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Rauchstopp mit elektronischen Zigaretten: eine randomisierte kontrollierte Studie [CME]

Im Januar haben wir über ein Cochrane-Review zur Raucherentwöhnung berichtet (vgl. [1]). Ergänzend wurde nun eine randomisierte, kontrollierte Studie (RCT) publiziert, bei der der Nutzen elektronischer Zigaretten (e-Z) gegenüber einer Standard-Entwöhnungstherapie getestet wurde [2].

Studiendesign: Die ESTxENDS-Studie [2] wurde an 5 Schweizer Zentren durchgeführt und mit öffentlichen Mitteln finanziert (Schweizerische National-, Tabakpräventions- und Krebsforschungsfonds). Entwöhnungswillige Zigarettenraucher wurden durch Anzeigen in der Presse, den sozialen Medien, sowie durch Aushänge in Gesundheitseinrichtungen und öffentlichen Verkehrsmitteln angesprochen. Ausgeschlossen waren u.a. Personen, die in den 3 Monaten zuvor regelmäßig e-Z benutzt hatten.

Die Interessierten wurden von einer speziell geschulten „study nurse“ zu Hause aufgesucht und erhielten bei Eignung und nach Einverständnis die Studienmaterialien. Nach zentraler Randomisierung wurden sie standardisiert über die Möglichkeiten der Raucherentwöhnung beraten, z.B. über kognitive Verhaltenstherapie oder den Einsatz von Nikotinersatzmitteln und Medikamenten. Die verwendeten Mittel und Algorithmen sind im Supplement der Publikation mit abgedruckt.

Nachdem sie ihr persönliches „Quit-date“ (Datum des Rauchstopps) festgelegt hatten, erhielten die Studienteilnehmer in der Kontrollgruppe Gutscheine im Wert von 50 Franken, die sie nach individueller Präferenz für die Raucherentwöhnung einsetzen konnten, z.B. für Nikotinersatzmittel, Medikamente oder auch e-Z. Personen in der Interventionsgruppe erhielten ein „e-Z-Starterkit“ mit 10 „e-liquid“-Behältnissen. Sie konnten zwischen 6 Geschmacksrichtungen und 4 Nikotin-Konzentrationen wählen (19,6 – 11 – 6 – 0 mg/ml) und während der Studienperiode jederzeit nachbestellen.

Nach 6 Monaten erfolgte eine Evaluation des Raucher- und Gesundheitsstatus mittels Fragebögen und einigen Tests. Dazu zählten u.a. die Messung von Nikotinrückständen im Harn (Anabasin-Test) oder Kohlenmonoxid (CO) in der Ausatemluft, die Erfassung von Entzugssymptomen, Atemwegsbeschwerden und unerwünschten Ereignissen (UAE). Primärer Studienendpunkt war die vollständige Abstinenz vom Rauchen nach 6 Monaten, gemessen anhand der Angaben der Teilnehmer und einer laborchemischen Bestätigung.

Ergebnisse: 1.246 Raucher wurden zwischen 2018-2021 eingeschlossen; 622 wurden in die Interventionsgruppe mit e-Z gelost und 624 in die Kontrollgruppe. Das mediane Alter betrug 38 Jahre (Interquartilsabstand = IQR: 29-51 Jahre); 47% waren Frauen. Der tägliche Konsum betrug im Median 15 Zigaretten (IQR: 10-20).

90% der Teilnehmer in der Interventionsgruppe und 86% in der Kontrollgruppe berichteten eine Woche nach dem vereinbarten „Quit-date“ in einem Telefonat über ihre Entwöhnungsstrategie. In der Interventionsgruppe nutzten 95,9% e-Z mit durchschnittlich 10 ml „e-liquids“ pro Woche und einer Konzentration von 11 mg/ml Nikotin, 6,8% zusätzlich eine Nikotinersatz-Therapie und 0,5% ein Entzugsmedikament (Vareniclin oder Bupropion). In der Kontrollgruppe hatten sich 63,6% für eine Nikotinersatz-Therapie entschieden, 4,1% nutzten ein Entzugsmedikament und 3,9% eine Form der e-Z.

Bei 90,8% konnte nach 6 Monaten der Raucherstatus erhoben werden. Eine laborchemisch bestätigte Abstinenz nach „Intention to treat“ bestand bei 28,9% in der Interventionsgruppe und bei 16,3% in der Kontrollgruppe (Relatives Risiko = RR: 1,77; 95%-Konfidenzintervall = CI: 1,43-2,20). Von diesen wendeten 0,2% bzw. 3,0% Nikotinersatzmittel oder Entzugsmedikamente an. Diese Zahlen sind höher als sie von den Autoren erwartet wurden: die Statistik beruhte auf der Annahme, dass 19% bzw. 12% abstinent sein werden.

In der Interventionsgruppe rauchten nach eigenen Angaben 59,6% gar keine Zigaretten mehr; in der Kontrollgruppe waren es 38,5%. e-Z rauchten regelmäßig 48,4% bzw. 3,0%, darunter mit Nikotin 9,1% bzw. 1,0%. Einen Doppelkonsum (Zigaretten + e-Z) betrieben 18,3% bzw. 3,2%.

Die Menge wöchentlich konsumierter „e-liquids“ betrug im Interventionsarm im Median 13 ml (IQR: 5-23) und die Nikotinmenge 84 mg (IQR: 18-154). Dies entspricht etwa dem Konsum von 60-80 Zigaretten und ca. 800 „puffs“ pro Woche.

Entzugssymptome wurden von 81% im Interventionsarm und von 66% im Kontrollarm angegeben, UAE von 43,7% (425 UAE bei 272 Personen) bzw. 36,7% (366 UAE bei 229 Personen). Bei 25 bzw. 31 Teilnehmern wurden die UAE als schwerwiegend bewertet (Unterschied nicht signifikant). In der Kontrollgruppe starb eine Person während der Studie aus unbekannten Gründen.

Bei 81% der Teilnehmer der Interventionsgruppe und 66% in der Kontrollgruppe lagen nach 6 Monaten auch Informationen zu Atemwegssymptomen vor. Der Anteil der Personen ohne Husten betrug 41% bzw. 34%, und ohne Auswurf 62% bzw. 51%. Der mittlere Gesamt-Score beim „COPD-Assessment“-Test (CAT; Skala von 0-40 Punkten mit ansteigender Symptomlast) betrug 4,8 in der Interventionsgruppe und 5,7 in der Kontrollgruppe (signifikanter Unterschied). Antibiotika wurden während der Beobachtungszeit häufiger im Interventionsarm verschrieben (8,7% vs. 6,9%; RR: 1,26; CI: 0,86-1,85).

Diskussion: Die Autoren nennen als wichtigste Einschränkung ihrer Studie die Nachbeobachtungszeit von nur 6 Monaten. Es sei jedoch geplant, die Studienpatienten über 5 Jahre weiter zu verfolgen. Ein „Bias“ ergibt sich u.a. aus den Tatsachen, dass es im Interventionsarm häufiger persönliche Kontakte mit den „Study nurses“ gab (71,7% vs. 56,1%) und mehr Laborkontrollen zum Nikotinnachweis erfolgten (83,6% vs. 75,3%). Außerdem könnte das Ergebnis dadurch beeinflusst worden sein, dass die Strategie im Interventionsarm sehr klar war und die „e-liquids“ kostenlos abgegeben wurden, während im Kontrollarm nur Geldgutscheine ausgegeben wurden; über deren Verwendung wird nicht berichtet.

Im begleitenden Editorial [3] stellt Nancy Rigotti vom „Tobacco Research and Treatment Center“ der Harvard Medical School fest, dass sich die Beweise für den Nutzen von e-Z bei der Raucherentwöhnung verdichten. In Anbetracht der großen Schäden durch das Rauchen, sollten e-Z als Therapeutikum nicht weiter ignoriert werden. Insbesondere Rauchern, bei denen die etablierten Maßnahmen nicht funktionieren, könnten e-Z „verschrieben“ werden. Im gesellschaftlichen Kontext müsste der Nutzen der e-Z jedoch gegen ihre Risiken abgewogen werden. Gemeint ist, dass die e-Z als vermeintlich „gesündere“ Alternative zur Zigarette für viele als Einstieg zum Rauchen gilt – besonders für Jugendliche.

Die Tabakkonzerne haben das längst erkannt und vertreiben e-Z und „e-liquids“ bereits im großen Stil. In unseren Großstädten etablieren sich in besten Lagen sehr stylische Geschäfte, in denen e-Z in schönen Farben und schmeichelnden Formen angeboten und verkauft werden. Es ist schwer zu glauben, dass sich dieses Angebot an Abhängige richtet.

Fazit

In einer offenen, randomisierten, kontrollierten Studie führte eine professionell begleitete Raucherentwöhnung mit elektronischen Zigaretten bei entwöhnungswilligen Rauchern zu einer vollständigen Abstinenz von 28,9% innerhalb eines halben Jahres. In der Kontrollgruppe mit den Standardinstrumenten („Coaching“, Nikotin-Ersatz, Entzugsmedikamente) wurde mit 16,3% ebenfalls eine vergleichsweise hohe Abstinenzrate erzielt. Knapp die Hälfte der Personen im Interventionsarm rauchten am Ende der Studie regelmäßig E-Zigaretten (Umsteiger) und 18% rauchten sowohl als auch (Doppelkonsumenten). Vorteile für die Gesundheit durch den Umstieg auf die E-Zigarette waren innerhalb des halben Jahres nicht erkennbar. So bleibt die Erkenntnis, dass die Sucht bei den meisten weitergeht und die Tabakkonzerne weiter daran verdienen.

Literatur

  1. AMB 2024, 58, 01. (Link zur Quelle)
  2. Auer, R., et al. (ESTxENDS = Efficacy, Safety and Toxicology of Electronic Nicotine Delivery Systems as an aid for smoking cessation): N. Engl. J. Med. 2024, 390, 601. (Link zur Quelle)
  3. Rigotti, N.A.: N. Engl. J. Med. 2024, 390, 664. (Link zur Quelle)