Artikel herunterladen

Bei Menschen ohne SARS-CoV-2-Infektion findet sich eine beträchtliche Zahl potenziell protektiver T-Zellen

Die Infektion mit dem SARS-Co-V-2 verläuft klinisch sehr unterschiedlich; viele Menschen bleiben asymptomatisch oder haben nur geringe Symptome (vgl. 1). Unklar ist, ob eine Immunantwort mit Antikörpern gegen diese Infektion schützt. Dies zu wissen, ist jedoch für Impfungen sowie staatlich geregelte Schutzmaßnahmen sehr wichtig. Nun haben Wissenschaftler von der Charité Berlin die T-zelluläre Immunantwort gegen das Spike-Protein des SARS-CoV-2 bei Infizierten und Nichtinfizierten untersucht (2).

Methodik: Aus dem Blut von SARS-CoV-2 infizierten Patienten (im Median 53 Jahre alt; 39% mit mildem, 28% mit schwerem und 33% mit lebensbedrohlichem Verlauf von COVID-19) und nicht infizierten Kontrollen (im Median 42 Jahre alt; SARS-CoV-2-PCR- und -AK negativ) wurden T-Zellen isoliert und die CD4+-Zellen auf ihre Reaktivität gegen Peptide des Spike-Proteins von SARS-CoV-2 hin getestet. Die Stimulation der Zellen erfolgte ex vivo, und die Reaktivität wurde anhand intrazellulärer gamma-Interferon-Expression mittels Durchflusszytometrie (fluorescence-activated cell scanning = FACS) untersucht.

Ergebnisse: Es wurden bei 15 von 18 (83%) der SARS-CoV-2-infizierten Patienten und bei 24 von 68 (35%) der Kontrollen CD4+-Zellen im Blut gefunden, die eine Reaktivität gegen Peptide des Spike-Proteins von SARS-CoV-2 zeigten. Die Kontroll-T-Zellen reagierten stärker auf Peptide vom N-terminalen Ende des Spike-Proteins als vom C-terminalen Ende. Die Homologie der Spike-Proteine endemischer Coronaviren (z.B. Schnupfen-Viren) zu denen von SARS-Co-V-2 war im N-terminalen Ende größer. Diese Ergebnisse deuten auf eine Kreuzimmunität hin. Sie könnten auch erklären, warum Kinder, die ja häufig mit endemischen Coronaviren („Rotznasen“) infiziert sind, sehr viel seltener schwerwiegende SARS-CoV-2-Infektionen als ältere Erwachsene entwickeln. Allerdings setzt diese Erklärung voraus, dass die Immunität im Laufe des Lebens abnimmt.

Eine weitere, ebenfalls hochrangig publizierte Studie aus den USA mit ähnlicher Methodik, aber mit mehr Probanden und Patienten, ist zu ganz ähnlichen Ergebnissen gekommen: 40-60% der SARS-CoV-2-naiven Probanden hatten reaktive CD4+-Zellen gegen Spike-Proteine von SARS-CoV-2 im Blut (3).

Fazit: Ergebnisse einer Studie aus Berlin und einer aus den USA zeigen, dass kreuzreagierende T-Zellen gegen SARS-CoV-2-Spike-Proteine auch bei einem beträchtlichen Teil der Bevölkerung ohne bisherige SARS-CoV-2-Infektion im Blut vorhanden sind. Diese Kreuzimmunität ist wahrscheinlich Folge vorangegangener Infektionen mit endemischen Coronaviren (Schnupfen-Corona-Viren). Inwieweit diese Immunität tatsächlich vor COVID-19 schützt, sollte weiter untersucht werden. Im positiven Fall könnten möglicherweise Kosten bei Impfstoffen und Schutzmaßnahmen eingespart werden.

Literatur

  1. AMB 2020, 54, 09 Link zur Quelle . AMB 2020, 54, 30. Link zur Quelle
  2. Braun, J., et al.: Nature 2020: Link zur Quelle
  3. Grifoni, A., et al.: Cell 2020, May 14. Link zur Quelle