Vitamin D (VD) ist nicht nur für die intestinale Resorption von Kalzium und den Knochenstoffwechsel wichtig, es fördert auch die Muskelkraft über spezifische VD-Rezeptoren. Verschiedene Studien haben gezeigt, dass ältere Menschen mit VD-Mangel vermehrt zu Stürzen neigen, und dass VD-Substitution dieses Risiko reduzieren kann (1). Eine im Jahr 2004 erschienene Metaanalyse fand die Studien zu diesem Thema jedoch teilweise widersprüchlich (2). Seitdem sind mehrere methodisch akzeptable, randomisierte, kontrollierte Studien durchgeführt worden, die eine neue Metaanalyse sinnvoll erscheinen ließen (3). Insgesamt wurden acht bis 2008 erschienene Studien mit zusammen 2426 Probanden (≥ 65 Jahre) ausgewertet, in denen der Effekt von VD mit oder ohne Kalzium-Supplement mit einer Plazebo- oder Kalzium-Gruppe verglichen wurde. In allen Studien musste die Inzidenz von Stürzen über die gesamte Beobachtungsdauer ein Hauptendpunkt oder ein zuvor festgelegter sekundärer Endpunkt sein. Die Studiendauer variierte zwischen drei und 36 Monaten.
Zum Einsatz kamen in sechs Studien VD3 oder VD2 und in zwei Studien die aktiven Metabolite 1-Alfa-Hydroxycholecalciferol (Alfacalcidol) bzw. 1,25-Dihydroxycholecalciferol (Calcitriol). Die verwendeten Dosen von VD wurden in zwei Gruppen zusammengefasst (Niedrigdosis = 200-600 IE/d bzw. Hochdosis = 700-1000 IE/d). Über die Dosen der aktiven VD-Metabolite machen die Autoren keine Angaben.
Im Durchschnitt waren die Probanden, die zu Hause oder in Altersheimen lebten, 80 Jahre alt, 81% waren Frauen. In der VD-Hochdosis-Gruppe wurde die Inzidenz von Stürzen um 19% gegenüber der Vergleichsgruppe reduziert (RR: 0,81; 95%-Konfidenzintervall = CI: 0,71-0,92). In der Niedrigdosis-Gruppe bestand kein Unterschied zu den Kontrollen (RR: 1,10). Ein gleichsinniger Unterschied fand sich auch in der Inzidenz von Stürzen zwischen Personen, bei denen die 25-OH-VD-Konzentration (Calcifediol) im Serum während der Supplementierung größer oder kleiner als 60 nmol/l war. Die aktiven VD-Metabolite reduzierten das Sturzrisiko um 22% (RR: 0,78; CI: 0,64-0,94).
Die Autoren haben aus einer großen Zahl zu diesem Thema publizierter Veröffentlichungen nur solche mit doppeltblindem Design ausgewählt. Das Ergebnis der Metaanalyse spricht dafür, dass VD-Dosen > 700 IE/d und Serum-Konzentrationen > 60 nmol/l das Risiko von Stürzen bei alten Menschen reduzieren. Aktive VD-Metabolite haben den gleichen Effekt, sind aber teurer und führen häufiger zu UAW (z.B. Hyperkalziämie), so dass die Autoren VD2 oder VD3 empfehlen, zwischen denen die Metaanalyse keinen Wirkungsunterschied ergab.
Fazit: Diese Metaanalyse scheint zu belegen, dass eine ausreichende Versorgung älterer Menschen mit VD das Risiko von Stürzen (eine wichtige Ursache von Frakturen) reduziert. VD mit oder ohne Kalzium erhöht zudem etwas die Knochendichte und reduziert auch hierdurch das Frakturrisiko (4). Diese Effekte sind von erheblicher individueller und gesundheitsökonomischer Bedeutung. Da viele alte Menschen Vitamin-D-defizient sind (niedrige Serumkonzentration von Calcifediol), kann nach Ausschluss einer Hyperkalziämie und anderer Kontraindikationen den Risikopatienten (Heimbewohner, geringe Sonnenexposition oder geringe VD-Aufnahme mit der Nahrung) aus dieser Altersgruppe die Einnahme von 800-1000 IE VD/d empfohlen werden.
Literatur
- Pfeifer, M., et al.: J. Bone Miner. Res. 2000, 15, 1113. Link zur Quelle Errata: 2001, 16, 1935 und 2001, 16, 1735.
- Bischoff-Ferrari, H.A., et al.: JAMA 2004, 291, 1999. Link zur Quelle
- Bischoff-Ferrari, H.A., et al.: BMJ 2009, 339, b3692. Link zur Quelle
- AMB 2008, 42, 44. Link zur Quelle