Wir hatte unsere Leser im vergangenen Jahr auf die Indikationserweiterung von Epoetin alfa (Erypo) – Behandlung der Anämie und Reduktion des Transfusionsbedarfs bei Erwachsenen mit soliden Tumoren, malignen Lymphomen und Plasmozytom – hingewiesen (vgl.AMB 2000, 34, 77). Inzwischen ist die randomisierte, doppeltblinde, plazebokontrollierte und von Ortho Biotech/Janssen Cilag unterstützte Studie mit Epoetin alfa, die zu dieser Indikationserweiterung geführt hat, publiziert worden (Littlewood, T.J., et al.: J. Clin. Oncol. 2001, 19, 2865). In dieser in 14 europäischen Ländern und in Südafrika durchgeführten Studie wurden insgesamt 375 Patienten mit soliden Tumoren (54%) oder nicht-myeloischen hämatologischen Neoplasien (46%) und Anämie (Hämoglobin = Hb = 10,5 g/dl oder > 10,5 g/dl aber = 12,0 g/dl) im Verhältnis 2:1 randomisiert und entweder mit Epoetin alfa oder Plazebo behandelt. Die Behandlung mit Epoetin alfa wurde in einer Dosierung von 150 IU/kg Körpergewicht 3 mal wöchentlich begonnen und die Dosis auf 300 IU/kg gesteigert, wenn nach 4-wöchiger Therapie der Hb-Wert nicht um = 1,0 g/dl und die Retikulozyten auf Werte = 40000/µl gestiegen waren. Die Behandlung dauerte maximal 28 Wochen. Genaue Vorgaben für die Transfusion von Erythrozytenkonzentraten existierten nicht. Es sollten jedoch Transfusionen bei Hb-Werten > 8,0 g/dl, falls nicht klinisch indiziert, vermieden werden. Eine tägliche Gabe von 200 mg Fe2+ p.o. zur Vermeidung eines funktionellen Eisenmangels wurde empfohlen. Primärer Endpunkt war der Einfluß von Epoetin alfa auf die Transfusionsfrequenz nach 4 Wochen Therapie. Sekundäre Endpunkte waren u.a. das Ansprechen auf die Therapie (Anstieg des Hb-Werts = 2 g/dl unabhängig von Transfusionen), die „Lebensqualität“ und entsprechend einer Protokoll-Änderung („Amendment“) auch die Überlebenszeit der Tumorpatienten. Die Gabe von Epoetin alfa führte im Vergleich zum Plazebo zu einer signifikanten Reduktion des Transfusionsbedarfs nach 4 Wochen (24,7% versus 39,5%; p = 0,0057), einem besseren Ansprechen bezogen auf den Anstieg des Hb-Werts = 2 g/dl (70,5% versus 19,1%; p < 0,001) und einer signifkanten Verbesserung der "Lebensqualität" (p < 0,01). Die Auswertungen zum Einfluß von Epoetin alfa auf das Überleben zeigten keinen signifikanten Unterschied, jedoch einen Trend zu Gunsten von Epoetin alfa (medianes Überleben 17 Monate versus 11 Monate). Eine Stratifizierung im Hinblick auf wichtige prognostische Parameter bei soliden Tumoren und bei hämatologischen Neoplasien (z.B Stadium der Erkrankung, Knochenmarkbeteiligung, Intensität der Chemotherapie) wurde in dieser Studie nicht vorgenommen, so daß dieses Ergebnis mit größter Vorsicht zu interpretieren ist. Epoetin alfa wurde gut vertragen, und ernste unerwünschte Arzneimittelwirkungen (z.B. arterielle Hypertonie, Thrombosen) waren selten. Fazit: Die Gabe von Epoetin alfa bei Patienten mit soliden Tumoren, malignen Lymphomen oder Plasmozytom und Anämie führt zu einer Verminderung des Transfusionsbedarfs, zu einem Anstieg des Hb-Werts und zu einer Verbesserung der „Lebensqualität“. Da 30% (oben besprochene Studie) bis 50% der Patienten nicht auf die Therapie mit Epoetin alfa ansprechen und etwa 25% der Patienten weiterhin Transfusionen benötigen, sollte an Hand prädiktiver Faktoren (vgl. AMB 1996, 30, 46 und 2000, 34, 77) frühzeitig, d.h. 2-4 Wochen nach Therapiebeginn, geprüft werden, ob die Patienten von Epoetin alfa profitieren, um die Gabe dieses teuren Medikaments gegebenenfalls rechtzeitig zu beenden.