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Prasugrel versus Clopidogrel beim Akuten Koronarsyndrom: die TRITON-TIMI-38-Studie

Nachdem der Produktschutz für Clopidogrel (Iscover®, Plavix®) durch die Entscheidung eines US-Bezirksgerichts bis 2011 erhalten bleibt (1), steht den beiden Herstellerfirmen Bristol-Myers Squibb und Sanofi-Synthelabo ein neuer Verteilungskonflikt ins Haus. Die beiden Konzerne Daiichi Sankyo und Eli Lilly haben einen weiteren ADP-Rezeptor-Blocker entwickelt, der bei FDA und EMEA durchaus Chancen auf eine Zulassung hat: Prasugrel. Der klinische Bedarf an einer alternativen Substanz zu Clopidogrel wird damit begründet, dass es trotz dualer Plättchenhemmung mit Azetylsalizylsäure (ASS) plus Clopidogrel zu thrombotischen Ereignissen kommen und die individuelle Wirkung sehr variabel sein kann („Clopidogrel-Resistenz”). Zudem setzt die Wirkung von Clopidogrel verzögert ein (erst ca. 6 h nach oraler Einnahme). Prasugrel wirkt in vitro und in vivo schneller (30 min) und nach Herstellerangaben auch konstanter und stärker als Clopidogrel. Daher könnte es beim Akuten Koronarsyndrom Vorteile haben.

TRITON-TIMI 38 ist eine Phase-III-Studie, die bei Patienten mit Akutem Koronarsyndrom und geplanter perkutaner Koronarintervention (PCI) die Wirksamkeit von Prasugrel gegenüber Clopidogrel vergleichen sollte (2). Insgesamt wurden hierfür an 707 Zentren in 30 Ländern 13 608 Patienten eingeschlossen, davon 10 074 mit instabiler Angina pectoris oder Nicht-ST-Hebungsinfarkt (< 72 h) und 3 534 mit ST-Hebungsinfarkt (< 12 h). Alle Patienten erhielten doppeltblind eine orale Aufsättigung (Loading) mit 300 mg Clopidogrel (entspricht der vierfachen Erhaltungsdosis; Anm.: in den meisten Zentren wird heute mit 600 mg Clopidogrel aufgesättigt) oder 60 mg Prasugrel (entspricht der sechsfachen Erhaltungsdosis). Das Loading erfolgte zeitlich erst nach Kenntnis der Koronaranatomie, also meist im Katheterlabor. Dieses Design hat das spätere Ergebnis sehr wahrscheinlich beeinflusst. Zum einen, weil die Loading-Dosen nicht äquivalent sind und zum anderen, weil Clopidogrel später als heute üblich verabreicht wurde (Anm.: Clopidogrel wird wegen der verzögerten Wirkung oft schon im Rettungswagen verabreicht).

Nach der PCI erhielten die Patienten zusätzlich zur niedrig dosierten ASS eine tägliche Erhaltungsdosis von entweder 10 mg Prasugrel oder 75 mg Clopidogrel. Die Patientencharakteristik war ähnlich wie in vergleichbaren Studien: mittleres Alter 61 Jahre, 26% Frauen, 23% Diabetiker, 95% erhielten einen Stent, 47% einen beschichteten Stent. Die klinischen bzw. demografischen Risiken waren zwischen den beiden Behandlungsarmen gleich verteilt.

Der primäre kombinierte Endpunkt (kardiovaskulärer Tod oder Myokardinfarkt oder nicht-tödlicher Schlaganfall) während der Nachbeobachtungszeit von median 14,5 Monaten trat in der Clopidogrel-Gruppe bei 12,1% der Patienten ein und in der Prasugrel-Gruppe bei 9,9% (Hazard Ratio = HR: 0,81; 95%-Konfidenzintervall = CI: 0,73-0,90; p < 0,001). Somit wurde die Vermutung bestätigt, dass Prasugrel in der untersuchten klinischen Situation und in den genannten Dosierungen wirksamer ist als Clopidogrel.

Der positive Prasugrel-Effekt war ganz überwiegend auf eine Reduktion von Myokardinfarkten in der Nachbeobachtungszeit zurückzuführen. Die Häufigkeit von Todesfällen oder Schlaganfällen blieb unverändert. Der Vorteil von Prasugrel entstand dabei überwiegend in den ersten drei Tagen (primärer Endpunkt: 4,7% vs. 5,6%; p < 0,01). Danach liefen die Kaplan-Meier-Kurven nur noch leicht auseinander (primärer Endpunkt bis zum Studienende 5,6% vs. 6,9%; p = 0,003). Dieser frühe Unterschied zwischen den beiden Substanzen könnte in der rascheren Wirkung und der höheren Loading-Dosis von Prasugrel begründet sein. Sehr wichtig ist die Beobachtung, dass es in der Prasugrel-Gruppe bei beschichteten wie auch bei unbeschichteten Stents zu weniger Stent-Thrombosen kam (1,1% vs. 2,4%; HR: 0,48; CI: 0,36-0,64; p < 0,001). Der Wirksamkeitsvorteil von Prasugrel war in allen Subgruppen zu beobachten, wobei die Risikominderung bei Frauen, Patienten ≥ 75 Jahren, Patienten mit einer Kreatinin-Clearance ≤ 60 ml/min und Nicht-Diabetikern am geringsten waren.

Wie so oft bei Gerinnungshemmern wurde die höhere Effektivität mit häufigeren Blutungskomplikationen erkauft. Größere Blutungen (Major-Blutungen nach TIMI-Klassifikation s. Tab.1) – ohne perioperative Blutungen bei kardiochirurgischen Eingriffen – traten unter Prasugrel bei 2,4% der Patienten und unter Clopidogrel bei 1,8% (HR: 1,32; CI: 1,03-1,68; p = 0,03) auf, tödliche Blutungen bei 0,4% vs. 0,1% (p = 0,002). Diese Blutungen waren überwiegend spontan, d.h. sie waren nicht durch ärztliche Eingriffe verursacht. Sehr ausgeprägt war der Unterschied zu Ungunsten von Prasugrel bei den Major-Blutungen während oder nach einer Bypass-OP: 13,4% vs. 3,2% (HR: 4,7). Patienten, die unter Prasugrel häufiger als der Durchschnitt Blutungen bekamen und daher ein ungünstigeres Verhältnis von Nutzen zu Risiko hatten, waren solche mit Zustand nach Schlaganfall oder TIA, Alter ≥ 75 Jahre bzw. mit einem Gewicht < 60 kg.

Insgesamt bleibt nach der TRITON-Studie (2) die Unsicherheit bestehen, ob Prasugrel hinsichtlich der Nutzen-Risiko-Relation tatsächlich ein Fortschritt in der antithrombotischen Therapie des Akuten Koronarsyndroms ist und es „verdient”, zugelassen zu werden. Unzweifelhaft ist, dass bei vielen Patienten mit Akutem Koronarsyndrom heute frühzeitig eine PCI durchgeführt wird, ohne dass zuvor ein zeitlich ausreichendes Loading mit Clopidogrel (> 6 h) stattgefunden hat. Unzweifelhaft ist auch, dass die Stent-Thrombose nach komplexen Koronareingriffen zwar nicht sehr häufig ist, aber als klinisch desaströses Ereignis gefürchtet wird. Für solche Risikokonstellationen und -patienten könnte Prasugrel hilfreich sein und auch bei vermuteter „Clopidogrel-Resistenz”, deren valide laborchemische Bestimmung jedoch erst noch definiert werden muss. Ein differenzierter Einsatz der neuen Substanz, d.h. bei Patienten mit hohem Risiko für eine Stent-Thrombose und mit geringer Wahrscheinlichkeit für Blutungen, wäre also die Nische für Prasugrel. Sie sollte in Nachfolgestudien untersucht werden.

Fazit: Prasugrel ist ein weiterer Thrombozytenfunktionshemmer (ADP-Rezeptor-Blocker), der beim Akuten Koronarsyndrom wirksamer als Clopidogrel thrombotische Sekundärereignisse, d.h. Reinfarkte und ungeplante Reinterventionen verhindert (ca. 20% Risikominderung). Dieses vorteilhafte Ergebnis könnte teilweise durch das Studiendesign bedingt sein. Allerdings kam es unter Prasugrel signifikant häufiger zu bedrohlichen Blutungen als unter Clopidogrel (ca. 30% Risikoerhöhung). Prasugrel ist u.a. wegen dieser Sicherheitsbedenken (noch) nicht zugelassen.

Literatur

  1. AMB 2006, 40, 79b. Link zur Quelle
  2. Wiviott, S.D., et al. (TRITON-TIMI 38 = TRial to assess Improvement in Therapeutic Outcomes by optimizing platelet InhibitioN with prasugrel-Thrombolysis In Myocardial Infarction 38): N. Engl. J. Med. 2007, 357, 2001. Link zur Quelle
  3. Serebruany, V.L, und Atar, D.: Am. J. Cardiol. 2007, 99, 288. Link zur Quelle Erratum ibid. 2007, 100, 562.

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