Thiazid-Diuretika und ihre Analoga sind nach den Hypertonie-Leitlinien Erstlinien-Therapeutika bei arterieller Hypertonie (IA-Empfehlung; 1). Sie gehören als Einzelwirkstoffe und als Kombinationspartner zu den am häufigsten verordneten Wirkstoffen überhaupt (2). Leitsubstanz ist Hydrochlorothiazid (HCT), das bereits 1958 zugelassen wurde (3). Auf HCT entfallen etwa 75% aller Thiazid-Verordnungen als Einzelwirkstoff und > 95% als Kombinationspartner (Präparate mit Co-, -Plus oder -HCT im Namen; 2).
Die wichtigsten HCT-Analoga bzw. Thiazid-ähnlichen Diuretika sind das lang wirkende Chlortalidon (CT), sowie Indapamid und Xipamid. Während HCT und CT bei einer Kreatinin-Clearance < 30 ml/min als diuretisch fast wirkungslos anzusehen sind, wirkt Xipamid auch bei fortgeschrittener Niereninsuffizienz noch diuretisch (4). Die pharmakokinetischen Kenndaten dieser vier Diuretika sind in Tab. 1 aufgeführt. Wichtig ist, dass CT mit ca. 50 Stunden die längste Halbwertszeit hat und daher bei arterieller Hypertonie nur alle zwei Tage eingenommen werden soll (5). Seit eine Assoziation von HCT im Langzeitgebrauch mit weißem Hautkrebs bekannt geworden ist (vgl. 6), nahmen die Verordnungen für HCT ab und die von CT und Indapamid zu (2).
Thiazid-Diuretika hemmen die Natriumrückresorption in den distalen Tubuli. Dies führt zu einer vermehrten Natriurese mit initialem Volumenverlust. Da der diuretische Effekt nicht sehr ausgeprägt ist, werden Thiazide und ihre Analoga zu den „low-ceiling“-Diuretika gezählt. Neben der diuretischen Wirkung haben sie auch einen peripher vasodilatierenden Effekt. Dieser tritt schon in geringen Dosen auf und ist für die langfristige Blutdrucksenkung verantwortlich. In der ALLHAT-Studie bewirkte CT (mittlere Tagesdosis 18,8 mg) eine Senkung des systolischen Blutdrucks um 10 mm Hg (7, 8).
Nach einem Cochrane Review aus dem Jahre 2014 existiert bei CT hinsichtlich der Blutdrucksenkung keine eindeutige Dosis-Wirkungsbeziehung, d.h. ausreichend zur Behandlung der arteriellen Hypertonie sind 12,5 mg/d (bzw. 25 mg alle zwei Tage). Dagegen führen steigende HCT-Dosen zu einer zunehmenden Blutdrucksenkung: mit 12,5 mg/d um 6 mm Hg, mit 25 mg/d um 8 mm Hg und mit 50 mg/d um 11 mm Hg (9). Indirekt ist hieraus abzuleiten, dass 12,5 mg/d CT und 37,5 mg/d HCT äquipotent hinsichtlich der Blutdrucksenkung sind (3). Höhere Dosen als die genannten nützen nicht mehr, begünstigen aber Nebenwirkungen (NW) wie Hypovolämie, Elektrolytstörungen (Hyponatriämie, Hypokaliämie, Hypomagnesiämie, selten Hyperkalziämie) sowie metabolische Komplikationen (Hyperurikämie, Hyperlipidämie). Das gilt insbesondere für das lang wirkende CT (10).
Obwohl HCT und CT schon über 60 Jahre zur Behandlung der arteriellen Hypertonie angewendet werden, ist nicht bekannt, ob sie hinsichtlich der Beeinflussung klinischer Endpunkte gleich sind. Es gibt bis heute keine randomisierten kontrollierten Studien, die diese beiden Wirkstoffe miteinander verglichen haben. Diese Wissenslücke sollte das Diuretic Comparisons Project der Veterans Affairs Trial Initiative füllen (11). Nun ist eine retrospektive Kohortenstudie erschienen, die CT und HCT hinsichtlich klinischem Nutzen und NW verglichen hat (12). Hierzu wurden die anonymisierten Versicherungsdaten aus Datenbanken von drei Krankenversicherungsunternehmen von über 730.000 US-Amerikanern ausgewertet, bei denen zwischen 2001-2018 die Diagnose einer arteriellen Hypertonie gestellt und eine antihypertensive Behandlung mit CT oder HCT als Monotherapie begonnen wurde. Zum Ausgleich der Grundrisiken erfolgte eine sog. „large scale propensity score stratification“, in der Alter, Geschlecht, Komorbiditäten und Komedikation berücksichtigt wurden. Primäre Analyse-Endpunkte waren Krankenhausaufnahmen wegen Myokardinfarkt, Herzinsuffizienz oder Schlaganfall und eine Kombination dieser drei Ereignisse plus plötzlichem Herztod. Zudem gab es 51 vordefinierte Sicherheitsendpunkte, darunter Elektrolytentgleisungen, Diabetes mellitus, Gicht und Nierenerkrankungen.
Insgesamt erhielten als antihypertensive Erstlinien-Monotherapie 36.918 Personen CT (5%) und 693.337 HCT (95%). Das mittlere Alter betrug 51,5 Jahre, und 61,6% waren Frauen. Die durchschnittlich verwendete Dosis ist nicht bekannt, da die Versicherungsdaten hierzu keine detaillierten Informationen enthielten. Beim HCT erhielten 55,7% eine Tagesdosis von 25 mg, die übrigen eine geringere oder höhere Dosis. Es ist also unklar, ob die Dosierungen von CT und HCT äquipotent und somit vergleichbar waren.
Hinsichtlich der Wirksamkeit fanden sich nach rechnerischem Risikoausgleich keine Unterschiede zwischen HCT und CT: kombinierter Endpunkt: 0,40% vs. 0,44%; kalibrierte Hazard Ratio (kal. HR): 1,00 (95%-Konfidenzintervall: 0,85-1,17); Myokardinfarkt: kal. HR: 0,92; Herzinsuffizienz: kal. HR: 1,05; Schlaganfall: kal. HR: 1,10. Bei den Sicherheitsendpunkten schnitt CT schlechter ab als HCT. Es fand sich ein höheres Risiko für Hypokaliämie (kal. HR: 2,72), Hypomagnesiämie (kal. HR: 1,57), akute Niereninsuffizienz (kal. HR: 1,37), Hyponatriämie (kal. HR: 1,31), Gicht (kal. HR: 1,27), chronische Niereninsuffizienz (kal. HR: 1,24), Diabetes mellitus (kal. HR: 1,21), Synkopen (kal. HR: 1,19) und Impotenz (kal. HR: 1,18).
Diese scheinbar höhere Toxizität von CT könnte überwiegend aus einer zu hohen Dosierung resultieren. Dafür spricht auch eine Sensitivitätsanalyse mit den Daten aus der Subkohorte, in der nur Patienten mit 12,5 mg/d CT und 25 mg/d HCT verglichen wurden. Hierbei war bei Einnahme von CT nur noch ein erhöhtes Risiko für Hypokaliämien erkennbar (kal. HR: 1,57).
Fazit: Registerdaten weisen darauf hin, dass die beiden Thiaziddiuretika Hydrochlorothiazid oder Chlortalidon in den Dosierungen 25 mg bzw. 12,5 mg täglich bei Patienten mit arterieller Hypertonie hinsichtlich kardiovaskulärer Endpunkte gleich effektiv sind. Höhere Dosen führen zu keiner weiteren Blutdrucksenkung, aber vermehrt zu Nebenwirkungen, und sollten daher vermieden werden, insbesondere bei dem lang wirkenden Chlortalidon.
Literatur
- Williams, B., et al.: Eur. Heart J. 2018, 39, 3021. Link zur Quelle
- Oßwald, H., und Mühlbauer, B.: Diuretika. In: Schwabe, U., Paffrath, D., Ludwig, W.-D., Klauber, J. (Hrsg.): Arzneiverordnungs-Report 2019. Springer-Verlag Berlin 2019, S. 683.
- Sönnichsen, A.: ZfA 2015, 91, 13. Link zur Quelle
- Knauf, H., und Mutschler, E.: Arzneimittelforschung 2005, 55, 1. Link zur Quelle
- Fachinformation Hygroton: Link zur Quelle (Zugriff am 26.2.2020).
- AMB 2018, 52, 84 Link zur Quelle . AMB 2019, 53, 16. Link zur Quelle
- Cushman, W.C., et al. (ALLHAT = Antihypertensive and Lipid-Lowering treatment to prevent Heart Attack Trial): J. Clin. Hypertens. (Greenwich) 2008, 10, 751. Link zur Quelle
- AMB 2003, 37, 12. Link zur Quelle
- Musini, V.M., et al.: Cochrane Database of Systematic Reviews 2014, Issue 5, Art.No CD003824. Link zur Quelle
- Dhalla, I.A., et al.: Ann. Intern. Med. 2013, 158, 447. Link zur Quelle
- Lederle, F.A., et al.: Ann. Intern. Med 2016, 165, 663. Link zur Quelle
- Hripcsak, G., et al.: JAMA Intern. Med. 2020, published online 17.2.2010. Link zur Quelle
- Fachinformationen HCT-ratiopharm 25 mg: Link zur Quelle (Zugriff am 26.2.20)
- Fachinfo Indapamid Heumann: Link zur Quelle (Zugriff am 26.2.2020).
- Fachinfo Xipamid Ratiopharm: Link zur Quelle (Zugriff am 26.2.2020).
- Vogel, L., et al.: Krankenhauspharmazie 2005, 26, 471. Link zur Quelle