Unter der Rubrik „Drug points” berichtet das BMJ über folgende, vermutlich seltene, unerwünschte Wirkungen von Arzneimitteln (UAW):
Eine 72-jährige Frau, die an Hypertonie, Hypothyreose, Herzinsuffizienz und Niereninsuffizienz litt, wurde seit längerer Zeit mit L-Thyroxin, Amlodipin, Atenolol und Losartan (Lorzaar®) behandelt. Fünf Tage nach Beginn einer Therapie mit 10 mg Atorvastatin (Sortis®) abends litt sie für zweieinhalb Wochen jede Nacht an schweren Albträumen. Der behandelnde Arzt empfahl die Beendigung der Therapie mit dem Statin, worauf die Albträume ausblieben. Nach Re-Exposition traten sie wieder auf (1). Über Albträume ist auch nach Einnahme von Simvastatin und Metoprolol berichtet worden (2).
Eine 52-jährige Frau mit Polyneuropathie unklarer Genese wurde wegen starker neuropathischer Schmerzen nach erfolglosem Einsatz von Carbamazepin mit dreimal 400 mg/d, später mit dreimal 800 mg/d Gabapentin behandelt. Nach neun Monaten klagte sie wiederholt über mehrere Minuten anhaltende Sehstörungen mit Schwindel. Die augenärztliche Untersuchung ergab ein erheblich konzentrisch eingeengtes Gesichtsfeld beider Augen. Die Elektroretinographie, visuelle evozierte Potentiale und ein MRT des Gehirns waren unauffällig. Nach Absetzen von Gabapentin normalisierte sich das Gesichtsfeld sehr langsam und war erst nach fünf Jahren wieder normal (3). Von einem anderen Antiepileptikum, Vigabatrin (Sabril®), sind Einengungen des Gesichtsfelds infolge starker Anreicherung der Substanz in der Retina als häufige UAW bekannt (4). Über Veränderungen des Gesichtsfelds durch Gabapentin wurde zuvor noch nicht berichtet.
Eine 28-jährige Mutter von zwei Kindern mit Hepatitis C, die Heroin-abhängig war, wurde zwecks Heroin-Entzug mit zunächst 30 mg/d, später 40 mg/d Methadon „substituiert”. Vier Monate später trat eine Galaktorrhö mit Amenorrhö bei erhöhter Serum-Prolaktin (PRL)-Konzentration auf. Die Patientin nahm keine anderen Medikamente ein. Ein MRT der Hypophysenregion war unauffällig. Die Galaktorrhö mit Hyperprolaktinämie und Amenorrhö hielt mehrere Jahre unter Methadontherapie an. Die PRL-Sekretion steht unter tonisch inhibierender Wirkung durch hypothalamisches Dopamin, das über den Hypophysenstiel die PRL-sezernierenden Zellen erreicht. Opiate können via µ- und kappa-Opioidrezeptoren den Dopamin-Tonus senken und die PRL-Sekretion enthemmen. Dem UK Committee for Safety of Medicines sind drei Fälle von Hyperprolaktinämie unter Methadontherapie bekannt. Die Autoren des jetzigen Berichts (5) vermuten, dass diese UAW unter dauerhaft eingenommenen Opiaten häufiger auftritt, aber nur selten gemeldet wird.
Fazit: Bei Verdacht auf erhebliche UAW von Medikamenten, besonders solche, die bisher nicht bekannt oder selten sind, sollte Meldung an die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) erfolgen.
Literatur
- Smak Gregoor, P.J.H.: BMJ 2006, 332, 950 . Link zur Quelle
- Boriani, G., et al.: Ann. Pharmacother. 2001, 35, 1292 . Link zur Quelle
- Bekkelund, S.I., et al.: BMJ 2006, 332, 1193 . Link zur Quelle
- Kälviäinen, R., et al.: Neurology 1999, 53, 922 . Link zur Quelle
- Bennet, J., und Whale, R.: BMJ 2006, 332, 1071 . Link zur Quelle