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Ezetimib, Cholesterinspiegel und Malignomrisiko

Wir haben im April 2008 über die verzögert und erst unter politischem und öffentlichem Druck publizierten negativen Resultate der ENHANCE-Studie berichtet (1). Es handelte sich dabei um eine Studie zum Einfluss des Cholesterinsenkers Ezetimib (in Kombination mit Simvastatin: Inegy®) auf die Progression der Arteriosklerose bei familiärer Hypercholesterinämie, in der als Surrogat-Endpunkt eine sonographische Bestimmung der Intima-Media-Dicke der Karotiden erfolgte. Positive klinische Endpunktdaten zu Ezetimib gibt es nach wie vor nicht. Infolge eines intensiven Marketings und Werbung für den LDL-senkenden Effekt ist es dennoch in die Liga der „Blockbuster-Drugs” aufgestiegen (Definition: weltweit mehr als 1 Mrd. US$ Umsatz pro Jahr).

Nach ersten Berichten Anfang Juli 2008 wurden nun im N. Engl. J. Med. die Ergebnisse der SEAS-Studie ausführlich publiziert (2). In dieser randomisierten kontrollierten Studie wurde bei 1873 Patienten mit leicht- bis mittelgradiger Aortenstenose (AS) der Einfluss von Ezetimib/Simvastatin 10 mg/40 mg versus Plazebo auf den klinischen Verlauf, definiert durch einen kombinierten primären Endpunkt aus kardiovaskulären Ereignissen und Ereignissen im Zusammenhang mit der AS (Klappenersatz, Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz) mit einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 52,2 Monaten untersucht. Dabei ergaben sich keine signifikanten Unterschiede. Die Kombinationstherapie war lediglich bei dem sekundären kombinierten Endpunkt „ischämische Ereignisse” (nicht-tödlicher Myokardinfarkt, Bypassoperation, Koronarintervention, Hospitalisierung wegen instabiler Angina pectoris, nicht-hämorrhagischer Schlaganfall) günstiger als Plazebo, wobei dieser Effekt im wesentlichen auf einer geringeren Zahl an Bypass-Operationen beruhte.

Aufsehen erregte hingegen die Analyse der Sicherheitsdaten, die eine signifikant höhere Inzidenz an Malignomen (101 Patienten = 2,7%/Jahr unter Ezetimib/Simvastatin, 65 Patienten = 1,7%/Jahr unter Plazebo) mit einer grenzwertig höheren Malignom-Sterblichkeit in der Verum-Gruppe ergab. Einen dominanten Malignomtyp gab es nicht. Daraufhin wurde eine Interimsanalyse zur Malignominzidenz in anderen laufenden – und wesentlich größeren – Ezetimib-Studien (IMPROVE-IT = IMProved Reduction of Outcomes: Vytorin Efficacy – International Trial; SHARP = Study of Heart And Renal Protection; zusammen 20 617 Patienten) veranlasst (3). In diesen beiden Studien wurde zwar kein Hinweis auf eine erhöhte Malignominzidenz festgestellt (313 Patienten entsprechend 1,7%/Jahr unter Ezetimib/Simvastatin vs. 326 Patienten entsprechend 1,8%/Jahr unter Plazebo), so dass das Ergebnis der SEAS-Studie als Zufallseffekt interpretiert wurde, es verblieb allerdings eine – nicht signifikant – höhere Malignom-Sterblichkeit in der Verum-Gruppe (97 vs. 72 Patienten).

Die Ergebnisse der SEAS-Studie waren Gegenstand vieler Diskussionen in der Fach- und US-amerikanischen Laienpresse. In einer „Early Communication About an Ongoing Safety Review” vom 21. August 2008 sah die FDA zwar noch keine Veranlassung, zu einer Beendigung bestehender Therapien mit Ezetimib zu raten, kündigte jedoch eine umgehende vollständige Analyse aller Studiendaten an und ersucht Ärzte und Patienten um Meldung von UAW (4). Die zwei großen laufenden Ezetimib-Studien werden auf jeden Fall wie vorgesehen weitergeführt (IMPROVE-IT voraussichtlich bis 2012; SHARP bis 2010).

Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch eine kürzlich publizierte Metaanalyse zum Thema Statine, LDL und Malignomrisiko. Hierin wurden 15 Statin-Studien mit insgesamt 437 017 Patientenjahren in der Nachbeobachtung sowie 5 752 neu aufgetretenen Malignomen untersucht (5). Meta-Regressionsanalysen bestätigten eine inverse Korrelation von LDL-Spiegel und Malignomrisiko, wie sie von den Autoren bereits in einer früheren Arbeit festgestellt worden war. Der Effekt ist bei allen LDL-Niveaus unabhängig von einer Statin-Therapie zu beobachten. Der Mechanismus ist unklar. Eine direkte karzinogene Wirkung niedriger LDL-Spiegel ist unwahrscheinlich.

Fazit: Ob die in der SEAS-Studie beobachtete erhöhte Inzidenz von Malignomen unter Ezetimib nur zufällig ist, bleibt vorerst unklar. In der Risiko-Nutzen-Bewertung einer Substanz, für die bislang keinerlei positive klinische Endpunktdaten vorliegen, müssen solche Daten aber berücksichtigt werden. Wir raten weiterhin von der Anwendung von Ezetimib ab.

Literatur

  1. AMB 2008, 42, 31. Link zur Quelle
  2. Rossebø, A.B., et al. (SEAS = Simvastatin and Ezetimibe in Aortic Stenosis): N. Engl. J. Med. 2008, 359, 1343. Link zur Quelle
  3. Peto, R., et al.: N. Engl. J. Med. 2008, 359, 1357. Link zur Quelle
  4. http://www.fda.gov/cder/drug/early_comm/ezetimibe_simvastatin_SEAS.htm Link zur Quelle
  5. Alsheikh-Ali, A.A., et al.: J. Am. Coll. Cardiol. 2008, 52, 1141. Link zur Quelle