Über den Beginn einer Pharmakotherapie beim idiopathischen Parkinson-Syndrom (IPS) haben wir bereits 2019 ausführlich berichtet (vgl. [1]). Gemäß der Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie sollte die Therapie des IPS „rechtzeitig, altersgerecht und effizient beginnen“ ([2]). Im klinischen Alltag stellt sich häufig die Frage, was „rechtzeitig“ in diesem Kontext bedeutet und ob ein verzögerter Behandlungsbeginn mit geeigneten Wirkstoffen die langfristige Prognose negativ beeinflussen kann. Zudem besteht insbesondere im Frühstadium nicht selten eine diagnostische Unsicherheit. Pathologische Studien zeigen, dass die klinische Diagnose eines IPS in etwa 25% falsch ist ([3]). Bei inkorrekter Diagnose liegt meist ein essenzieller Tremor, ein vaskuläres oder ein atypisches Parkinson-Syndrom vor; diese Erkrankungen sprechen auf dopaminerge Medikation wenig bis gar nicht an. Im Einzelfall, z.B. bei nicht eindeutiger Diagnose bzw. wenn Patienten skeptisch gegenüber einer medikamentösen Behandlung sind, könnte es daher angemessen sein, im Frühstadium den Verlauf abzuwarten, vorausgesetzt, die zur Verfügung stehende Pharmakotherapie ist rein symptomatisch und hat keinen Einfluss auf die längerfristige Prognose.
Die ELLDOPA-Studie ist eine große doppelblinde randomisierte kontrollierte (4-armige) Studie, die die Progression des frühen IPS unter verschiedenen Dosierungen von Levodopa (150 mg/d, 300 mg/d, 600 mg/d) versus Plazebo über 40 Wochen verglich ([4]). Primärer Endpunkt war die Schwere des Parkinson-Syndroms, gemessen anhand der UPDRS-Skala („Unified Parkinson’s Disease Rating Scale“, 0-199 Punkte, 0 Punkte = symptomfrei) am Studienende, d.h. 2 Wochen nach Absetzen der Medikation. Im Vergleich zum Studienbeginn fand sich unter 600 mg/d Levodopa eine geringe Remission (-1,4 Punkte), unter 150 mg/d und 300 mg/d Levodopa eine geringe Progredienz (1,9 Punkte) und in der Plazebogruppe eine deutliche Progredienz (7,8 Punkte) des Parkinson-Syndroms. Der Schweregrad war in allen 3 Behandlungsgruppen geringer als in der Plazebogruppe (p < 0,001). Ob dieses Ergebnis Ausdruck einer verzögerten Krankheitsprogression durch eine neuroprotektive Wirkung von Levodopa oder eines prolongierten Effekts von Levodopa infolge einer zu kurzen Auswaschphase (2 Wochen) war, blieb unklar. Zudem zeigte eine neuroradiologische Untersuchung mittels Single-Photon-Emissionscomputertomographie (SPECT) in einer Subgruppe der Studie in den Basalganglien eine Abnahme der Dichte der Dopamintransporter unter Levodopa im Vergleich zu Plazebo und stand somit im Widerspruch zu einem neuroprotektiven Effekt, den der klinische Teil der Studie suggerierte.
Um die Unsicherheit in der ELLDOPA-Studie, ob Levodopa krankheitsmodifizierend oder rein symptomatisch wirkt, aufzulösen, wurde die LEAP-Studie in den Niederlanden durchgeführt ([5]). Es handelt sich um eine doppelblinde randomisierte, kontrollierte Studie mit „Delayed-start design“, in der Patienten mit frühem IPS entweder über 80 Wochen mit 300 mg/d Levodopa (n = 222) oder zunächst 40 Wochen mit Plazebo und anschließend für 40 Wochen mit 300 mg/d Levodopa (n = 223) behandelt wurden. Der primäre Endpunkt, die Differenz des UPDRS-Scores zwischen Studienbeginn und Studienende, unterschied sich nicht zwischen den früh und den verzögert behandelten Gruppen (-1,0 ± 13,1 vs. -2,0 ± 13,0; Differenz: 1,0; 95%-Konfidenzintervall: -1,5-3,5; p = 0,44). Zwar erforderte eine Progression des IPS bei 39% der Patienten der „Delayed-start“-Gruppe eine vorzeitige Behandlung mit Levodopa, aber auch die Analyse von Patienten, bei denen die zugewiesene Behandlung über die gesamte Studiendauer erfolgte („per protocol“), ergab keinen Unterschied zwischen den Gruppen. Ebenso sprachen alle sekundären Endpunkte (u.a. Krankheitsprogression, Lebensqualität) gegen eine krankheitsmodifizierende Wirkung von Levodopa. Übelkeit trat in den ersten 40 Wochen häufiger in der früh als in der verzögert behandelten Gruppe auf (23,0% vs. 14,3%; p = 0,02). Die Rate motorischer Komplikationen, z.B. Dyskinesien, unterschied sich nach 80 Wochen nicht.