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Molnupiravir und PF-07321332: Was wissen wir derzeit über diese beiden neuen antiviral wirksamen Arzneimittel zur Prävention und Behandlung von COVID19?

Das BMJ hat am 28. Oktober unter der Überschrift „Sicherheit und Wirksamkeit von antiviralen Medikamenten gegen SARS-CoV-2 – Wir benötigen Evidenz und nicht Optimismus“ ein kritisches Editorial veröffentlicht zu den beiden derzeit diskutierten Wirkstoffen von Merck Sharp und Dohme (MSD; Molnupiravir) und Pfizer (PF-07321332/Ritonavir = Paxlovid®; 1, vgl. 17). In Ermangelung gut wirksamer Arzneimittel, die eine Vermehrung (Replikation) von SARS-CoV-2 intrazellulär verhindern und dadurch Symptome einer Infektion reduzieren sowie einen schweren Verlauf von COVID-19 mit Krankenhausaufenthalt vermeiden, wird verständlicherweise große Hoffnung an diese beiden Arzneimittel geknüpft (2, 3). Obwohl derzeit noch keine Ergebnisse klinischer Phase-II/III-Studien in medizinischen Fachzeitschriften publiziert sind, möchten wir kurz über die bisher mitgeteilten Kenntnisse zu diesen beiden Wirkstoffen informieren.

Molnupiravir wurde ursprünglich als Arzneimittel zur Behandlung der Grippe entwickelt und hat bislang keine Zulassung in Europa oder Nordamerika. Der Wirkstoff wird nach oraler Einnahme erst durch die Verstoffwechselung im Körper aktiviert (1, 4). Molnupiravir schleust RNA-ähnliche Bausteine ins Erbgut des Virus ein. Diese verbinden sich mit den Nukleinbasen Adenin und Guanin, was zu Mutationen in der viralen RNA führt und dadurch die Replikation des Virus blockiert (4, 5). Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in Göttingen (Patrick Cramer) und der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (Claudia Höbartner) waren wesentlich an der Aufklärung des molekularen Wirkmechanismus von Molnupiravir beteiligt (4). Die beiden Wissenschaftler erhoffen sich von diesem Wirkmechanismus neue Behandlungsmöglichkeiten eines ganzen Spektrums viraler Erkrankungen. Die Wirksamkeit von Molnupiravir (MK-4482/EIDD-801) hinsichtlich Abschwächung einer SARS-CoV-2-Infektion und Verhinderung einer Transmission war zunächst im Tiermodell an Frettchen gezeigt worden (6).

Anfang Oktober 2021 veröffentlichte MSD in einer Pressemitteilung erste klinische Ergebnisse aus einer plazebokontrollierten Phase-III-Studie (1, 7, 8, 18). Demzufolge konnte Molnupiravir – in der Dosierung von 800 mg 2x täglich über 5 Tage – in einer Zwischenanalyse von 775 nicht hospitalisierten Patienten mit milden oder moderaten Symptomen – eine Krankenhausaufnahme oder Tod an COVID-19 (28 von 385 Patienten; 7,3%) gegenüber Plazebo (53 von 377 Patienten; 14,1%) verhindern (1, 7). Am Tag 29 war kein Patient in der mit Molnupiravir behandelten Gruppe gestorben, jedoch 8 Patienten in der Plazebogruppe (7). Aufgrund dieser positiven Ergebnisse wurde die Phase-III-Studie vom Datenüberwachungskomitee vorzeitig beendet. Detaillierte Ergebnisse zur Sicherheit bzw. Nebenwirkungen von Molnupiravir wurden von MSD und seinem Partner Ridgeback Biotherapeutics bisher noch nicht veröffentlicht (9). Diese Ergebnisse sind jedoch sehr wichtig, u.a. aufgrund des mutagenen Potenzials von Molnupiravir, das eine sehr gründliche Nachverfolgung der behandelten Patienten erfordert, beispielsweise hinsichtlich des Auftretens von Tumorerkrankungen, Geburtsfehlern bzw. Fehlgeburten (4, 9, 10).

Diese Ergebnisse zu Molnupiravir wurden von einem renommierten Infektiologen und früheren Leiter der „University Clinical Research Unit“ in Oxford, Peter Horby, wie folgt kommentiert: „Die Risikoreduktion für eine Aufnahme ins Krankenhaus oder Sterben an COVID-19 ist eindrucksvoll. Wichtig ist es jedoch, daran zu erinnern, dass das absolute Risiko von 14% auf 7% reduziert wurde und somit sehr viele Patienten behandelt werden müssen, um eine Krankenhausaufnahme oder einen Tod zu verhindern“. Dies bedeutet, „Molnupiravir muss sehr sicher und sein Preis bezahlbar sein“ (4). Außerdem wies Peter Horby auf die auch von anderen antiviralen Arzneimitteln bekannte Resistenzentwicklung hin, die häufig eine Kombinationstherapie mit verschiedenen antiviral wirksamen Arzneimitteln erfordert (4).

In einer vorausgegangen Phase-II-Studie konnte Molnupiravir in derselben Dosierung wie in der Phase-III-Studie die Isolierung von infektiösem SARS-CoV-2 an Tag 3 nach Infektion bei den Studienteilnehmern von 16,7% auf 1,9% reduzieren (1).

In Großbritannien hat Molnupiravir bereits Anfang November 2021 eine bedingte Zulassung von der „Medicines and Health care products Regulatory Agency“ (MHRA) erhalten (9). Auch in der EU („rolling review“; 11) bzw. in den USA („Emergency Use Authorization“; 12) haben bei den zuständigen Arzneimittelbehörden (European Medicines Agency = EMA bzw. Food and Drug Administration = FDA) Verfahren zur Beurteilung und Zulassung von Molnupiravir bereits begonnen. Nach Information der Max-Planck-Gesellschaft haben sich die USA bereits 1,7 Mio. Dosen von Molnupiravir gesichert (4).

Auch zu dem von Pfizer entwickelten Proteaseinhibitor PF-07321332, der in Kombination mit niedrig dosiertem Ritonavir eingenommen wird (Paxlovid®), wurden erste Studienergebnisse bisher nur in einer Pressemitteilung des pharmazeutischen Unternehmers veröffentlicht (15, vgl. 8). Ritonavir wirkt für PF-07321332, wie bei der Kombination mit Lopinavir, als pharmakokinetischer Verstärker (Booster), indem es Zytochrom P450 (CYP3A) und somit die Metabolisierung von PF-07321332 in der Leber hemmt (14).

Laut Pressemitteilung reduziert das Arzneimittel im Vergleich zu Plazebo das Risiko für Krankenhausaufnahme und Tod signifikant bei Menschen mit COVID-19, die ein hohes Risiko für eine schwere Erkrankung haben. Vorgestellt werden Ergebnisse einer geplanten Zwischenanalyse einer Phase-II/III-Studie (EPIC-HR), in die bis zum 29. September 2021 insgesamt 1.219 Erwachsene eingeschlossen wurden. Voraussetzung für die Teilnahme der Patienten war eine im Labor bestätigte Diagnose einer SARS-CoV-2-Infektion innerhalb der 5 Tage zuvor mit leichten bis mittelschweren Symptomen sowie mindestens einem Risikofaktor für einen schweren Verlauf von COVID-19. Jeder Patient erhielt randomisiert (1:1) 5 Tage lang alle 12 Stunden oral Paxlovid® oder Plazebo. Primärer Endpunkt war eine Krankenhausaufnahme aufgrund von COVID-19 bzw. Tod aus jeglicher Ursache.

Von den innerhalb von 3 Tagen nach Auftreten der Symptome behandelten Patienten wurden aus der Paxlovid®-Gruppe 3 von 389 (0,8%) bis zum 28. Tag nach der Randomisierung ins Krankenhaus eingeliefert, wobei es keinen Todesfall gab. Aus der Plazebo-Gruppe wurden dagegen 27 von 385 (7%) Patienten stationär aufgenommen, und 7 Patienten starben. Es wird eine relative Risikoreduktion von 89% angegeben sowie eine hohe statistische Signifikanz der Ergebnisse (p < 0,0001). Auch bei Patienten, die innerhalb von 5 Tagen nach Auftreten der Symptome behandelt wurden, zeigte sich ein Vorteil für Paxlovid®: Während in der Verum-Gruppe 6 von 607 (1%) Patienten stationär aufgenommen wurden und kein Todesfall auftrat, wurden in der Plazebo-Gruppe 41 von 612 (6,7%) Patienten hospitalisiert, und 10 Patienten starben. Insgesamt gab es bis zum 28. Tag bei den Patienten, die Paxlovid® erhielten, keinen Todesfall, während in der Plazebo-Gruppe 10 (1,6%) Personen starben.

Zur Beurteilung der Sicherheit des Arzneimittels wurden Daten von 1.881 Patienten analysiert. Der Anteil von Patienten, bei denen unerwünschte Ereignisse auftraten, war in beiden Gruppen ähnlich hoch (19% vs. 21%). In der Paxlovid®-Gruppe traten weniger schwerwiegende unerwünschte Ereignisse auf als in der Plazebo-Gruppe (1,7% vs. 6,6%). Die Studie wurde auch bei weniger Patienten wegen eines unerwünschten Ereignisses abgebrochen (2,1% vs. 4,1%).

Aufgrund dieser positiven Ergebnisse wurde die Studie vom Datenüberwachungskomitee vorzeitig beendet, ähnlich wie bei Molnupiravir (s.o.). Zu dem Zeitpunkt waren 70% der geplanten 3.000 Patienten in Studienzentren in Nord- und Südamerika, Europa, Afrika und Asien eingeschlossen, davon 45% in den USA. Pfizer kündigte an, die Daten so bald wie möglich für eine Notfallzulassung des Arzneimittels bei der FDA einzureichen (15).

Zurzeit laufen noch zwei weitere Phase-II/III-Studien mit Paxlovid®: In der einen werden Patienten ohne Risikofaktoren für einen schweren COVID-19-Verlauf behandelt (EPIC-SR) und in der anderen wird der Nutzen in der Postexpositionsprophylaxe untersucht (EPIC-PEP). Ergebnisse stehen aus.

Von der britischen Regierung wurden bereits beide Arzneimittel für eine Bevorratung von 480.000 Therapiezyklen Molnupiravir und 250.000 Therapiezyklen Paxlovid® angeschafft (8). Die japanische Regierung hat sich 1,6 Mio. Zyklen Molnupiravir gesichert (20). Dies verwundert angesichts der vorläufigen Ergebnisse zu den Arzneimitteln sowie der fehlenden unabhängigen Begutachtung („peer review“) der Publikationen zu diesen Studien (8).

Antivirale Therapien sind aus pathophysiologischer Sicht sehr wahrscheinlich nur in der frühen Krankheitsphase von COVID-19 sinnvoll, solange das Virus in Zellen der infizierten Person noch repliziert wird (16, vgl. 19). Außerdem sollten antivirale Medikamente aus Gründen der Nutzen/Risiko-Abwägung in erster Linie bei Personen eingesetzt werden, die mindestens einen Risikofaktor für einen schweren Krankheitsverlauf haben, wie z.B. Adipositas, höheres Lebensalter, Diabetes mellitus oder eine Herzerkrankung.

Literatur

  1. Sidebottom, D.B., et al.: BMJ 2021, 375, n2611. Link zur Quelle
  2. Trivedi, N., et al.: Eur. Rev. Med. Pharmacol. Sci. 2020, 24, 12593. Link zur Quelle
  3. AMB 2020, 54, 25 Link zur Quelle . AMB 2020, 54, 37 Link zur Quelle . AMB 2020, 54, 48 Link zur Quelle . AMB 2020, 54, 56 Link zur Quelle . AMB 2020, 54, 80. Link zur Quelle
  4. https://www.mpg.de/17357276/0812 bich-molnupiravir-152115-x Link zur Quelle
  5. Kabinger, F., et al.: Nat. Struct. Mol. Biol. 2021, 28, 740. Link zur Quelle
  6. Cox, R.M., et al.: Nat. Microbiol. 2021, 6, 11. Link zur Quelle
  7. Mahase, E.: BMJ 2021, 375, n2422. Link zur Quelle
  8. Mahase, E.: BMJ 2021, 375, n2602. Link zur Quelle
  9. Perrone, M., und Cheng, M.: Link zur Quelle
  10. van Schalkwyk, J.M.: BMJ 2021, 375, n2663. Link zur Quelle
  11. https://www.ema.europa.eu/en/ news/covid-19-ema-starts-rolling- review-molnupiravir Link zur Quelle
  12. https://www.fda.gov/news-events/press-announcements/ fda-hold-advisory-committee-meeting- discuss-merck-and-ridgebacks-eua-application- covid-19-oral Link zur Quelle
  13. AMB 2020, 54, 25. Link zur Quelle
  14. Kumar, D., und Trivedi, N.: Biomed. Pharmacother. 2021, 139, 111642. Link zur Quelle
  15. https://www.pfizer.com/news/press-release/ press-release-detail/pfizers-novel-covid-19- oral-antiviral-treatment-candidate Link zur Quelle
  16. Sanders, J.M., et al.: JAMA 2020, 323, 1824. Link zur Quelle
  17. Mahase, E.: BMJ 2021, 375, n2713. Link zur Quelle
  18. https://www.merck.com/news/merck-and-ridgebacks-investigational- oral-antiviral-molnupiravir- reduced-the-risk-of-hospitalization- or-death-by-approximately- 50- percent-compared-to- placebo-for-patients-with-mild-or-moderat/ Link zur Quelle
  19. AMB 2021, 55, 68. Link zur Quelle
  20. https://www.merck.com/news/merck-and- ridgeback-announce-japanese -government-to-purchase-1-6-million-courses -of-molnupiravir-an-investigational-oral- covid-19-antiviral-medicine-upon-authorization -or-approval/ Link zur Quelle