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Nicht-invasive Heimbeatmung bei fortgeschrittener COPD mit Hyperkapnie

Patienten mit fortgeschrittener chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) und Hyperkapnie haben ein hohes Risiko für Exazerbationen, Hospitalisationen und Tod (vgl. 1). Es ist unklar, ob bei diesen Patienten eine nicht-invasive Heimbeatmung (NIHB) hilfreich ist.

Ein Cochrane Review aus dem Jahre 2013 fand hierfür keine sicheren Belege (2). Allerdings waren die eingeschlossenen Studien klein und hinsichtlich ihrer Methodik heterogen. 2014 wurden zwei randomisierte kontrollierte Studien (RCT) mit widersprüchlichen Ergebnissen veröffentlicht. In einer deutsch-österreichischen Studie mit 195 Patienten (GOLD-Stadium IV, PaCO2 ≥ 51,9 mm Hg, stationäre Beatmungstherapie im Rahmen der Exazerbation) fand sich mit NIHB im Vergleich zur optimierten Standardtherapie eine signifikante Reduktion der 12-Monats-Letalität von 33% auf 12% sowie Verbesserungen der körperlichen Leistungsfähigkeit („exercise capacity“) und der Lebensqualität (3). Im Gegensatz dazu wurde in einer niederländischen Studie mit 201 Patienten kein Vorteil mit NIHB gefunden (Letalität: 29,7% vs. 29%, Rehospitalisierungsrate 65% vs. 64%; 4). Als Gründe für die unterschiedlichen Ergebnisse der beiden Studien wurden die gewählten Ein- und Ausschlusskriterien und technische Aspekte (z.B. die verwendeten Beatmungsdrücke) vermutet.

Nun erschien im JAMA ein drittes RCT zu dieser Frage (5). In diese britische Studie wurden insgesamt 116 COPD-Patienten eingeschlossen, die im Rahmen einer Exazerbation nicht-invasiv beatmet werden mussten und innerhalb von 2-4 Wochen nach klinischer Stabilisierung weiterhin hyperkapnisch waren (PaCO2 > 53 mm Hg). Als weitere Einschlusskriterien mussten eine chronische Hypoxämie mit Indikation zur Langzeit-Sauerstoff-Therapie (LTOT) vorliegen (PaO2 < 55 mm Hg oder < 60 mm Hg plus mindestens einem der folgenden Zustände: Polyzythämie, pulmonale Hypertension, Cor pulmonale, > 30% der Schlafzeit mit Sauerstoffsättigung < 90%). Um ein persistierendes respiratorisches Versagen im Rahmen der Exazerbation auszuschließen, musste der arterielle pH unter Raumluft > 7,3 liegen.

Diese stark eingegrenzten Kriterien erklären, dass von 2021 gescreenten Patienten über mehr als vier Jahre nur 116 eingeschlossen wurden (5,7%). Die Patienten der Kontrollgruppe (n = 59) erhielten neben einer inhalativen medikamentösen Dreifachtherapie (langwirkende Beta2-Sympatomimetika, Anticholinergika und Glukokortikosteroide) eine LTOT (mind. 15 Stunden täglich). Die Interventionsgruppe (n = 57) erhielt die gleiche Behandlung und zusätzlich mindestens sechs Stunden über Nacht eine NIHB mittels nasaler, oronasaler oder vollständiger Gesichtsmaske, je nach Patientenpräferenz. Es waren zwei verschiedene Beatmungsgeräte zugelassen und eine klar definierte Beatmungsmodalität vorgegeben (“high pressure strategy” mit einem mittleren inspiratorischen Druck von 24 und einem exspiratorischen Druck von 4 cm H2O). Primärer Studienendpunkt war die Zeit bis zur stationären Wiederaufnahme oder bis zum Tod innerhalb eines Jahres nach der Randomisierung.

Ergebnisse: Die Patienten waren durchschnittlich 66,7 Jahre alt, 53% waren Frauen, alle Raucher (durchschnittlich 44 Packungsjahre). Der mittlere FEV1-Wert betrug 0,6 ± 0,2 l, der PaCO2 59 ± 7 mm Hg und der PaO2 bei Raumluft 48 ± 8 mm Hg. Die Grundrisiken waren in beiden Gruppen gleich verteilt.

Insgesamt schieden 37 von 116 Patienten vorzeitig aus dem Protokoll aus: sechs in der Interventionsgruppe (fünf zogen ihre Einwilligung nachträglich zurück und einer erhielt letztlich doch keine Beatmung) und 31 in der Kontrollgruppe (13 zogen ihre Einwilligung zurück und 18 erhielten im Verlauf doch eine NIHB). Die mediane Nachbeobachtung betrug daher in der Interventionsgruppe 12,2 Monate und in der Kontrollgruppe nur 8,1 Monate.

Die mediane Zeit bis zu einer stationären Wiederaufnahme oder bis zum Tod (primärer Studienendpunkt) betrug in der Interventionsgruppe 4,3 Monate und in der Kontrollgruppe 1,4 Monate. Das 12-Monats-Risiko für den primären Endpunkt betrug mit NIHB 63,4% und ohne 80,4% (absolute Risikoreduktion 17%; 95%-Konfidenzintervall = CI: 0,1%-34,0%). Dieser Vorteil der NIHB ging vor allem auf eine Reduktion der Rehospitalisierungen zurück; ein signifikanter Effekt auf die Letalität war nicht feststellbar (28% vs. 32%; adjustierte HR: 0,67; CI: 0,34-1,30; p = 0,23). Darüber hinaus kam es im NIHB-Arm auch zu weniger COPD-Exazerbationen (Median 3,8 vs. 5,1), nicht jedoch zu einer anhaltend (> 3 Monate) besseren Lebensqualität.

Fazit: Somit scheint es möglich, dass Patienten mit schwerer COPD und chronischer Hyperkapnie von einer nicht-invasiven Heimbeatmung (NIHB) profitieren. Die bei der Indikationsstellung zu berücksichtigenden Kriterien sind insbesondere pathologische Blutgaswerte nach Remission einer akuten Exazerbation, das Vorliegen bestimmter Komorbiditäten (obstruktives Schlafapnoe-Syndrom, pathologisches Übergewicht), sowie Toleranz der bzw. Adhärenz zur NIHB. Die genauen klinischen Auswahlkriterien sind noch zu definieren. Letztlich kommt aber nur ein kleiner Teil der COPD-Patienten für diese Therapie in Frage.

Literatur

  1. AMB 2017, 51, 49. Link zur Quelle
  2. Struik, F.M., et al.: Cochrane Database Syst. Rev. 2013, 6, CD002878. Link zur Quelle
  3. Köhnlein, T., et al.: Lancet Respir. Med. 2014, 2, 698. Link zur Quelle
  4. Struik, F.M., et al. (RESCUE = REspiratory Support in COPD after acUte Exacerbation): Thorax 2014, 69, 826. Link zur Quelle
  5. Murphy, P.B., et al.: JAMA 2017, 317, 2177. Link zur Quelle