.: Lancet 2001, 358, 527). Die Indikation zur PTCA wurde von den behandelnden Ärzten ohne feste Vorgaben gestellt. Die PTCA erfolgte im Median am 10. Tag nach der ersten Krankenhausaufnahme, und bei 82% der Interventionen wurde ein Stent implantiert. Bei einem Viertel der Patienten wurde offen vor der PTCA ein Thienopyridin (Clopidogrel, Ticlopidin) verabreicht. Bei über 80% der Patienten mit PTCA wurde nach dem Eingriff offen 30 Tage lang zur Prophylaxe einer Stent-Thrombose Clopidogrel oder Ticlopidin weitergegeben.
Die Ereignisse der PCI-CURE-Studie – vor und nach der PTCA – sind in Tab. 2 wiedergegeben. Auch in dieser Substudie traten in der Clopidogrel-Gruppe weniger Myokardinfarkte und Zustände mit refraktärer Angina pectoris auf, was wiederum weniger Revaskularisations-Eingriffe zur Folge hatte (NNT: 25). Die Unterschiede zwischen beiden Gruppen bestanden schon vor der Intervention und wurden in den ersten 30 Tagen größer. Danach verlaufen die Kaplan-Meier-Kurven nahezu parallel. Insgesamt errechnete sich eine Risikoreduktion um 31% durch die frühzeitige und längerfristige Gabe von Clopidogrel bei Patienten mit instabilem Koronarsyndrom und Katheterintervention.
Fazit: Bei primär konservativem Vorgehen beim instabilen koronaren Ischämie-Syndrom senkt die frühzeitige und längerfristige (mindestens 4 Wochen lange) Gabe von Clopidogrel neben der Standardtherapie mit ASS signifikant die Häufigkeit von Myokardinfarkten, refraktären Angina-pectoris-Situationen und von notwendigen Revaskularisationsmaßnahmen. In der CURE-Studie mußten 25 Patienten im Durchschnitt 9 Monate lang behandelt werden, um eines der genannten Ereignisse zu verhindern. Bei primär katheterinterventionellem Management der instabilen Angina verbessert Clopidogrel die Prognose der Patienten noch deutlicher. Ob es sinnvoll ist, hierbei Clopidogrel generell länger als 3 Monate zu geben, ist derzeit nicht klar.