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Tamoxifen-Therapie der nicht-malignen Retroperitonealen Fibrose

Eine nicht im Rahmen einer malignen Erkrankung auftretende Retroperitoneale Fibrose (RF; Morbus Ormond) kann sekundär bei fortgeschrittener Arteriosklerose (chronische Periaortitis, perianeurysmatische Fibrose) oder bei chronischer Pankreatitis auftreten oder aber idiopathisch, d.h. ohne erkennbare Ursache. Auch eine fibrosierende Mediastinitis kann hinzukommen. Die Symptome sind vielfältig, z.T. systemisch (Fieber, hohe BSG, Gewichtsverlust), z.T. lokal, wie Schmerzen, Obstruktion der Ureteren und der intestinalen Lymphgefäße oder Claudicatio intermittens. Die Therapie besteht in der Anwendung von Kortikosteroiden oder kombinierten immunosuppressiven Maßnahmen mit „Ansprechraten” zwischen 50% und 90%.

Einzelberichte schienen dafür zu sprechen, dass Tamoxifen, ein Östrogenrezeptor-Antagonist, die Symptomatik der RF bessern kann. Das veranlasste van Bommel et al. aus Dordrecht, Holland (1), mit einem an dieser seltenen Erkrankung offenbar besonders interessierten Ärzteteam den Effekt von Tamoxifen prospektiv (offen, nicht plazebokontrolliert) bei 19 Patienten/innen (davon 16 Männer, 12 Fälle „sekundär”, 7 Fälle „idiopathisch) von 1998-2005 zu untersuchen. Die Diagnose wurde aufgrund der Beschwerden, Laborwerten, CT-Auswertungen in drei Ebenen und Gallium-67-Szintigrammen (positiv bei erheblicher entzündlicher Aktivität) gestellt. Malignome wurden ausgeschlossen.

Die Monotherapie bestand aus zweimal 20 mg/d Tamoxifen für mindestens zwei Jahre. Die meisten Patienten wurden deutlich länger behandelt. Primäre Endpunkte waren Änderung der Beschwerden auf einer 10 cm visuellen Skala, Änderungen von Entzündungsparametern und Änderungen im CT (ausgewertet durch einen erfahrenen Radiologen, der hinsichtlich der Studie verblindet war).

Bereits nach 2,5 Wochen gaben 15/19 Patienten eine Besserung der Beschwerden an. Nach vier Monaten hatte sich die BSG in der ersten Stunde im Mittel von 33,5 mm auf 10 mm reduziert, und das CRP war von 23 mg/l auf 7 mg/l zurückgegangen. Vier Monate nach Therapiebeginn zeigten die RF-Läsionen im CT bei neun Patienten einen moderaten (< 50%) Volumenrückgang, bei drei Patienten einen Rückgang um > 50%. Bei den meisten „Respondern” war die Volumenregression bei späteren CT-Kontrollen deutlicher. Zwei Patienten hatten nach acht Monaten eine komplette Regression. Drei von fünf Patienten, die nicht auf Tamoxifen ansprachen, hatten im initialen Gallium-67-Szintigramm erhebliche Entzündungszeichen. Sie wurden mit Prednison und Azathioprin weiterbehandelt. Ein Patient mit deutlicher Besserung unter Tamoxifen beendete die Therapie, hatte danach ein Rezidiv und sprach erneut auf Tamoxifen an. UAW waren bis auf initiale leichte Übelkeit bei einigen Patienten minimal. Die Östradiol- und Testosteronwerte im Serum stiegen etwas an.

Dies ist die größte Zahl von Patienten mit RF, die in einem Zentrum mit Tamoxifen behandelt wurden. Die Autoren verglichen ihre Ergebnisse mit 14 von anderen Autoren berichteten Fällen (tabellarisch aufgelistet). Sie halten den therapeutischen Effekt von Tamoxifen für nahezu gesichert, glauben aber nicht, dass der Wirkungsmechanismus etwas mit einer Östrogenrezeptor-Blockade zu tun hat, da Gewebebiopsien aus den RF-Läsionen in keinem Fall immunhistologisch hinsichtlich dieser Rezeptoren positiv waren. Vielmehr könne Tamoxifen wie auch Östrogene einen gewissen immunsuppressiven Effekt haben. Tamoxifen ist ein SERM (Selective Estrogen Receptor Modulator), der an der Brust und im Gehirn antiöstrogen, am Uterus und an den Venen jedoch proöstrogen wirkt.

Fazit: Die idiopathische und sekundäre Retroperitoneale Fibrose sind schwer behandelbare Erkrankungen mit z.T. erheblicher Morbidität (Ureterverschlüsse, Claudicatio intermittens durch Gefäßstenosen, Protein-verlierende Enteropathie, erhebliche Schmerzen etc.). Ein Therapieversuch mit Tamoxifen in der untersuchten Dosierung (zweimal 20 mg/d) scheint gerechtfertigt, zumal bei einer Langzeit-Therapie mit wesentlich weniger UAW zu rechnen ist als bei einer kombinierten immunsuppressiven Therapie unter Einschluss von Kortikosteroiden.

Literatur

  1. van Bommel, E.F.H., et al.: Ann. Intern. Med. 2006, 144, 101. Link zur Quelle