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Fetales Fehlbildungsrisiko bei Einnahme von ACE-Hemmern in der Schwangerschaft

Vor einem Jahr haben wir über Empfehlungen zur Hypertoniebehandlung in der Schwangerschaft (SS) referiert (1). Im zweiten und dritten SS-Trimenon ist das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS) stark aktiviert. Ursachen hierfür sind eine starke Stimulation der Synthese von Angiotensinogen (Reninsubstrat) in der Leber durch sehr hohe Estriol-Konzentrationen im Blut und die inhibierende Wirkung von Progesteron am Aldosteronrezeptor, woraus ein ausgeprägter sekundärer Hyperaldosteronismus resultiert. Letzterer ist offenbar für die Regulierung von Blutdruck, Blutvolumen und Plazentadurchblutung erforderlich. Es verwundert daher nicht, dass die Einnahme von Hemmern des Renin-Angiotensin-Systems (RAS) zur Behandlung von Hypertonie im zweiten und dritten SS-Trimenon mit erheblichem Risiko für den Feten/Neugeborenen (Nierenversagen, Nierendysplasie, Oligohydramnion, Hypotension, Lungen-Hypoplasie) assoziiert ist (2-4).

Bisher ist es unklar, ob Wirkstoffe, die in das RAS eingreifen, speziell ACE-Hemmer, auch in der Frühschwangerschaft ein fetotoxisches Potenzial haben. Im ersten Trimenon der SS ist das RAAS nur gering aktiviert. In unserem Artikel von 2011 haben wir empfohlen, dass hypertensive Frauen, die eine SS planen, bereits zu diesem Zeitpunkt auf die Einnahme von ACE-Hemmern verzichten sollen (vgl. 5). Viele Schwangerschaften sind jedoch ungeplant, so dass diese Empfehlung nicht greift. Erfährt eine Frau, die einen ACE-Hemmer einnimmt und schwanger geworden ist, von der möglichen Fetotoxizität, kann sie panisch reagieren.

In dieser Hinsicht gibt eine neue retrospektive Kohortenstudie aus Kalifornien teilweise Entwarnung. Li et al. aus Oakland (6), Mitarbeiter im Forschungsinstitut einer großen privaten Krankenversicherungs- und Versorgungsgesellschaft (Kaiser Permanente), werteten firmeneigene Daten aus. Dateien von insgesamt 465.754 Mutter-Neugeborenen-Paaren aus der Zeit zwischen 1995 und 2008 wurden automatisch verknüpft mit Dateien zu Diagnosen und Medikation der Mütter sowie Fehlbildungen bei den Neugeborenen. Zusätzlich waren Informationen u.a. zu Diabetes, Körpergewicht, ethnischer Herkunft, Alter und Bildungsgrad der Mütter zugänglich.

Frühschwangere mit Hypertonie, die ACE-Hemmer eingenommen hatten, wurden mit solchen, die andere Antihypertensiva eingenommen hatten, sowie mit unbehandelten hypertensiven Schwangeren (wahrscheinlich leichtere Hypertonie) und mit gesunden Schwangeren verglichen. 400 Frauen hatten im ersten Trimenon der SS ACE-Hemmer eingenommen und 1.141 Frauen andere Antihypertensiva. Im Vergleich mit einer viel größeren Zahl gesunder Schwangerer war das Risiko für fetale Missbildungen nach Einnahme von ACE-Hemmern von 5,4% auf 8,5% erhöht (nicht signifikant). Die Häufigkeit fetaler kardialer Missbildungen betrug bei gesunden Schwangeren 1,6%. Nach Adjustierung für Alter, ethnischer Herkunft, Zahl der SS, Diabetes und Körpergewicht betrug die Odds ratio bei Einnahme von ACE-Hemmern 1,54 (95%-Konfidenzintervall: 0,9-2,62), bei Einnahme anderer Antihypertensiva 1,52 (1,04-2,21). Aber auch bei unbehandelten hypertensiven Schwangeren war die Inzidenz fetaler kardialer Fehlbildungen (2,4%) etwas höher als bei gesunden Schwangeren. Im Vergleich mit der Gruppe unbehandelter hypertensiver Schwangerer waren die Odds ratios für fetale Fehlbildungen nach Einnahme von ACE-Hemmern bzw. anderen Antihypertensiva nicht mehr signifikant erhöht (1,14 bzw. 1,12).

Das bedeutet, eine Hypertonie in der Frühschwangerschaft ist ein mäßiger Risikofaktor für kardiale Fehlbildungen beim Feten. Das Risiko wird durch Einnahme von ACE-Hemmern in der Frühschwangerschaft ebenso wie von anderen Antihypertensiva kaum erhöht. Dieses Ergebnis bestätigt weniger umfangreiche zuvor publizierte Studien (7, 8) und eine neue Studie aus Kanada (9), in der jedoch bei Einnahme von ACE-Hemmern und Angiotensin-II-Rezeptor-Blockern in der Frühschwangerschaft eine signifikant höhere Rate von Spontanaborten als bei Behandlung mit anderen Antihypertensiva gefunden wurde. Ein Kommentar zu dem Artikel von Li et al. aus der Feder von A.A. Mitchell aus Boston findet sich im gleichen Heft des BMJ (10).

In unserem Artikel von 2011 (1) haben wir Wirkstoffe benannt, die für die Behandlung von Bluthochdruck in der SS empfohlen werden. Daran ändert sich durch die hier referierten epidemiologischen Befunde nichts. Frauen, die unbeabsichtigt im ersten Trimenon ihrer SS ACE-Hemmer oder andere RAAS-Hemmer (Angiotensin-Rezeptor-Blocker, Aliskiren, Spironolacton) eingenommen haben, müssen aber keine Angst vor einer Schädigung ihres Kindes haben. Sie sollten zügig auf die für Schwangere empfohlenen Antihypertensiva umgestellt werden, wobei eine leichte Hypertonie in der SS im Hinblick auf den Feten nicht immer einer medikamentösen Behandlung bedarf (1).

Fazit: Eine umfangreiche Registerstudie aus Kalifornien ergab, dass ACE-Hemmer, versehentlich im ersten Trimenon einer Schwangerschaft als Antihypertensiva eingenommen, nicht mit einem höheren Risiko für fetale Fehlbildungen assoziiert waren als andere Antihypertensiva oder die Hypertonie per se. Trotzdem sollten grundsätzlich alle Wirkstoffe, die in das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System eingreifen (ACE-Hemmer, Angiotensin-II-Rezeptor-Blocker, Aliskiren, Spironolacton) für die Behandlung von Hypertonie und anderen Erkrankungen in der Schwangerschaft tabu sein und bleiben.

Literatur

  1. AMB 2011, 45,06. Link zur Quelle
  2. Barr, M. Jr.:Teratology 1994, 50, 399 7778045. Link zur Quelle
  3. Ratnapalan, S., und Koren, G.:Can. Fam. Physician 2002, 48,1047. Link zur Quelle
  4. Quan, A.: Early Hum.Dev. 2006, 82, 23 16427219. Link zur Quelle
  5. Cooper, W.O., et al.:N. Engl. J. Med. 2006, 354, 2443. Link zur Quelle
  6. Li, D.K., et al.: BMJ2011, 343, d5931. Link zur Quelle
  7. Caton, A.R., et al. (NBDPS = National Birth DefectsPrevention Study): Hypertension 2009, 54, 63. Link zur Quelle
  8. Lennestål, R., et al.:Eur. J. Clin.Pharmacol. 2009, 65, 615. Link zur Quelle
  9. Moretti, M.E., et al.:Obstet. Gynecol. Int. 2012, 2012, 658310. Link zur Quelle
  10. Mitchell, A.A.: BMJ2011, 343, d6667. Link zur Quelle