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Ist der Wechsel von L-Thyroxin-Präparaten doch unproblematisch?

L-Thyroxin (Levothyroxin) gehört seit Jahren zu den am häufigsten verordneten Wirkstoffen in Deutschland (vgl. [1][2]). L-Thyroxin-haltige Präparate gelten als Arzneimittel mit geringer therapeutischer Breite, bei denen schon eine geringfügige Änderung der Dosis oder Konzentration des Wirkstoffs infolge eines Präparatewechsels zu klinisch relevanten Wirkungsveränderungen führt. Deswegen hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) L-Thyroxin im Jahr 2014 auf die sogenannte Aut-idem- oder Substitutionsausschlussliste gesetzt; in dieser werden Arzneimittel aufgeführt, die von der Pflicht zum Austausch durch ein wirkstoffgleiches Arzneimittel im Rahmen von Rabattverträgen in der Apotheke ausgenommen sind [3]. Nun ergab eine Untersuchung aus der US-amerikanischen Mayo-Klinik in Rochester, dass diese Vorgehensweise möglicherweise unbegründet ist [4].

Die Wissenschaftler verglichen in einer retrospektiven Studie TSH-Spiegel von Patienten, die über den Studienzeitraum dasselbe Präparat einnahmen („Nicht-Switcher“) mit TSH-Spiegeln von Patienten, die das Präparat wechselten („Switcher“). Dafür verwendeten sie Daten aus einer Verwaltungsdatenbank, die mit Laborergebnissen verknüpft waren. Ausgewertet wurden Daten von 15.829 Patienten, die zwischen 2008 und 2019 ein Rezept für ein generisches L-Thyroxin-Präparat erhalten hatten (73% Frauen, durchschnittliches Alter 59 Jahre). Die Teilnehmer mussten außerdem vor Studienbeginn über mindestens 3 Monate mit derselben Dosis behandelt worden sein und normale TSH-Werte (0,3-4,4 mU/l) haben. L-Thyroxin 50 µg/d oder weniger nahmen 56% der Patienten ein, ca. 30% 51-100 µg/d. Während des Studienzeitraums nahmen 13.049 (82%) der Teilnehmer dasselbe Präparat ein, während 2.780 (18%) zu einem Arzneimittel eines anderen Herstellers wechselten. Die Analyse von 2.780 „propensitiy-score-matched“ Paaren zeigte, dass hinsichtlich des Anteils von Patienten mit normalen TSH-Spiegeln zwischen denen, die das Präparat nicht wechselten und denen, die es wechselten, kein signifikanter Unterschied bestand (83% vs. 85%). Auch der Anteil von Patienten mit stark von den Normwerten abweichenden TSH-Spiegeln (< 0,1 oder > 10,0 mU/l) war in beiden Gruppen ähnlich (ca. 3%). Im Durchschnitt waren die TSH-Spiegel in beiden Gruppen genau gleich hoch (2,7 mU/l). Gemessen wurde der TSH-Spiegel sechs Wochen bis zwölf Monate nach Studienbeginn.

Die Aussagekraft dieser retrospektiven Studie ist aus verschiedenen Gründen eingeschränkt. So lassen die niedrigen Dosierungen von L-Thyroxin darauf schließen, dass ein Großteil der Patienten lediglich eine Teilsubstitution durchführte und noch eine Schilddrüsenrestfunktion hatte. Ob auch bei Patienten ohne Restfunktion der Schilddrüse, z.B. nach einer Thyreoidektomie, ein Wechsel des Präparats unproblematisch ist, bleibt unklar. Die Autoren weisen aber darauf hin, dass bei den meisten Patienten in den USA, die L-Thyroxin einnehmen, nur eine partielle Schilddrüsendysfunktion besteht, z.B. im Rahmen einer subklinischen Hypothyreose. Weil nur Daten von Patienten mit Verordnungen für generische Präparate ausgewertet wurden, ist auch unklar, welche Auswirkungen ein Wechsel zwischen Originalpräparaten oder zwischen Originalpräparaten und generischen Arzneimitteln hat.

Fazit

Ergebnisse einer US-amerikanischen Untersuchung weisen darauf hin, dass ein Wechsel eines generischen L-Thyroxin-Präparats bei Patienten nicht zu einer Veränderung der TSH-Werte führt.

Literatur

  1. Ludwig, W.-D., und Mühlbauer, B.: Arzneiverordnungen 2020 im Überblick. In: Ludwig, W.-D., Mühlbauer, B., Seifert, R.: Arzneiverordnungs-Report 2021, Springer-Verlag Berlin, 2021. S. 3. (Link zur Quelle)
  2. AMB 2021, 55, 70. AMB 2019, 53, 40. (Link zur Quelle)
  3. https://www.g-ba.de/richtlinien/anlage/11/ (Link zur Quelle)
  4. Brito, J.P., et al.: JAMA Intern. Med. 2022, 182, 418. https://doi.org/10.1001/jamainternmed.2022.0045 (Link zur Quelle)