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Ausscheidung von Natrium und Kalium im Urin und kardiovaskuläre Ereignisse

Wir haben vor einem Jahr darüber berichtet, in welchen industriell verarbeiteten Nahrungsmitteln das (zu) viele Salz steckt, das die meisten Menschen zu sich nehmen (1). Eine Metaanalyse aus 13 prospektiven Studien hat ergeben, dass ein Plus von 5 g Kochsalz bzw. 2 g Natrium pro Tag in der Nahrung das Risiko für Schlaganfall längerfristig um 23% und für kardiovaskuläre Erkrankungen allgemein um 14% steigert (2).

Im JAMA ist jetzt eine interessante Studie erschienen (3). Sie untersucht die Beziehung zwischen der Natrium- und Kalium-Ausscheidung im Urin (als Surrogatparameter für die orale Zufuhr) bei einer großen Zahl von Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen und/oder Diabetes mellitus aus zwei großen Interventionsstudien zu kardiovaskulären (KV) Ereignissen. Insgesamt wurden 28.880 Patienten der ONTARGET- (4) bzw. der TRANSCEND-Studien (5), in denen Patienten mit Telmisartan oder Ramipril (4) oder kombiniert bzw. mit Telmisartan oder Plazebo (5) behandelt worden waren, für diese Studie erneut evaluiert. Bei allen Patienten waren Morgenurine auf Natrium-, Kalium- und Kreatinin-Konzentrationen vor Beginn der Arzneimittel-Interventionen untersucht worden. Nach der Kawasaki-Formel (6) wurde aus diesen Messungen die 24-Stunden-Ausscheidung der Elektrolyte geschätzt. Endpunkte der Studie waren im Verlauf von 56 Monaten Ereignisse von Tod, Myokardinfarkt, Schlaganfall und Herzinsuffizienz. Ausgeschlossen waren Patienten, die zum Zeitpunkt der Rekrutierung eine klinisch diagnostizierte Herzinsuffizienz, eine niedrige linksventrikuläre Ejektionsfraktion, Herzklappenfehler oder ein Serum-Kreatinin > 3 mg/dl hatten. Das mittlere Alter bei Einschluss war ca. 66 Jahre, ca. 30% waren Frauen.

Ergebnisse: Nach multivariater Adjustierung hatten Patienten mit einer errechneten täglichen Natriumausscheidung von 5 g (4-6 g) die niedrigste Gesamt-Ereignisrate. Etwa 50% der Patienten lagen in diesem Bereich. Die Gesamtzahl von KV-Ereignissen in der Studie betrug 4.729. Bei einer Natriumausscheidung von 7-8 g/d war die Hazard Ratio (HR) hochsignifikant auf 1,53 erhöht (95%-Konfidenzintervall = CI: 1,26-1,86), bei Natriumausscheidung von > 8 g/d sogar auf 1,66 (CI: 1,31-2,1). Bei einer Natriumausscheidung von < 2 g/d war andererseits die Inzidenz von kardiovaskulärem Tod und Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz signifikant erhöht. Die Beziehung zwischen Natriumausscheidung und Ereignisrate war oberhalb von 5 g Natriumausscheidung/d also nicht linear, sondern sie war insgesamt J-förmig.

Die Beziehung zwischen Kaliumausscheidung und KV-Ereignisrate stellte sich folgendermaßen dar: hohe Ereignisraten bei Ausscheidung < 1,5 g/d. Betrug sie > 2 g/d, fand sich eine gleichbleibend relativ niedrige Ereignisrate.

Die Ergebnisse dieser Studie bei älteren Patienten mit erhöhtem KV-Risiko und/oder Diabetes mellitus sollten aber nicht in Richtlinien für gesunde Personen oder auf die Primärprävention von KV-Ereignissen übertragen werden. Die Ausscheidung von ca. 5 g Natrium/d in der Gruppe mit dem relativ niedrigsten KV-Risiko entspricht einer Kochsalzausscheidung – und vermutlich einer Aufnahme mit der Nahrung – von ca. 12,5 g/d. Das ist viel mehr als die allgemein empfohlene Höchstmenge von 5-6 g Kochsalz/d (1). Gesunde Menschen, die bisher diese Menge zu sich genommen haben und im Rahmen einer kochsalzarmen Diät ausschließlich nicht prozessierte Lebensmittel essen und nicht zusätzlich salzen, nehmen dann täglich nur noch etwa 1-2 g Kochsalz auf. Die renale Kochsalz-Ausscheidung fällt dann bei Gesunden in wenigen Tagen auf die geringere zugeführte Menge pro Tag ab. Das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System wird in dieser Situation aktiviert und limitiert die Natriumausscheidung. Die höhere Angiotensin-Konzentration im Plasma steigert dabei nicht den Blutdruck, denn bei natriumarmer Kost nimmt die blutdrucksteigernde Wirkung von Angiotensin deutlich ab (7).

In einem Editorial zu dem hier besprochenen Artikel (8) findet man wichtige Hinweise auf Publikationen, die belegen, dass die längerfristige Reduktion eines zu hohen Kochsalzkonsums auch zu einer Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse führt.

Fazit: Bei älteren Patienten mit erhöhtem kardiovaskulärem (KV) Risiko und/oder Diabetes mellitus war die Beziehung zwischen renaler Natriumausscheidung und KV-Ereignissen im Verlauf von 5,6 Jahren J-förmig, d.h. mehr Ereignisse bei sehr hoher bzw. sehr niedriger Natriumausscheidung. Sehr niedrige Kaliumausscheidung korreliert mit höherem KV-Risiko, nicht jedoch eine hohe Kaliumausscheidung. Da sich bei den Patienten mit einer Natriumausscheidung von ca. 5 g/d (entsprechend 12,5 g Kochsalz/d) das relativ geringste KV-Risiko fand, ist zu hoffen, dass die Autoren in ihrer Publikation nicht Natrium (Na) mit Kochsalz (NaCl) verwechselt haben.

Literatur

  1. AMB 2011, 45, 23. Link zur Quelle
  2. Strazzullo, P., et al.:BMJ 2009, 339, b4567. Link zur Quelle
  3. O’Donnell, M.J., et al.:JAMA 2011, 306, 2229. Link zur Quelle
  4. Yusuf, S., et al.(ONTARGET = ONgoing Telmisartan Alone and in combinationwith Ramipril Global Endpoint Trial): N.Engl. J. Med. 2008, 358, 1547. Link zur Quelle AMB 2008, 42,62. Link zur Quelle
  5. Yusuf, S., et al.(TRANSCEND = Telmisartan Randomized AssessmeNt Studyin ACE iNtolerant subjects with cardiovascular Disease):Lancet 2008, 372, 1174. Link zur Quelle
  6. Kawasaki, T., et al.:Clin. Exp. Pharmacol. Physiol. 1993, 20, 7. Link zur Quelle Erratum:Clin. Exp. Pharmacol.Physiol.1993, 20, 199.
  7. Oelkers, W., et al.: J.Clin. Endocrinol. Metab.1978, 46, 402. Link zur Quelle
  8. Whelton, P.K.: JAMA2011, 306, 2262. Link zur Quelle