Lipoproteine transportieren die Fette durch den Körper. Traditionell werden diese Fett-Eiweiß-Konglomerate nach der Dichte mittels Gradienten-Ultrazentrifugation eingeteilt. Die am wenigsten dichten und größten Lipoproteine sind die Chylomikronen, die kleinsten und dichtesten die VHDL. Lipoproteine haben einen hydrophoben Fettkern, bestehend aus Triglyzeriden und Cholesterinestern und eine hydrophile Eiweißhülle, bestehend aus Phospholipiden, Apo-Lipoproteinen und unverestertem Cholesterin. Die Apolipoproteine können sich mit den Rezeptoren auf den Körperzellen verbinden und sind somit wesentlich für die Verteilung der Fette im Körper verantwortlich. Es gibt mindestens 5 Haupt- (Apo A-E) und mehrere Unterfraktionen. Das Apolipoprotein B (ApoB) ist der wichtigste Ligand zur Penetration in das Gefäßendothel. Es gibt 2 Isoformen (ApoB100 und ApoB48). Je mehr ApoB-100 ein Lipoprotein an seiner Oberfläche trägt, desto mehr Cholesterin gelangt in die Gefäßwand. Lipoproteine mit hohem ApoB100-Anteil sind VLDL, IDL und LDL. Das sog. „gute“ HDL trägt kein ApoB auf seiner Hülle. Atherosklerose-Forscher schlagen vor, das heutige Risikomodell für die Entstehung der Atherosklerose zu modifizieren und sich nicht mehr an der Höhe des „schlechten“ LDL zu orientieren, sondern an der ApoB-Konzentration (1).
Lipoprotein(a) [Lp(a)] ist ein Lipoprotein mittlerer Größe und Dichte und liegt in der Dichte-Klassifikation der Lipoproteine etwa in der Mitte, neben dem LDL. Es transportiert in seinem Kern ca. 3/4 Cholesterinester und 1/4 Triglyzeride. Die hydrophile Oberfläche wird von Phospholipiden und zwei Apolipoproteinen gebildet, dem ApoB100 und dem Apo(a). Die genaue Funktion von Apo(a) ist nicht bekannt. Es besitzt eine strukturelle Ähnlichkeit mit Plasminogen, wodurch Lp(a) auch thrombogen wirkt. Wie LDL penetriert Lp(a) stark in das Gefäßendothel und erhöht konzentrationsabhängig das Risiko für atherosklerotische Gefäßerkrankungen (ASCVD) und für Aortenstenosen. Zudem wirkt Lp(a) proinflammatorisch auf Grund seiner hohen Dichte an oxidierten Phospholipiden. Diese drei Eigenschaften erhöhen deutlich das Risiko für ASCVD. Nach einer dänischen Kohortenstudie steigt das multivariabel angepasste Risiko für einen Herzinfarkt mit der Lp(a)-Konzentration im Serum (2). Menschen mit Lp(a)-Werten > 180 mg/dl sind besonders stark gefährdet. Sie haben ein ähnlich hohes Lebenszeitrisiko für ASCVD wie Menschen mit heterozygoter familiärer Fettstoffwechselstörung.
Etwa ein Viertel der hiesigen Bevölkerung hat einen Lp(a)-Spiegel von > 30, 15% > 50, 5% > 90 und 0,4% > 180 mg/dl (3). Der Lp(a)-Spiegel ist genetisch festgelegt, daher reicht zur Diagnose dieser Fettstoffwechselstörung eine einmalige Messung (4).
Lp(a)-Senkung: Der Lp(a)-Spiegel ist durch Ernährung oder Lebensstil kaum zu beeinflussen. Auch Statine, Ezetimib oder Gallensäurebinder senken den Wert nicht. Unter einer Östrogen-Therapie sinkt Lp(a) um bis zu 50%, mit Bezafibrat und Nikotinsäure bis zu 39% und mit PCSK9-Hemmern um ca. 25% (5). In Interventionsstudien mit verschiedenen Wirkstoffen, die Lp(a) vermindern, konnte bislang jedoch keine Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse nachgewiesen werden. Möglicherweise liegt das daran, dass die Lp(a)-Werte zu gering gesenkt wurden oder ein erreichter Nutzen durch unerwünschte Effekte der verwendeten Wirkstoffe aufgehoben wurde. Die gegenwärtig effektivste Methode, Lp(a) zu vermindern, ist die Lipid-Apherese mit Senkungen um bis zu 75%. Sie ist jedoch aufwändig und nicht überall verfügbar. Beobachtungsstudien weisen auf einen erheblichen klinischen Nutzen hin (6), doch ist die Evidenz moderat.
Die s.c. Injektion von Antisense-Oligonukleotiden (ASO) ist ein relativ neuer Behandlungsansatz. Sie kodieren nicht für ein Protein, können jedoch komplementär mit einer RNA paaren und so das Ablesen der Ziel-RNA verhindern. Auf diese Weise kann auch die Synthese krankheitsverursachender Proteine verringert werden. Therapeutisch werden ASO bereits zur Behandlung einiger seltener Erkrankungen eingesetzt, beispielsweise bei der spinalen Muskelatrophie oder der hereditären Transthyretin-(TTR)-vermittelten Amyloidose. Die Jahrestherapiekosten dieser Arzneimittel sind sechsstellig.
Mit Hilfe von ASO kann auch die Synthese von Apo(a) und damit die von Lp(a) dosisabhängig deutlich reduziert werden. Mehrere Hersteller entwickeln derzeit solche komplexen Arzneimittel. Eines dieser ASO trägt den Arbeitsnamen „AKCEA-APO(a)-LRx“ und wurde gerade in einer Phase-II-Dosisfindungs-Studie an 286 Patienten mit manifester ASCVD und hohen Lp(a)-Spiegeln gegen Plazebo getestet (7). Eingeschlossen wurden an 30 Zentren in 5 Ländern 269 Patienten mit Lp(a)-Spiegeln ≥ 60 mg/dl (im Mittel 95 mg/dl), manifester ACSVD (meist Koronare Herzkrankheit) und laufender lipidsenkender Behandlung (90% mit einem Statin, 48% mit Ezetimib und 21% mit einem PCSK9-Inhibitor). Die Patienten wurden über 33 Wochen in 6 Armen mit 5 verschiedenen Dosierungen von APO(a)-LRx oder Plazebo behandelt. Primäre Endpunkte waren die prozentuale Änderung des Lp(a)-Spiegels nach 6 Monaten Therapie sowie unerwünschte Ereignisse. Für Aussagen zu klinischen Endpunkten hatte die Studie zu wenige Patienten und eine zu kurze Nachbeobachtungsdauer. Die Therapie erwies sich hinsichtlich des gewählten Surrogatendpunkts als effektiv. Die Lp(a)-Senkung begann innerhalb des ersten Monats und erreichte bis Woche 16 sein Maximum. Nach 6 Monaten betrug die Senkung in der geringsten Dosis 35% und in der höchsten 80%. Unter Plazebo sank das Lp(a) um 6%. In der Gruppe mit der höchsten Dosis erreichten 98% der Patienten Lp(a)-Werte < 50 mg/dl.
Unerwünschte Ereignisse (UAE) traten bei 90% der mit Verum und bei 83% der mit Plazebo behandelten Patienten auf. Die meisten Ereignisse wurden als mild oder moderat klassifiziert. Dabei handelte es sich um Reaktionen an der Injektionsstelle (27%), Myalgien (12%), Harnwegsinfektionen (13%), Kopfschmerzen (11%) oder Unwohlsein. Eine Dosisabhängigkeit war dabei nicht zu erkennen. Schwerwiegende UAE traten bei 10% unter Verum und bei 2% unter Plazebo auf. In der Verumgruppe brachen 5% der Patienten die Behandlung ab, in der Plazebogruppe 4%.
Auch ein ASO gegen ApoB100 (Wirkstoff: Mipomersen) wurde schon in klinischen Studien getestet. Dabei konnten LDL-Senkungen um 25-35% und von Lp(a) um 21-39% erzielt werden, wobei auch hier der klinische Wert und das Sicherheitsprofil noch unklar sind (8). Trotzdem hat die FDA 2013 diesen Wirkstoff in den USA als Orphan drug zur Behandlung der familiären homozygoten Hypercholesterinämie zugelassen, wohingegen die EMA eine Zulassung aus Sicherheitsbedenken abgelehnt hat (9).
Fazit: Erhöhte Serumspiegel von Lipoprotein(a) sind ein unabhängiger Risikofaktor für frühzeitig auftretende atherosklerotische Erkrankungen und Aortenstenosen. Diese Fettstoffwechselstörung ist ererbt und nicht durch Umstellung der Ernährung oder Änderungen des Lebensstils zu behandeln. Die Lipidapherese ist das bisher wirksamste Verfahren, das Lp(a) zu senken. Nur wenige Arzneimittel können die Lp(a)-Werte senken. Der klinische Wert (Nutzen-Risiko-Relation) dieser medikamentösen Behandlungsversuche ist jedoch unklar. Dies gilt auch für eine neue Gruppe lipidsenkender Arzneimittel, die als Orphan-Arzneimittel zugelassenen Antisense-Oligonukleotide. Zu befürchten ist jedoch, dass diese sehr teuren Wirkstoffe zugelassen wurden, bevor es überzeugende und verlässliche Daten zu klinischen Endpunkten gibt.
Literatur
- Sniderman, A.D., et al.: JAMA Cardiol. 2019, 4, 1287. Link zur Quelle
- Kamstrup, P.R., et al.: JAMA 2009, 301, 2331. Link zur Quelle
- Van Buuren, F., et al.: Clin. Res. Cardiol. Suppl. 2017, 12 Suppl. 1, 55. Link zur Quelle
- Mach, F., et al.: Eur. Heart J. 2020, 41, 111. Link zur Quelle
- Rosenson, R.S., et al.: Lipoprotein(a) and cardiovascular disease. UpTo Date©, last updated 3.12.2019.
- Leebmann, J., et al. (Pro(a)-LiFe = Prospektive Dokumentation der isolierten Lipoprotein(a)-Erhöhung mit progredienter Gefäßerkrankung und Lipid-Apherese zur Behandlung der Fettstoffwechselstörung): Circulation 2013, 128, 2567. Link zur Quelle
- Tsimikas, S., et al. (AKCEA-APO(a)-LRx): N. Engl. J. Med. 2020, 382, 244. Link zur Quelle
- Nandakumar, R., et al.: J. Lipid Res. 2018, 59, 2397. Link zur Quelle
- https://www.ema.europa.eu/en/ documents/smop-initial/questions-answers- refusal-marketing-authorisation-kynamro-outcome -re-examination_de.pdf Link zur Quelle