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Vorsicht mit Rote-Hand-Briefen – oder wie Lundbeck versucht, vor den eigenen Warnungen zu warnen

In den Rote-Hand-Briefen weisen Arzneimittelhersteller auf wichtige Veränderungen oder Sicherheitsprobleme bei ihren Arzneimitteln hin. Im Oktober 2011 und Dezember 2011 hat der Arzneimittelhersteller Lundbeck in Zusammenarbeit mit dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in zwei Rote-Hand-Briefen auf eine Änderung in der Produktinformation ihrer beiden Präparate Cipralex® und Seropram® hingewiesen. Danach führen diese beiden Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI; Wirkstoffe: Escitalopram und Citalopram) dosisabhängig zu einer QT-Zeit-Verlängerung (2, 3). Das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen hat den österreichischen Ärzten und Apothekern im Dezember 2011 diese Warnungen und Änderungen in der Fachinformation ebenfalls offiziell mitgeteilt. Hierdurch entsteht selbstverständlich eine gewisse Verbindlichkeit für die verordnenden Ärzte. Bis dahin wurden Escitalopram und Citalopram als kardial unbedenklich eingeschätzt. Post-Marketing-Beobachtungen aus den USA und entsprechende Warnungen der FDA haben diese Einschätzung nun jedoch verändert und die Firma – wohl aus juristischen Gründen – zur Änderung der Fachinformation veranlasst. Demnach darf die tägliche Maximaldosis von Citalopram nun 40 mg nicht mehr überschreiten (Maximaldosis zuvor 60 mg) und soll bei Älteren und Patienten mit eingeschränkter Leberfunktion maximal 20 mg betragen. Die Tagesdosis von Escitalopram darf nun höchstens 20 mg und bei Patienten über 65 Jahren maximal 10 mg betragen. Darüber hinaus dürfen die beiden Medikamente bei Patienten mit bekannter QT-Zeit-Verlängerung oder angeborenem Long-QT-Syndrom überhaupt nicht mehr verschrieben werden. Die gleichzeitige Anwendung mit anderen QT-Zeit-verlängernden Arzneimitteln (vgl. 4, 5) ist generell kontraindiziert. Die Ärzte werden von Lundbeck in den beiden Rote-Hand-Briefen dazu aufgefordert, die aktuelle Medikation ihrer Patienten entsprechend zu überprüfen und Dosierungen, die diese neuen Empfehlungen überschreiten, schrittweise zu verringern. Entsprechende Warnungen sind nun auch behördlicherseits für alle generischen Formen von Escitalopram und Citalopram in Vorbereitung.

Nun sandte er Arzneimittelhersteller Lundbeck im Februar 2012 eine umfangreiche Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) an österreichische Ärzte aus, in der zu einem „rationalen Umgang mit Rote-Hand-Briefen” gemahnt wird (1). Nur wenige Wochen nach den ursprünglichen Warnungen versucht Lundbeck also, diese mit Hilfe eines Briefs der deutschen Fachgesellschaft wieder zu relativieren. Offenbar spürt man die Warnungen in der Kasse. In diesem Brief bewerten die deutschen Experten – sie machen nebenbei bemerkt keinerlei Angaben zu ihren Interessenkonflikten – die Einschätzung der FDA zu Citalopram und Escitalopram als überzogen (1). Die Gefahr für eine Verlängerung der QT-Zeit bestehe auch bei vielen anderen SSRI. Citalopram und Escitalopram seien „sicher und verträglich”, auch bei Intoxikationen(!). Als besonders überzogen wird die Empfehlung im Rote-Hand-Brief bewertet, wonach die Kombination mit anderen QT-Zeit-verlängernden Arzneimitteln, wie Phenothiazinen, Pimozid oder Haloperidol, nun kontraindiziert sein soll. Dies würde schließlich eine erhebliche Veränderung der gegenwärtigen Praxis erfordern, in der solche Kombinationen gang und gäbe seien. Die Experten raten wortwörtlich „zu einem rationalen Umgang mit den beiden Rote-Hand-Briefen” und zu einem besonnenen und vorsichtigen Umgang mit Arzneimitteln.

Literatur

  1. http://www.dgppn.de/publikationen/stellungnahmen/…Link zur Quelle
  2. http://www.akdae.de/Arzneimittelsicherheit/RHB/Archiv/2011/…Link zur Quelle
  3. http://www.akdae.de/Arzneimittelsicherheit/RHB/20111205.pdf Link zur Quelle
  4. AMB 2012, 46, 16ÖB02.AMB 2000, 34, 17 Link zur Quelle ; AMB 2004, 38, 49. Link zur Quelle