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Off-Label-Dosisreduktion von direkten oralen Antikoagulanzien: nicht weniger Blutungen, jedoch erhöhte Mortalität [CME]

In der Behandlung von Patientinnen und Patienten mit Vorhofflimmern werden direkte orale Antikoagulanzien (DOAK) häufig nicht so dosiert, wie es in Fachinformationen und Leitlinien empfohlen wird [1]. Als Gründe für die Verschreibung niedrigerer Dosierungen (Off-Label-Dosisreduktion) werden Unklarheiten und Unsicherheiten hinsichtlich der individuell angemessenen Dosierung angenommen, aber auch wie die Vermutung, dass die jeweiligen Patienten ein hohes Risiko für Blutungen haben könnten bzw. für sie störende Hautblutungen unter normaler Dosierung haben ([2], vgl. [3]). Verschiedene Untersuchungen haben gezeigt, dass eine Off-Label-Dosisreduktion von DOAK mit ungünstigen Ergebnissen assoziiert sein kann, beispielweise mit einer erhöhten Mortalität [2],[4]. Erstmals wurden die vorliegenden Untersuchungen zur Off-Label-Dosisreduktion nun in einer systematischen Übersichtsarbeit und Metaanalyse ausgewertet [5]. Die Untersuchung wurde vom Inhaber der Zulassung von Rivaroxaban (Xarelto®), der Bayer AG, initiiert, organisiert und finanziert.

In verschiedenen Datenbanken wurde nach Studien gesucht, die klinische Ergebnisse bei einer Off-Label-Dosisreduktion analysiert haben. Gesucht wurde auch nach Studien zu den Faktoren, die zu einer unangemessenen Dosierung führen. Eingeschlossen wurden insgesamt 106 Studien; davon waren 63 Kohorten- und 43 Querschnittsstudien. Eine Metaanalyse zeigte, dass eine Off-Label-Dosisreduktion von DOAK im Vergleich zur zugelassenen Dosierung keinen (günstigen) Effekt auf die Verhinderung ischämischer Ereignisse hat (ischämischer Schlaganfall, Embolie, transiente ischämische Attacke bzw. Kombinationen dieser Endpunkte). Bei 15 Studien konnte eine Metaanalyse zur Mortalität durchgeführt werden. Die Analyse dieser Kohortenstudien zeigte, dass eine Unterdosierung mit einer erhöhten Gesamtsterblichkeit verbunden ist (Hazard Ratio = HR: 1,28, 95%-Konfidenzintervall = CI: 1,10-1,49; p = 0,006). Das Risiko für ischämische Ereignisse war in dieser Auswertung unverändert, genauso wie das Risiko für Blutungen. Eine Überdosierung war mit einem erhöhten Risiko für schwere Blutungen verbunden (HR: 1,41; CI: 1,07-1,85; p = 0,013). In einer narrativen Analyse von 12 Studien wurden die Faktoren untersucht, die mit einer Off-Label-Dosisreduktion verbunden waren. Dazu gehörten höheres Lebensalter (≥ 65 Jahre), kleinere Blutungen in der Vorgeschichte, Hypertonie, Herzinsuffizienz und eine niedrige Kreatinin-Clearance (≤ 50 ml/min).

Die Aussagekraft der Ergebnisse dieser Übersichtsarbeit ist beispielsweise dadurch eingeschränkt, dass der Endpunkt Gesamtsterblichkeit keine Erkenntnisse zu den Todesursachen erlaubt. Wir hatten bereits in unserem Artikel vor 2 Jahren zu einer der eingeschlossenen Kohortenstudien darauf hingewiesen, dass die assoziierte erhöhte Mortalität möglicherweise Ausdruck eines erhöhten Gesamtrisikos der Patientengruppe ist [2], [4]. Verschiedene Subgruppenanalysen werfen weitere Fragen auf: So war eine Off-Label-Dosisreduktion von Apixaban im Unterschied zu Dabigatran und Rivaroxaban mit einem erhöhten Risiko für schwere Blutungen assoziiert. Auch zeigte sich die erhöhte Gesamtsterblichkeit in einer Subgruppenanalyse nicht bei allen DOAK, sondern nur bei unterdosiertem Apixaban.

Fazit

Eine systematische Übersichtsarbeit und Metaanalyse zeigt, dass eine Off-Label-Dosisreduktion von DOAK nicht mit einem geringeren Risiko für Blutungen assoziiert ist, jedoch mit erhöhter Mortalität. Die Ergebnisse sind wegen methodischer Schwierigkeiten allerdings schwer zu interpretieren. Festzuhalten ist jedoch, dass eine nicht zugelassene Reduktion der Dosis von DOAK – beispielsweise aufgrund eines vermuteten höheren individuellen Blutungsrisikos – nicht evidenzbasiert ist und sich kein Anhalt für einen Nutzen ergibt.

Literatur

  1. https://www.akdae.de/fileadmin/user_upload/akdae/Arzneimitteltherapie/LF/PDF/OAKVHF.pdf (Link zur Quelle)
  2. AMB 2020, 54, 90b. (Link zur Quelle)
  3. AMB 2021, 55, 11. AMB 2019, 53, 60.
  4. Camm, A.J., et al. (GARFIELD-AF = Global Anticoagulant Registry in the FIELD-Atrial Fibrillation): J. Am. Coll. Cardiol. 2020, 76, 1425. (Link zur Quelle)
  5. Caso, V., et al.: Heart 2022. (Link zur Quelle)