Seit drei Jahren ist die Kombination eines Angiotensin-Rezeptorblockers mit einem Neprilysin-Inhibitor (Wirkstoffgruppe „ARNI“), in der Fixkombination Sacubitril und Valsartan (S/V; Entresto®) EU-weit für die Indikation „Behandlung einer symptomatischen, chronischen Herzinsuffizienz mit reduzierter linksventrikulärer Ejektionsfraktion“ (LVEF) zugelassen. Die Herzinsuffizienz-Leitlinien der europäischen kardiologischen Gesellschaft von 2016 (ESC; 1) ebenso wie die Nationale VersorgungsLeitlinie von 2017 (NVL; 13) empfehlen S/V als Zweitlinientherapie und Ersatz für ACE-Hemmer (ACEH) oder Angiotensin-II-Rezeptorblocker (AT-II-RB), wenn die Patienten trotz optimaler Behandlung mit ACEH oder AT-II-RB plus Betablocker plus Aldosteron-Antagonisten symptomatisch bleiben (ESC-Empfehlung IB; 1).
Der Wirkstoff Sacubitril hemmt Neprilysin, eine ubiquitär vorkommende Endopeptidase, die u.a. für den Abbau von natriuretischen Peptiden verantwortlich ist. Dies resultiert in einer stärkeren Natriurese und Diurese. Die Zulassung von S/V beruht auf der PARADIGM-HF-Studie (2), die für ambulante Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz Vorteile hinsichtlich der kardiovaskulären Letalität und der Hospitalisierungsrate im Vergleich zum ACEH Enalapril gezeigt hatte. Trotz dieses positiven Ergebnisses gab es einige Kritikpunkte an dieser vom pharmazeutischen Unternehmer (pU) initiierten und finanzierten Studie (vgl. 3). Der G-BA sah in seinem Beschluss zu S/V einen Anhaltspunkt für einen beträchtlichen Zusatznutzen gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie. Nur bei Diabetes mellitus wurde nach einer Sensitivitätsanalyse ein Anhaltspunkt für einen Zusatznutzen gesehen (4).
Die Kritikpunkte, möglicherweise auch eine „gesunde Skepsis“ gegenüber neuen Medikamenten, und nicht zuletzt der hohe Preis (Tagestherapiekosten für Entresto® ca. 5,79 € vs. 0,12 € für Enalapril) führten dazu, dass die Verkaufszahlen von S/V in den ersten zwei Jahren deutlich hinter den Erwartungen des pU zurückblieben, obwohl sich die Verordnungen von 2017 gegenüber dem Vorjahr fast verdreifacht haben (auf 10,5 Mio DDD; 12). Dies geschah trotz einer raschen Aufnahme von Entresto® in die europäischen und US-amerikanischen Herzinsuffizienz-Leitlinien, unzähliger Sekundär- und Tertiärpublikationen zur PARADIGM-HF-Studie, einer Omnipräsenz auf Fachkongressen (vgl. 5) und zuletzt auch einer an Laien adressierten Awareness-Kampagne zu Herzinsuffizienz (6).
Nun gibt es aktuelle Studienergebnisse zu S/V. Im Februar 2019 wurde im N. Engl. J. Med. die PIONEER-HF-Studie veröffentlicht (7). In dieses, ebenfalls vom pU initiierte und finanzierte multizentrische doppelblinde RCT wurden jetzt ausschließlich hospitalisierte Patienten mit akut dekompensierter Herzinsuffizienz eingeschlossen. Erneut wurde S/V mit Enalapril verglichen. Eingeschlossen wurden nun auch hypervolämische Patienten mit einer linksventrikulären Ejektionsfraktion (LVEF) ≤ 40% und einem NT-proBNP-Wert ≥ 1600 pg/ml. Die Patienten mussten hämodynamisch stabil sein (systolischer RR ≥ 100 mm Hg). Es gab insgesamt 27 Ausschlusskriterien, darunter eGFR < 30 ml/min, Serumkalium > 5,2 mmol/l, akutes kardiovaskuläres Ereignis oder Intervention ≤ 3 Monate zuvor, schwere COPD oder Rechtsherzinsuffizienz wegen einer Lungenerkrankung, hämodynamisch bedeutsame Aorten- oder Mitralvitien und symptomatische Bradykardien.
Die eingeschlossenen Patienten wurden 1:1 randomisiert. Patienten im Interventionsarm erhielten S/V und Patienten im Kontrollarm Enalapril, jeweils zweimal täglich. Es wurde mit einer niedrigen Dosis begonnen (S/V 24/26 oder 49/51 mg bzw. Enalapril 2,5 oder 5 mg, je nach Ausgangs-RR). Die Aufdosierung erfolgte in einem 1-2-wöchigen Rhythmus, je nach RR, nach einem prädefinierten Algorithmus. Die übrige Therapie war freigestellt.
Primärer Studienendpunkt war ein reines Surrogat, die Senkung des NT-proBNP-Werts innerhalb von 8 Wochen. Basierend auf diesem Endpunkt (erwartet wurde ein Unterschied von 18%) wurde die Fallzahl kalkuliert. Primäre Sicherheits-Endpunkte waren: Verschlechterung der Nierenfunktion, Hyperkaliämie, symptomatische Hypotension und Angioödeme. Klinische Ereignisse waren nur sekundäre Endpunkte, entsprechend war die Patientenzahl hierfür nicht ausreichend gepowert.
Zwischen 2016 und 2018 wurden 964 Patienten an 129 Zentren in den USA gescreent und 887 randomisiert (im Mittel 7 pro Zentrum). Sechs Patienten wurden im Nachhinein wegen Randomisierungsfehlern ausgeschlossen; die Analyse zur Wirksamkeit basiert daher auf den Daten von 881 Patienten. Diese waren im Mittel 61 Jahre alt (IQR: 51-72); 72,1% waren Männer, 35,9% Afroamerikaner. Bei 65,4% war die Herzinsuffizienz zuvor bekannt, bei 34,4% wurde die Diagnose erstmals gestellt. Die mediane LVEF betrug 25%, und 52,1% der Patienten waren nicht mit einem ACEH oder einem AT-II-RB vorbehandelt. 59% hatten zu Beginn einen Betablocker und 10% einen Aldosteron-Antagonisten. Initial wurden 11% auf einer Intensivstation behandelt, 93% erhielten intravenös Diuretika. Die Grundrisiken waren bei Randomisierung in den beiden Behandlungsarmen ähnlich, aber nicht ganz gleich verteilt, z.B.: Verwendung von Schleifendiuretika 59,5% vs. 54,4%; Hypertonie 87,3% vs. 83,7%; Diabetes 18,0% vs. 20,2%; Vorhofflimmern 33,4% vs. 27,4%; Schlaganfall-Anamnese 33% vs. 37,4% jeweils S/V vs. Enalapril. Diese Ungleichheiten lassen Zweifel an einer ausgewogenen Gruppenzuordnung (Allokation) aufkommen.
Ergebnisse: Nach 8 Wochen hatten 55,2% der Patienten mit S/V und 60,8% mit Enalapril die Zieldosis erreicht. Etwa jede/r Fünfte beendete die Therapie vorzeitig (19,6% mit V/S und 20,3% mit Enalapril), meist wegen Nebenwirkungen. Der NT-proBNP-Spiegel fiel in beiden Gruppen rasch ab, in der S/V-Gruppe signifikant schneller und ausgeprägter. Die Kurven laufen schon nach einer Woche auseinander, und nach 8 Wochen betrug die Senkung im Vergleich zum Ausgangswert 46,7% versus 25,3% (p = 0,001). Auch der systolische Blutdruck fiel mit S/V stärker ab als mit Enalapril: 22,3% vs. 13,3% hatten nach der ersten Woche einen systolischen RR < 100 mm Hg. Die Therapie mit S/V erwies sich bei diesen schwer kranken Patienten als sicher. Es kam im Vergleich zu Enalapril nicht vermehrt zu Verschlechterungen der Nierenfunktion, Hyperkaliämien oder symptomatischen Hypotensionen (s. Tab. 1). Nicht signifikant waren die Unterschiede bei Tod, Rehospitalisierung wegen Herzinsuffizienz, zusätzlichen Gaben von Herzinsuffizienz-Medikamenten oder Erhöhung der Diuretika-Dosis. Allerdings war die Studie für diese Endpunkte nicht ausreichend gepowert. Der stärkere Abfall des NT-proBNP unter S/V war in allen untersuchten Subgruppen nachweisbar, u.a. auch bei Patienten mit der Erstdiagnose Herzinsuffizienz oder ohne Vorbehandlung mit ACEH oder AT-II-RB.
Die Autoren folgern – aus unserer Sicht verfrüht – dass S/V bei akuter und schwerer Herzinsuffizienz sicher ist und zu einem rascheren Abfall des NT-proBNP-Werts führt als Enalapril. In den nächsten Monaten sind wohl noch eine Reihe weiterer Publikationen zu erwarten, da einige Informationen nicht publiziert wurden, etwa die Daten zur Lebensqualität oder auch die 3-Monatsdaten (die Patienten wurden noch 4 Wochen „open label“ weiter behandelt).
Kritik: Aus unserer Sicht gibt es keinen Grund, bei einer Erkrankung mit hoher Prävalenz und Morbidität wie der Herzinsuffizienz, auf klinische Ereignisse als primären Endpunkt zu verzichten und sich auf ein Labor-Surrogat zu verlassen. Die Autoren begründen ihre Wahl dieses Parameters damit, dass sich in der PROTECT-Studie eine NT-proBNP-geführte Therapie dem Standard-Management hinsichtlich der Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse als überlegen gezeigt hatte (8). Andererseits gibt es aber auch Studien, die keinen langfristigen Nutzen einer NT-proBNP-gesteuerten gegenüber einer Symptom-gesteuerten Therapie zeigen konnten (9). Zudem ist bekannt, dass verschiedene Herzinsuffizienz-Arzneimittel durchaus unterschiedliche Effekte auf das Ausmaß der NT-proBNP-Senkung haben. Während Diuretika die NT-proBNP-Konzentrationen durch die Entwässerung rasch senken, geschieht dies bei ACEH und AT-II-RB langsamer, und bei Betablockern kommt es teilweise sogar zu Anstiegen (10). Da Sacubitril natriuretisch wirkt, ist es also naheliegend, dass das NT-proBNP rascher sinkt als unter Enalapril. Auch die kurze Nachbeobachtungszeit von 2 Monaten wirft nach unserer Einschätzung Probleme auf. Bei einer medianen Krankenhausverweildauer von 5,2 Tagen könnte die häufigere Rehospitalisierung innerhalb von 8 Wochen in der Enalapril-Gruppe auch darauf hinweisen, dass diese Patienten weniger stark entwässert und zu früh entlassen worden waren.
Auch John Jarcho von der Harvard Universität bezeichnet die Auswahl des primären Endpunkts in seinem Editorial als „unerwartet“ (11). Als weitere Einschränkung der Aussagekraft erwähnt er, dass die Konfidenzintervalle für das Relative Risiko bei jedem einzelnen Sicherheitsendpunkt sehr weit sind (was ebenfalls auf die oben erwähnte unzureichende statistische „Power“ der Studie zurückzuführen ist). Prinzipiell begrüßt er jedoch die Ergebnisse der PIONEER-HF-Studie und empfiehlt, mit Medikamenten wie ARNI schon früh in der Klinik zu beginnen. Dies garantiere deren Anwendung und führe wahrscheinlich auch zu einer besseren Adhärenz.
Es ist zu erwarten, dass diese hinsichtlich Design und Interpretation der Ergebnisse durchaus kritikwürdige Studie das Management von Herzinsuffizienz-Patienten rasch erheblich verändern wird. Vor einer Indikationsausweitung sind nach unserem Verständnis jedoch weitere, möglichst unabhängige Studien erforderlich mit für die Herzinsuffizienz relevanten klinischen Endpunkten und einer ausreichend langen Nachbeobachtungszeit.
Fazit: Sacubitril/Valsartan senkt den Surrogatparameter NT-proBNP bei Patienten, die wegen akuter, schwerer Herzinsuffizienz stationär behandelt werden müssen stärker als Enalapril in der üblichen Erhaltungsdosis. Die Anwendung von Sacubitril/Valsartan scheint in dieser klinischen Situation auch sicher zu sein. Ob sich dieser Befund auch auf die Langzeitprognose dieser Patienten auswirkt, oder ob es sich nur um einen akuten, von einer stärkeren Entwässerung geprägten Effekt handelt, ist nicht klar. Wie bei der PARADIGM-HF-Studie gibt es auch bei PIONEER-HF-Studie methodische Vorbehalte. Die Anwendung von Sacubitril/Valsartan bei akuter Herzinsuffizienz ist derzeit eine Off-label-Anwendung!
Literatur
- Ponikowski, P., et al.: Eur. Heart J. 2016, 37, 2129. Erratum: Eur. Heart J. 2018, 39, 860.
- McMurray, J.J., et al. (PARADIGM-HF = Prospective comparison of ARNI with ACE-I to Determine Impact on Global Mortality and morbidity in Heart Failure): N. Engl. J. Med. 2014, 371, 993. Vgl. AMB 2014, 48, 75. Link zur Quelle
- AMB 2016, 50, 33. Link zur Quelle
- https://www.g-ba.de/downloads/ 91-1385-213/2016-06-16_Geltende -Fassung_Sacubutril_ Valsartan_D-207.pdf Link zur Quelle
- AMB 2016, 50, 53. Link zur Quelle
- www.herzschwäche.de Link zur Quelle
- Velazquez, E.J., et al. (PIONEER-HF = ComParison Of Sacubitril/valsartaN versus Enalapril on Effect on ntpRo-bnp in patients stabilized from an acute Heart Failure episode): N. Engl. J. Med. 2019, 380, 539. Link zur Quelle
- Januzzi, J.L., et al. (PROTECT = Use of NT-proBNP testing to guide heart failure therapy in the outpatient setting): J. Am. Coll. Cardiol. 2011, 58, 1881. Link zur Quelle
- Pfisterer, M., et al. (TIME-CHF = Trial of Intensified versus standard Medical therapy in Elderly patients with Congestive Heart Failure): JAMA 2009, 301, 383. Link zur Quelle
- Luchner, A., et al.: Dtsch. Med. Wochenschr. 2017, 142, 346. Link zur Quelle
- Jarcho, J.: N. Engl. J. Med. 2019, 380, 590. Link zur Quelle
- Schwabe, U., Paffrath, D., Ludwig, W.-D., Klauber, J. (Hrsg.): Arzneiverordnungs-Report 2018. Springer-Verlag GmbH 2018, S. 540.
- https://www.leitlinien.de/mdb/ downloads/nvl/herzinsuffizienz/ herzinsuffizienz-2aufl-vers2- kurz.pdf Link zur Quelle