Wir haben 1998 und 1999 im ARZNEIMITTELBRIEF bereits die Heart and Estrogen/Progestin Replacement Study (HERS) besprochen, eine doppeltblinde, randomisierte Studie zur Sekundärprävention der Koronaren Herzkrankheit (KHK) mit Östrogenen/(Gestagenen) bei postmenopausalen Frauen (1, 2). In unserem Leitartikel vom März 2001 (3) wurde nochmals darauf eingegangen. Die Auswertung von HERS nach 4,1 Jahren Laufzeit hatte vermehrt tiefe Beinvenenthrombosen und Lungenembolien in der Verum-Gruppe (0,625 mg konjugierte Östrogene/d bei Frauen ohne Uterus, plus 2,5 mg Medroxyprogesteronazetat/d kontinuierlich bei Frauen mit Uterus) ergeben (4). Außerdem fanden sich in den ersten Jahren etwas häufiger kardiovaskuläre Ereignisse, die im 4. Jahr aber abzunehmen und die Ereignisrate in der Plazebo-Gruppe zu unterschreiten schienen.
HERS II ist eine ”Open-label”-Nachbeobachtung. 45% der Frauen, die in HERS Hormone eingenommen hatten, blieben freiwillig dabei, während 8% der Frauen der Plazebo-Gruppe sich neu zur Einnahme von Hormonen entschlossen. Nach insgesamt 6,8 Jahren erfolgte nun die Endauswertung, die in JAMA 2002 veröffentlicht wurde (5, 6).
Ergebnisse: Der erhoffte Trend zur Abnahme kardiovaskulärer Ereignisse in den Verum-Gruppen – verglichen mit Plazebo – hat sich nicht bestätigt. Neue Herzinfarkte und Koronar-Todesfälle waren nicht seltener („Relative hazard“ = RH: 0,99 bis 1,0). Das Thrombose/Lungenembolie-RH fiel zwar von HERS (2,66!) auf 1,4 in HERS II, blieb aber über 1,0. Leicht erhöht waren bzw. blieben auch die Risiken, an Gallensteinen operiert zu werden (RH: 1,48) und für Krebserkrankungen insgesamt (RH: 1,19). In der Verum-Gruppe starben in 6,8 Jahren 261, in der Plazebo-Gruppe 239 Frauen (von insgesamt 2763 Teilnehmerinnen an der Studie). Ein vermindertes Frakturrisiko fand sich in der Verum-Gruppe nicht. Vielleicht ist dies aber darauf zurückzuführen, daß in HERS II die Einnahmehäufigkeit von Bisphosphonaten nicht mehr genau registriert wurde, so daß Frauen ohne Hormoneinnahme diese vielleicht häufiger eingenommen haben könnten. Die Ergebnisse werden im gleichen Heft von JAMA kompetent kommentiert (7).
Fazit: Selbst nach 6,8 Jahren ließen sich positive Wirkungen von Östrogenen/(Gestagenen) in der Sekundärprävention kardiovaskulärer Erkrankungen nicht nachweisen. Die Risiken überwiegen. Diese Hormone sollten nicht mehr mit dem Ziel der kardiovaskulären Protektion bei Frauen mit KHK verordnet werden. Die Fortsetzung einer begonnenen Therapie sollte nur bei besonderen Indikationen und nach Aufklärung der Frau über die Risiken erfolgen. Der folgende Artikel zeigt, daß dies auch für eine Östrogen-Einnahme mit der Absicht der kardiovaskulären Primärprävention zutrifft.
Literatur
- AMB 1998, 32, 93.
- AMB 1999, 33, 32b.
- AMB 2001, 35, 17.
- Hulley, S., et al. (HERS = Heart and Estrogen/progestin Replacement Study): JAMA 1998, 280, 605.
- Grady, D., et al. (HERS II = Heart and Estrogen/progestin Replacement Study follow up): JAMA 2002, 288, 49.
- Hulley, S., et al. (HERS II = Heart and Estrogen/progestin Replacement Study follow up): JAMA 2002, 288, 58.
- Petitti, D.B.:JAMA 2002, 288,99.