Anthrazykline (AZ), z.B. Doxorubicin, sind fester Bestandteil der Chemotherapie bei u.a. Hodgkin-Lymphom und hochmalignen Non-Hodgkin-Lymphomen, kleinzelligem Bronchialkarzinom, Mammakarzinom und Sarkomen [1]. Sie gelten als kardiotoxisch [2]: Ein Jahr nach Therapie haben etwa 20% der Patienten eine um 10% reduzierte linksventrikuläre Ejektionsfraktion (LVEF), und nach 5 Jahren entwickeln ca. 20% eine manifeste Herzinsuffizienz, wie wir berichtet haben [3], [4]. Die vor einem Jahr von der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) und der Therapeutischen Radiologie und Onkologie (ESTRO) erstmalig publizierten Leitlinien zum Thema Kardio-Onkologie geben eine Klasse-IIa-Empfehlung für eine Statin-Therapie bei erwachsenen Krebspatienten mit hohem Kardiotoxizitätsrisiko. Es gibt allerdings widersprüchliche Ergebnisse darüber, ob Statine die kardiotoxischen Effekte von AZ reduzieren können [5], [6], [7]. Zu dieser Thematik ist jetzt die STOP-CA-Studie erschienen, eine multizentrische, doppelblinde, randomisierte, plazebokontrollierte Studie aus den USA [8]. Sie wurde aus öffentlichen Mitteln des National Heart, Lung, and Blood Institute (NHLBI) finanziert.
Studiendesign: Von 2017 bis 2021 wurden an 9 Zentren in den USA und Kanada erwachsene Patienten in die Studie eingeschlossen, die wegen eines neu diagnostizierten Lymphoms eine Chemotherapie auf AZ-Basis erhalten und zusätzlich mit 40 mg/d Atorvastatin (AV) behandelt werden sollten. Ausschlusskriterien waren mehr als 3-fach erhöhte Leberwerte, eine Kontraindikation für die Magnetresonanztomografie (MRT) und eine Vorbehandlung mit oder eine Indikation für die Einnahme von AV. Zu Beginn und nach 1, 3, 6 und 12 Monaten wurden neben Blutuntersuchungen jeweils Blutdruck (RR) und Puls gemessen sowie die LVEF erfasst, in der Regel durch MRT oder Echokardiografie, beides anonymisiert. In einer 1:1-Randomisierung wurde die erste AV- oder Plazebo-Dosis vor der ersten AZ-Infusion gegeben und über 12 Monate fortgeführt. Primärer Studienendpunkt war eine Abnahme der LVEF von ≥ 10% gegenüber dem Ausgangswert vor Chemotherapie, sofern sie zu einer LVEF ≤ 55% nach 12 Monaten führte. Sekundärer Endpunkt war die Abnahme der LVEF ≥ 5% in Verbindung mit einer LVEF ≤ 55% nach 12 Monaten. Die AZ-Dosis wurde als Doxorubicin-Äquivalenz-Dosis berechnet.
Ergebnisse: Insgesamt wurden 300 Teilnehmer randomisiert, 150 für eine Therapie mit AV und 150 für Plazebo. Das mittlere Alter lag bei 50 ± 17 Jahren; mehr als die Hälfte der Teilnehmer war 50 Jahre oder älter; 53% waren männlich, 89% Weiße. Der mittlere Body-Mass-Index (BMI) war 28 kg/m2; bei einem Drittel lag er > 30. Die meisten Teilnehmer hatten ein Non-Hodgkin-Lymphom (73%) und 37% ein Hodgkin-Lymphom. Alle erhielten AZ in einer Doxorubicin-äquivalenten Dosis von im Mittel 264 ± 60 mg/m2; 11% hatten eine Bestrahlung, aber nur bei 4% lag das Herz im Bestrahlungsfeld. Die beiden Kollektive waren gut vergleichbar, und alle hatten mindestens eine Dosis AZ erhalten. Die mediane Nachbeobachtungszeit betrug 38 Monate.
Therapieadhärent waren 91% und beendeten die Studie nach Plan. Die Ausgangs-LVEF betrug in der gesamten Kohorte 63%. Im Mittel nahm sie innerhalb von 12 Monaten um 5% auf 58% ab. Bei 46 Teilnehmern (15%) war sie im Verlauf um > 10% auf ≤ 55% abgefallen. Von den jeweils 150 Patienten unter AV hatten 13 (9%) diesen primären Endpunkt erreicht, unter Plazebo 33 (22%), p = 0,002. Das Relative Risiko für eine Abnahme der LVEF um 10% oder mehr auf eine LVEF ≤ 55% war unter Plazebo fast dreimal höher als unter AV (Odds Ratio: 2,9; 95%-Konfidenzintervall = CI: 1,4-6,4). Das bestätigte sich auch in Subgruppen, wie beispielsweise Patienten mit guter Therapieadhärenz: Ereignisrate 9% unter AV und 21% unter Plazebo (p = 0,06). Im Mittel hatte die LVEF bei den Patienten, die den primären Endpunkt erreichten, um 14% abgenommen; im Vergleich dazu 3% bei denen, die den primären Endpunkt nicht erreichten. Um einen Patienten vor einer Abnahme der LVEF um mehr als 10% nach 12 Monaten seit Beginn der Chemotherapie zu bewahren, mussten knapp 8 Patienten mit AV behandelt werden („Number needed to treat“ = NNT). Bei den meisten Teilnehmern war die LVEF mittels MRT gemessen worden.
Den sekundären Endpunkt (Abnahme um mindestens 5% bis auf eine LVEF ≤ 55% nach 12 Monaten) erreichten 21% im gesamten Kollektiv: 13% unter AV und 29% unter Plazebo (p = 0,001). Im Mittel hatte die LVEF um 5,4% abgenommen: 4,1% unter AV und 5,4% unter Plazebo, p = 0,03. Der Unterschied von 1,3%-Punkten war gering. Patienten hatten eher einen Vorteil von AV, wenn sie > 52 Jahre alt oder Frauen waren, einen BMI von ≥ 30 kg/m2 oder eine höhere Anthrazyklin-Dosis (≥ 250 mg/m2) erhalten hatten. Es gab keinen Unterschied beim Überleben oder in der Inzidenz von dekompensierter Herzinsuffizienz nach 2 Jahren (3% unter AV vs. 6% unter Plazebo; p = 0,26), wobei allerdings die Studie für diese Aussage nicht ausreichend gepowert war. Außer einer erwarteten Differenz bei den Gesamt-Cholesterin- und LDL-Werten („Low-Density“ Lipoprotein) traten keine relevant unterschiedlichen Änderungen der untersuchten Laborparameter oder Nebenwirkungen auf, auch keine nachteiligen Effekte auf den Verlauf der Lymphom-Erkrankung selbst. Nach einem Jahr waren 2,6% aller Probanden gestorben: 4 unter AV und 4 unter Plazebo. Muskelschmerzen beklagten 19% unter AV und 14% unter Plazebo (p = 0,35), eine Myositis trat nicht auf. Sechs Patienten (2%) hatten ein Nierenversagen, darunter zwei unter AV.
Der Einfluss von AZ auf die LVEF ist dosisabhängig [9] und bei Patienten mit hohem kardialem Risiko größer (höheres Alter, grenzwertige LVEF zu Beginn, höhere AZ-Dosis; [10]). Der Vorteil ist bei Lymphomen stärker ausgeprägt als z.B. bei Brustkrebs [11], [12], möglicherweise weil Statine einen direkten zytotoxischen Effekt bei B-Zell-Lymphomen haben [13]. Die Autoren bemerken selbstkritisch, dass es unter den Probanden keine ethnische Vielfalt gab. Außerdem war das Ausgangs- und Kontroll-MRT nicht bei Allen vollständig. AZ war bei den meisten Teilnehmern nur einmalig appliziert worden.