Nur ungefähr die Hälfte der akuten Exazerbationen einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD = Chronic Obstructive Pulmonary Disease) ist durch Infektionen bedingt, und dabei sind in bis zu 75% Viren die Ursache (1, vgl. 2). Trotzdem werden mehr als 80% der Patienten mit akut exazerbierter COPD antibiotisch behandelt (3). Die Entscheidung für eine Antibiotika-Therapie wird seit 1987 anhand der sogenannten Anthonisen-Kriterien getroffen (Zunahme von Sputumvolumen, Purulenz und Dyspnoe; 4). Purulentes Sputum wird dabei als bestes Anzeichen einer bakteriellen Infektion eingeschätzt; allerdings zeigen einige Daten eine geringe Spezifität dieses klinischen Befunds sowie keine überzeugende Assoziation mit der „Keimlast“ (5). Auch Serumparameter, beispielsweise erhöhtes Procalcitonin (PCT; 5, 6), wurden als hilfreich angesehen für die Indikation zu einer antibiotischen Therapie und um möglicherweise unnötige Behandlungen zu vermindern. PCT wird in den C-Zellen der Schilddrüse im Rahmen entzündlicher Vorgänge, besonders durch bakterielle Infektionen, vermehrt gebildet. Ein PCT-Test ist jedoch nicht überall verfügbar und auch nicht kostengünstig. Nun wurde in einer Studie in hausärztlichen Praxen untersucht, ob durch die Ergebnisse eines CRP-Schnelltests Antibiotika-Behandlungen bei akut exazerbierter COPD ohne Nachteil für die Patienten vermieden werden können (3).
Die randomisierte kontrollierte Studie wurde multizentrisch und nicht verblindet durchgeführt. Eingeschlossen wurden Patienten mit COPD, die sich in einer von 86 hausärztlichen Praxen in England und Wales wegen einer akuten Exazerbation vorstellten und bei denen mindestens ein Anthonisen-Kriterium vorlag. Bei der Hälfte der Patienten wurde zusätzlich zur üblichen Betreuung ein CRP-Schnelltest durchgeführt. Primäre Endpunkte der Studie waren der Gebrauch von Antibiotika für akute Exazerbationen der COPD, der vier Wochen nach der Randomisierung bei den Patienten erfragt wurde, sowie die gesundheitsbezogene Lebensqualität, die zwei Wochen nach der Randomisierung durch einen validierten Fragebogen, den Clinical COPD Questionnaire (CCQ), erhoben wurde. Zu den sekundären Endpunkten gehörten die Zahl der Antibiotika-Verschreibungen bei Erstkontakt sowie in den 4 Wochen danach, die Nebenwirkungen der Antibiotika sowie verschiedene bakteriologische und klinische Parameter.
Alle teilnehmenden Praxen erhielten Hinweise zur Interpretation der CRP-Testergebnisse, nach denen bei einem CRP < 20 mg/l auf Antibiotika verzichtet werden sollte. Bei einem CRP von 20-40 mg/l – insbesondere in Kombination mit purulentem Sputum – wurde eine antibiotische Therapie als möglicherweise sinnvoll eingeschätzt und bei einem CRP > 40 mg/l als wahrscheinlich nützlich. Es wurde empfohlen, die Entscheidung über den Einsatz eines Antibiotikums nicht nur nach dem CRP-Wert zu treffen, sondern den gesundheitlichen Zustand des Patienten umfassend zu berücksichtigen.
Eingeschlossen wurden 653 Patienten. In der CRP-Gruppe berichteten weniger Patienten über den Gebrauch von Antibiotika als in der Kontrollgruppe (57,0% vs. 77,4%; adjustierte Odds Ratio: 0,31; 95%-Konfidenzintervall: 0,20-0,47). Die Reduktion um 20% entspricht 1 von 5 Patienten. Bei den Antibiotika-Verordnungen ergab sich ein ähnliches Bild: Patienten in der CRP-Gruppe wurde signifikant seltener ein Antibiotikum verordnet als in der Kontrollgruppe, sowohl bei der Erstvorstellung (47,7% vs. 69,7%) als auch in den folgenden 4 Wochen (59,1% vs. 79,7%).
Bei ungefähr einem Drittel der Patienten mit einem CRP-Wert < 20 mg/l wurden Antibiotika verschrieben (79/241 = 32,8%), aber bei ungefähr 90% der Patienten mit einem CRP-Wert > 20 mg/l (CRP 20-40 mg/l: 32/38 Patienten = 84,2%; CRP > 40 mg/l: 36/38 Patienten = 94,7%). Die Wahrscheinlichkeit, ein Antibiotikum verschrieben zu bekommen, war bei Patienten mit 2 oder 3 Anthonisen-Kriterien niedriger, wenn sie sich in der CRP-Gruppe befanden, als in der Kontrollgruppe.
Die gesundheitsbezogene Lebensqualität der Patienten verschlechterte sich durch den CRP-gesteuerten Verzicht auf ein Antibiotikum nicht. Im CCQ betrug der Unterschied -0,19 Punkte zugunsten der CRP-Gruppe, ab 0,4 Punkte wird dieser Wert als klinisch relevant eingeschätzt.
Zwei Patienten in der Kontrollgruppe starben innerhalb von 4 Wochen nach der Randomisierung an einer Pneumonie bzw. an einer Ateminsuffizienz. Die Todesfälle wurden von den Autoren nicht mit der Teilnahme an der Studie in Verbindung gebracht. Während der 6-monatigen Nachbeobachtungszeit waren die Zahl der Krankenhausaufnahmen und Pneumonien in beiden Gruppen ähnlich. Auch durch Nebenwirkungen der Antibiotika zeigten sich keine Unterschiede zwischen den Gruppen.
Fazit: Nach den Ergebnissen dieser offenen randomisierten kontrollierten Studie in hausärztlichen Praxen kann das Ergebnis eines CRP-Schnelltests dazu beitragen, unnötige Antibiotika-Behandlungen bei Patienten mit akut exazerbierter COPD zu vermeiden. Ein Teil der Patienten mit vermehrtem oder purulentem Sputum hatte niedrige CRP-Werte und erhielt dem Design der Studie entsprechend keine Antibiotika, ohne dass sich klinisch Nachteile ergaben. Die Studie erlaubt jedoch keine Aussage darüber, welche Patienten von Antibiotika profitieren (vgl. 4). Die Entscheidung für oder gegen eine antibiotische Therapie sollte immer auch den körperlichen Gesamtzustand des Patienten und den Schweregrad der COPD-Symptome berücksichtigen.
Literatur
- http://www.akdae.de/Arzneimitteltherapie/ WA/Archiv/Antibiotika-LRTI.pdf Link zur Quelle
- AMB 2017, 51, 49. Link zur Quelle
- Butler, C., et al.: N. Engl. J. Med. 2019, 381, 111. Link zur Quelle
- Brett, A.S., und Al-Hasan, M.N.: N. Engl. J. Med. 2019, 381, 174. Link zur Quelle
- https://www.awmf.org/uploads/ tx_szleitlinien/020-006l_S2k_COPD_chronisch -obstruktive-Lungenerkrankung_2018-01.pdf Link zur Quelle
- Pantzaris, N.-D., et al.: J. Clin. Med. Res. 2018, 10, 545. Link zur Quelle