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Betarezeptoren-Blocker bei Koronarer Herzkrankheit

Betarezeptoren-Blocker (BB) haben bei der sekundären Prävention von Patienten nach Myokardinfarkt oder mit gesicherter Koronarer Herzkrankheit (KHK) einen hohen Stellenwert (1-3). Leser des ARZNEIMITTELBRIEFS haben viele Studien kennengelernt, die diese Empfehlungen begründen (4). Sie werden in der Praxis auch weitgehend befolgt (5): 80% der Patienten, die nach akutem Myokardinfarkt aus dem Krankenhaus entlassen werden, sind mit Betablockern versorgt. Die präventive Bedeutung der BB wird allerdings in den neuesten Auflagen der europäischen (2) und US-amerikanischen (3) Leitlinien, zumindest für die Therapie nicht-herzinsuffizienter Patienten, etwas geringer eingeschätzt als zuvor. Die Therapie der KHK hat sich nämlich in den letzten Jahren weltweit geändert. Interventionelle Prozeduren sowie intensivere Hemmung der Thrombozytenaggregation und des Renin-Angiotensin-Systems (RAS) haben sich durchgesetzt. BB haben möglicherweise deshalb einen geringeren Stellenwert.

Neue randomisierte, plazebokontrollierte Studien zur präventiven Wirksamkeit von BB sind schon aus ethischen Gründen nicht möglich. Daher sind die Ergebnisse einer großen internationalen, im JAMA veröffentlichten Verlaufsbeobachtung bei Patienten mit nachgewiesener KHK oder mindestens drei koronaren Risikofaktoren durchaus interessant und wichtig (6).

Die Untersuchung greift auf die Daten des internationalen REACH-Registers zurück (7), in das zwischen 2003 und 2004 ca. 45.000 ambulante Patienten mit stabiler atherosklerotischer Gefäßkrankheit oder mindestens drei Risikofaktoren eingeschlossen und vier Jahre lang nachverfolgt wurden. Der kombinierte primäre Endpunkt war kardiovaskulärer Tod, Herzinfarkt und Schlaganfall. Es sollte die aktuelle prognostische Bedeutung demographischer, klinischer und therapeutischer Faktoren geprüft werden. Dabei bestätigte sich, dass demographische Daten und der Schweregrad der Erkrankung die wichtigsten Einflussfaktoren auf die Prognose dieser Patienten sind, aber auch die Komorbiditäten und die Art der Therapie sind von Bedeutung. Ihr Stellenwert für den Krankheitsverlauf kann in solchen Registern dargestellt werden. Aus dem REACH-Register wurden 21.860 Patienten ausgewählt, die BB erhielten oder die eine Indikation für BB hatten, jedoch nicht so behandelt wurden. Diese Patienten wurden drei Gruppen zugeteilt 1. KHK nach Myokardinfarkt, 2. KHK ohne Infarktanamnese und 3. keine KHK, aber mindestens drei Risikofaktoren. Nach vierjähriger Nachbeobachtung wurde die Häufigkeit des primären Endpunkts mit und ohne BB-Therapie ausgewertet (Intention to treat). Dazu wurden Patientenpaare gebildet und die demographischen, klinischen und therapeutischen Daten in einem komplexen statistischen Verfahren (Propensity score matching) berücksichtigt.

In Tab. 1 ist die Häufigkeit des kombinierten primären Endpunkts bei den drei Gruppen mit und ohne BB-Therapie angegeben. Es zeigt sich, dass BB nur bei Patienten mit Zustand nach Myokardinfarkt oder sonst nachgewiesener KHK einen – allerdings statistisch nicht signifikanten – positiven Effekt haben. Bei Patienten mit Risikofaktoren ohne Nachweis einer KHK wirkt sich die Therapie mit BB sogar nachteilig aus. Demgegenüber sind, nach Aussage der Autoren, positive Effekte der Statine nachweisbar.

In einer anderen Studie (8) wurden fast 10.000 ältere Patient(inn)en, die einen akuten Herzinfarkt mindestens die ersten 30 Tage überlebt hatten, 18 Monate lang nachbeobachtet. Untersucht wurde die Adhärenz zu vier Medikamentenklassen: Statine, Clopidogrel, ACE-Hemmer/Sartane und BB. Zirka die Hälfte war adhärent. Diese Hälfte überlebte signifikant länger als diejenigen, die nicht adhärent waren. Das galt für die drei untersuchten Medikamentenklassen Statine, Clopidogrel, ACE-Hemmer/Sartane, nicht aber für die BB. Die Einnahme bzw. keine Einnahme von BB änderte nichts an der Letalität: multivariate Hazard-Ratio: 0,93 (95%-Konfidenzintervall: 0,85-1,01).

Die präventive Wirksamkeit der BB war bei diesen Registerauswertungen deutlich geringer als erwartet. Dabei ist allerdings kritisch zu bedenken, dass es keine Informationen dazu gibt, warum im Einzelfall BB eingenommen wurden (Herzinsuffizienz? Hypertonie?). Für Untergruppen ist daher keine Aussage möglich. Auch die Art der angewandten BB wurde nicht erwähnt. Beim „Propensity score matching” können natürlich nur diejenigen Faktoren berücksichtigt werden, die bekannt sind, z.B. nicht die individuellen oder regionalen Besonderheiten der Indikationsstellung etc. Andererseits könnte es auch möglich sein, dass die präventive Wirkung der BB nach dem Siegeszug der interventionellen Therapie, der intensiveren Hemmung der Thrombozytenaggregation und des RAS sowie der Behandlung mit Statinen deutlich geringer geworden ist. Es muss also nicht an der Art der Auswertungsmethode liegen, dass sich hier in der Praxis nicht die Effekte zeigen, die auf Grund randomisierter, kontrollierter Studien (RCT) erwartet wurden. Bei Anwendungsbeobachtungen gehen, anders als bei RCT, Wirkungen unter, die sich z.B. nur auf kleine Untergruppen beziehen. Jedoch werden relevante, bei allen Patienten zu erwartende Effekte erfasst.

Fazit: An der differenzierten Therapie mit Betablockern nach akutem Myokardinfarkt ändert sich nichts: Bei Herzinsuffizienz ist sie indiziert (vgl. 9) und bei den anderen Patienten kann sie je nach individueller Situation erwogen werden, zumindest in den ersten Jahren. Eine routinemäßige Verordnung von Betablockern bei allen Patienten nach Infarkt oder solchen mit Koronarer Herzkrankheit ohne Infarktanamnese oder mit kardiovaskulären Risikofaktoren unterstützen diese Untersuchungen nicht.

Literatur

  1. Koronare Herzkrankheit.Therapieempfehlung der AkdÄ. Arzneiverordnung in der Praxis: Link zur Quelle
  2. Steg, P.G.,et al. (ESC Guidelines): Eur. Heart J. 2012, 33, 2569. Link zur Quelle
  3. Smith, S.C,et al.: Circulation 2011, 124, 2458. Link zur Quelle
  4. AMB 2000, 34, 75a Link zur Quelle . AMB2002, 36, 88b Link zur Quelle; AMB 2005, 39, 91 Link zur Quelle ; AMB 2006, 40, 09. Link zur Quelle
  5. BerlinerHerzinfarktregister Link zur Quelle
  6. Bangalore,S., et al. (REACH = REduction of Atherothrombosis for ContinuedHealth): JAMA 2012, 308, 1340. Link zur Quelle
  7. Bhatt, D.L., et al. (REACH = REduction of Atherothrombosisfor Continued Health): JAMA 2010, 304, 1350. Link zur Quelle
  8. Zuckerman, I.H., et al.:J. Am. Geriatr. Soc. 2012, 60, 1854. Link zur Quelle

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